TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/21 98/08/0361

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Veröffentlicht am 21.11.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Dr. Klaus Schiller, Rechtsanwälte in 4690 Schwanenstadt, Stadtplatz 29, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 20. September 1998, Zl. 120.128/4-7/98, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifterstraße 65;

3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1090 Wien, Roßauer Lände 3; 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Oberösterreich, 4020 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren des mitbeteiligten Arbeitsmarktservice wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Februar 1997 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der im Jahre 1996 verstorbene Z. C. auf Grund seiner Beschäftigung beim Beschwerdeführer als gewerbliche Hilfskraft in der Zeit vom 1. Mai bis 19. November 1995 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosen)versicherungspflicht unterlegen sei. Ihrer Begründung legte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Angaben des Z. C. und jene der ehemaligen Dienstnehmerin des Beschwerdeführers E. W. zu Grunde, wonach ersterer im angeführten Zeitraum im Hotelbetrieb des Beschwerdeführers an sechs Tagen in der Woche bei voller freier Station und einem Nettomonatslohn von S 7.000,-- regelmäßig alle angefallenen Arbeiten verrichtet habe und dabei an die Weisungen des Beschwerdeführers und dessen beider Töchter gebunden gewesen sei. Daraus ergebe sich eine versicherungspflichtige Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, Z. C. habe freiwillig bei ihm gearbeitet, erachtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als unglaubwürdig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Darin brachte er im Wesentlichen vor, das Dienstverhältnis der Zeugin E. W. habe nicht im guten Einvernehmen geendet, was vor allem auf deren Alkoholprobleme zurückzuführen gewesen sei. Nach Erinnerung des Beschwerdeführers habe der Aufenthalt von Z. C. auf seinem Bauernhof frühestens im Juni 1995 begonnen, wobei Z. C. zwar freie Station gewährt, er jedoch zu keinerlei Tätigkeiten verpflichtet worden sei. Z. C. sei mehrmals in ärztlicher Behandlung und Spitalsbehandlung gewesen.

Mit Bescheid vom 27. November 1997 gab der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Einspruch keine Folge. In der Beweiswürdigung schenkte der Landeshauptmann den Angaben des Z. C. und jenen der Zeugin E. W. mehr Glauben als den Angaben des Beschwerdeführers und dessen beider Töchter. Für die Annahme eines anderen als des von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse festgestellten Sachverhaltes - so der Landeshauptmann - bestehe bei dieser Beweislage kein Anlass, woraus die versicherungspflichtige Beschäftigung von Z. C. beim Beschwerdeführer zu folgern sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er auf die angeblich unzureichenden Sprachkenntnisse von Z. C., die zu Missverständnissen hätten führen können, sowie auf die seiner Meinung nach bestehenden Alkoholprobleme von E. W. hinwies. Über Aufforderung der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer noch die Namen und Anschriften mehrerer bei ihm tätiger Dienstnehmer bekannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und ging dabei davon aus, dass Z. C. in der Zeit vom 1. Mai bis 19. November 1995 an sechs Tagen pro Woche acht Stunden täglich alle Hilfsarbeiten für den Beschwerdeführer verrichtet habe, die im Rahmen von dessen Land- bzw. Gastwirtschaft angefallen seien. Er habe in der Küche gearbeitet, den Parkplatz gepflegt und sei auch als "Hausmeister" tätig gewesen. Er habe seine Arbeiten nach den Weisungen des Beschwerdeführers und dessen beider Töchter durchgeführt und dafür S 7.000,-- monatlich und freie Station erhalten. Beweiswürdigend meinte die belangte Behörde zusammenfassend, dass die Angaben von Z. C. sowie der ehemals beim Beschwerdeführer Beschäftigen glaubwürdiger seien als die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Töchter sowie der noch immer bei ihm beschäftigten Zeugen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, die Abweisung der Beschwerde beantragt und auf die Erstattung einer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - verzichtet. Die als Gegenschriften bezeichneten Schriftsätze des mitbeteiligten Arbeitsmarktservice und der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt enthalten lediglich Hinweise auf den angefochtenen Bescheid, ohne sich mit dem Beschwerdevorbringen auseinander zu setzen; die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Kostenersatz wird nur von der belangten Behörde (für die Aktenvorlage) und vom mitbeteiligten Arbeitsmarktservice verlangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist (vollversicherungspflichtiger) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Hinsichtlich der unterscheidungskräftigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung und der Bedeutung der Bezeichnung und des Inhaltes vertraglicher Gestaltungen hiefür wird auf das Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 94/08/0052, und die darin angeführte Vorjudikatur verwiesen.

Auf die auf der Basis dieser Rechtslage vom Beschwerdeführer angestellten und der Rechtsrüge zuordenbaren Überlegungen, er habe Z. C. lediglich Unterkunft und Verpflegung gewährt und diesen habe keine Arbeitspflicht getroffen, ist nicht einzugehen, weil er dabei nicht von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen ausgeht. Die Lösung der Rechtsfrage kann aber nur anhand des festgestellten Sachverhaltes bekämpft werden.

