TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/22 98/15/0089

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Veröffentlicht am 22.11.2001
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §183;
BAO §3 Abs2 litd;
EStG 1988 §20;
EStG 1988 §4 Abs4;
KStG 1988 §12 Abs1 Z6;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/15/0090 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/15/0083 E 16. Dezember 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der G Gesellschaft in R, vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Rathausplatz 3, gegen 1. den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 28. April 1998, Zl. RV- 013.97/1-10/97, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Körperschaftsteuer 1991 und 1993, Umsatzsteuer 1993) sowie Körperschaftsteuer 1991 bis 1994, Gewerbesteuer 1991 und 1993 sowie Umsatzsteuer 1993, und 2. den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. April 1998, Zl. RV- 010.97/1-10/97, betreffend Kapitalertragsteuer und Säumniszuschlag für die Jahre 1991 und 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mag. Erich S war in den Streitjahren Gesellschafter und Geschäftsführer der beschwerdeführenden GmbH.

Für den Zeitraum 1991 bis 1994 wurde bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Buch- und Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei traf der Prüfer die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Zahlungen an die Harper Consultants AG mit Sitz in der Schweiz (im Folgenden: Domizilgesellschaft) - diese steht im unmittelbaren Eigentum einer AG mit Sitz in Panama - geleistet habe, die jedoch nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten. Im Einzelnen wird unter Tz 15 des BP-Berichtes vom 10. Oktober 1996 ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 1991 66.932 S und im Jahr 1993 200.000 S (zuzüglich 20 % USt.) als Entgelt für Leistungen der Domizilgesellschaft verbucht. Über diese Leistungen lägen zwei Rechnungen vor. In der Rechnung vom 21. April 1992 seien die Leistungen als "Bemühungen", in jener vom 20. September 1994 als "Beratungstätigkeit" bezeichnet. Am 16. Oktober 1995 habe die Abgabenbehörde den weiteren Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, Mag. Edgar S, sowie den Prokuristen der Beschwerdeführerin, Alois P, zu den Geschäftsbeziehungen mit der Domizilgesellschaft befragt. Beide Auskunftspersonen hätten keine konkreten Angaben zu den Geschäftsbeziehungen zur Domizilgesellschaft machen können, obwohl beide mit Aufgaben der Geschäftsführung betraut gewesen seien. Die Domizilgesellschaft sei eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht und im Handelsregister St. Gallen eingetragen. Einziger Verwaltungsrat sei zunächst Werner G und ab April 1993 Marcel S gewesen. Sowohl Werner G als auch Marcel S seien berufsmäßige Treuhänder, die bei einer Unzahl anderer Domizilgesellschaften ebenfalls als Verwaltungsräte fungierten. Aus der Bilanz der Domizilgesellschaft zum 31. Mai 1993 ergebe sich, dass sie Domizilgebühren als Aufwendungen angesetzt habe.

Die Beschwerdeführerin habe folgende Unterlagen vorgelegt:

-

einen Vertrag zwischen ihr und Domizilgesellschaft vom 15. Juni 1991,

-

eine Leistungszusammenstellung Domizilgesellschaft für den Zeitraum Juli bis Dezember 1991,

-

einen Kooperationsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der Domizilgesellschaft vom 20. Dezember 1992.

Zu diesen Verträgen werde bemerkt, dass die Leistungsbeschreibung der Pauschalleistungen derart allgemein und nichtssagend gehalten sei, dass eine konkrete Leistungserbringung für den Auftraggeber nicht überprüfbar sei. Die Übermittlung von Unterlagen und Informationen allgemeiner Art (betreffend Bereitstellung von Bankkontakten, Übermittlung von Musterformularen, etc.) seien Leistungen, die üblicherweise unentgeltlich als Serviceleistungen erbracht würden. Die von der Domizilgesellschaft bereitgestellten sogenannten "Organisationshandbücher" seien zum Teil von banalstem Inhalt (z.B. "Wie telefoniert die Sekretärin?", "Wie grüßt die Sekretärin?" oder "Warum wird Kaffee serviert?"). Die Organisationshandbücher würden des weiteren Fotokopien österreichischer Fachliteratur beinhalten.

