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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des am 25. September 1968 geborenen S in W, vertreten durch Dr. Mario Schiavon, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Georg Coch-Platz 3/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. November 1998, Zl. 203.246/0-XI/34/98, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, reiste am 22. Februar 1998 nach Österreich ein und stellte am 27. Februar 1998 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 9. März 1998 gab er an, er sei Diamantenhändler und (einfaches) Mitglied der "RTC", der oppositionellen Partei von Alpha Conde gewesen, gegen die die Regierung vorgehe. Weil er diese Partei finanziell unterstützt habe, hätten ihn "die Militärs" bei einem Anschlag am 1. April 1997 töten wollen. Bei einer Straßensperre sei zunächst sein Auto beschossen und danach sei er beraubt und durch einen Schuss in die rechte Brust schwer verletzt worden. "Die Militärs" hätten in der Folge erfahren, dass er den Anschlag entgegen ihrer Annahme überlebt habe. Sie hätten ihn im September 1997 im Krankenhaus aufgesucht und an das Bett gefesselt, damit er nicht fliehen könne. Mit Hilfe des "Krankenhausdirektors" sei ihm schließlich die Flucht gelungen. Bei einer Rückkehr nach Guinea fürchte er angesichts der geschilderten Ereignisse, getötet zu werden.
Das Bundesasylsamt wies mit Bescheid vom 7. Mai 1998 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea fest. Es hielt das Vorbringen des Beschwerdeführers - ausgenommen, dass er "im behaupteten Zeitraum" eine Schussverletzung erlitten habe - aufgrund im einzelnen angenommener Widersprüche für nicht glaubwürdig. Im Rahmen einer Alternativbegründung ging es davon aus, dass selbst unter Zugrundlegung der Behauptungen des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgung, anzunehmen sei, weil "zweifellos der kriminelle Aspekt des Anschlages überwogen hätte." Zum Ausspruch nach § 8 AsylG führte die Erstbehörde ergänzend aus, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass die Bedrohung vom Staat ausgehe oder von diesem geduldet werde.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung, stellte den Antrag, seine Fluchtgründe in einer mündlichen Verhandlung ausführlich und genau schildern zu können, und brachte verdeutlichend vor, dass er Guinea aus Angst vor Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung verlassen habe. Seine Mutter sei wegen ihrer politischen Zugehörigkeit sogar getötet worden. Schließlich trat er der Annahme der staatlichen Schutzgewährung entgegen. Insbesondere wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die staatliche Polizei und "die Militärs" zusammenarbeiten, weshalb er sich nicht an die Polizei wenden könne, sonst werde er umgebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie ging wie die Erstbehörde von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hätte angesichts der ausreichend konkreten Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Berufung und aufgrund der in der Berufung neu vorgebrachten Tatsachen zum fehlenden staatlichen Schutz vor Verfolgungshandlungen "der Militärs" nicht davon ausgehen dürfen, der Sachverhalt sei im Sinne des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG "geklärt". Sie hätte daher nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und die daran anschließende Judikatur) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen müssen.
Darüber hinaus wäre eine mündliche Verhandlung auch deshalb erforderlich gewesen, weil die belangte Behörde in Ansehung der politischen Lage in Guinea von sich aus neue Ermittlungen angestellt und dazu im angefochtenen Bescheid - wenn auch nur sehr kursorisch - Feststellungen getroffen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002).
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200183.X00Im RIS seit
05.03.2002