Der Beweiswürdigung der belangten Behörde hält der Beschwerdeführer entgegen, Z. C. hätte kaum Deutschkenntnisse gehabt und sich zur Zeit seiner Angaben gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in einer schwierigen, verzweifelten Lage befunden. Die Zeugin F. W. habe vor Beantwortung der ihr gestellten Fragen in Kenntnis der Aussagen von Z. C. sein müssen, weil nur so erklärt werden könne, dass in beiden Aussagen das "falsche Datum" des Aufenthaltsbeginnes aufscheine. Der Beschwerdeführer habe auf Grund monatelanger Wahrnehmungen ein Alkoholproblem bei der Zeugin feststellen können; zudem sei die Objektivität ehemaliger Dienstnehmer vor allem dann in Zweifel zu ziehen, wenn Dienstverhältnisse im Streit geendet hätten. Der Zeuge H. M. sei vom 25. Juli bis 11. August 1995 beim Beschwerdeführer beschäftigt gewesen; alle nicht diesen Zeitraum betreffenden Aussagen seien Vermutungen gewesen.

Zu dieser Beweisrüge ist zunächst allgemein fest zu halten, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bedeutet, dass der in der Begründung des Bescheides nieder zu legende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 92/08/0133, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, einer Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung entgegen zu treten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre. Die belangte Behörde ist zwar gehalten, in der Begründung ihres Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen zu fassen (§ 60 AVG), sie ist aber nicht verpflichtet, allen sonst noch denkbaren, schlüssig begründbaren Sachverhaltsvarianten im Einzelnen nachzugehen, wenn sie sich nur mit allen Umständen schlüssig und nachvollziehbar auseinander gesetzt hat, die für und wider die von ihr tatsächlich getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sprechen.

Vor diesem Hintergrund vermögen die dargestellten Beschwerdeausführungen keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Die die wesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung orientierte sich am Ergebnis von Angaben verschiedener mit dem Sachverhalt in Berührung gestandener Personen, deren unterschiedliche Interessenlage zu bewerten war. So etwa führte die belangte Behörde die kargen Angaben der noch beim Beschwerdeführer beschäftigen Dienstnehmer darauf zurück, dass sich weitere Angaben allenfalls für den Beschwerdeführer nachteilig ausgewirkt hätten, was wiederum Einfluss auf ihre Beschäftigung hätte haben können. Diesen Vorwurf könne man Z. C. sowie weiteren vernommenen Personen, die nicht mehr beim Beschwerdeführer beschäftigt seien, nicht machen, weshalb der Glaubwürdigkeit dieser im Wesentlichen einander deckenden Angaben nichts entgegenstünde. Diese Einschätzung ist im Hinblick auf die Aktenlage nicht als unschlüssig oder gar mit den Denkgesetzen in Widerspruch zu erachten.

Die dargestellten Ausführungen in der Beschwerde sind auch nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung zu erwecken. Der wiederholte Hinweis des Beschwerdeführers auf allfällige Alkoholprobleme einer Zeugin und die Vermutung einer Absprache über den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, ohne dies näher zu begründen, sind nicht geeignet, die schlüssige und nachvollziehbare Beweiswürdigung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.

Vermeint der Beschwerdeführer, einen Verfahrensfehler darin zu erkennen, dass die belangte Behörde die Zeugen A. O. und H. H. "entweder nicht befragt oder das Ergebnis der Befragungen nicht berücksichtigt" habe, ist er darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde die beiden Zeugen von Amts wegen auf Grund einer Auskunft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zwar ausfindig machte, ihre Einvernahme vom Beschwerdeführer jedoch (im Gegensatz zu einer Reihe anderer Zeugen) in seinem Schreiben an die belangte Behörde vom 5. April 1998 nicht beantragt wurde, sowie darauf, dass der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen vermag, inwiefern die Einvernahme dieser beiden Zeugen zu einem anderen Ergebnis des Verfahrens geführt hätte. Die Relevanz der Unterlassung der Einvernahme für das Ergebnis des Verfahrens bleibt somit im Dunkeln, weshalb in der unterlassenen Einvernahme dieser Zeugen auch kein (wesentlicher) Verfahrensmangel liegt.

Auf der Grundlage der nach dem Gesagten fehlerfrei zu Stande gekommenen Feststellungen hat die belangte Behörde ihre rechtliche Beurteilung getroffen, die der Beschwerdeführer - wie oben ausgeführt - in unzulässiger Weise unter Zugrundelegung anderer Tatsachen bekämpft. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die belangte Behörde zutreffend die Versicherungspflicht von Z. C. bejahte. Seine persönliche Abhängigkeit vom Beschwerdeführer ergibt sich aus der Bindung an den Arbeitsort und die Arbeitszeit und die mangels gegenteiliger Vereinbarung anzunehmende Arbeitspflicht (vgl. das Erkenntnis vom 16. April 1991, 90/08/0117). Dazu tritt noch die Weisungsgebundenheit. Die wirtschaftliche Abhängigkeit wiederum ist zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1984, 81/08/0061).

Im Ergebnis war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über das Kostenbegehren beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die begründungslose Gegenschrift des - im Übrigen nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen - mitbeteiligten Arbeitsmarktservice steht kein Kostenersatz zu.

Wien, am 21. November 2001

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080361.X00

Im RIS seit

02.04.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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