Im Kooperationsvertrag vom 20. Dezember 1992 werde der Beginn der Zusammenarbeit mit 1. Jänner 1992 angegeben. In diesem Vertrag werde festgelegt, dass die Domizilgesellschaft für die Beschwerdeführerin ein Organisationshandbuch erstelle, welches die Ablauf- und Aufbauorganisation der Beschwerdeführerin regle sowie die Grundlagen für die Mitgliedschaft in einer aus mehreren Treuhandgesellschaften gebildeten Treuhandgruppe darstelle und von den einzelnen Partnern (Mitglieder der Treuhandgruppe) erworben werden müsse. Die Beschwerdeführerin und die Domizilgesellschaft vereinbarten dabei, dass das Organisationshandbuch nicht gesondert in Rechnung gestellt werde.

Zu diesem Handbuch sei Alois P, der Prokurist der Beschwerdeführerin, am 25. Jänner 1996 vom Finanzamt befragt worden. Der Prokurist sei sich nicht sicher gewesen, dass es ein solches Handbuch gebe, er habe ein solches nicht vorlegen können. Dieser Umstand stehe im krassen Widerspruch zur Bedeutung, die dem Handbuch in der Vereinbarung bzw. in Aussagen beigemessen worden sei. Der Prokurist habe in der Folge einen Teil des Handbuches vorgelegt, nämlich den Band Verwaltung und den Band Buchhaltung, die je aus einem DIN A4 Ordner mit kopierten und eingehefteten Blättern bestanden hätten. Eine Arbeitsunterlage, die aus gelochten Einzelblättern bestehe, weise bei starker Verwendung deutliche Gebrauchsspuren auf; da dies nicht der Fall gewesen sei, sei wahrscheinlich, dass das vorgelegte Handbuch speziell für die Vorlage bei der Abgabenbehörde kopiert worden sei. Die Abgabenbehörde habe Kenntnis von einem anderen Handbuch erlangt, welches Mag. Erich S im Jahr 1991 erstellt und im Jahr 1992 im Rahmen eines Seminars an Seminarteilnehmer verteilt habe. Ein Vergleich der Seminarunterlage des Mag. Erich S, des Handbuches der Domizilgesellschaft und des Handbuches einer C-AG ergebe, dass diese sich zum Großteil deckten. Das Handbuch der Domizilgesellschaft weise in der Kopfzeile der einzelnen Seiten deren Firmennamen, jenes der C-AG den Namen dieser AG aus, das Handbuch des Mag. Erich S habe keine Kopfzeile. Das Handbuch der Domizilgesellschaft sei eine Fotokopie des Handbuches der C-AG, welche derart schlampig erstellt worden sei, dass auf einzelnen Seiten unter der Kopfzeile der Domizilgesellschaft noch zweifelsfrei die ursprüngliche Kopfzeile der C-AG erkennbar sei. Für den Prüfer sei erwiesen, dass weder die Domizilgesellschaft noch die C-AG ein Handbuch erstellt hätten, weil bereits im Jänner 1991 das Originalhandbuch von Mag. Erich S verfasst gewesen und von diesem bei diversen Vorträgen bzw. Seminaren als Arbeitsunterlage verwendet worden sei. Der Prüfer gehe davon aus, dass das Handbuch von Mag. Erich S in den Jahren 1991 bis 1993 überarbeitet und ergänzt worden sei; dieses Handbuch sei als jenes der Domizilgesellschaft ausgegeben worden. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um vorgetäuschte Leistungen handle, sei der Umstand, dass sowohl von der Domizilgesellschaft als auch von der C-AG ein zur Gänze übereinstimmendes Handbuch erstellt worden sein solle. Bezeichnend sei auch das Verhalten von Mag. Erich S, der bei der Befragung vom 28. Juni 1996, bei welcher ihm erstmals die Kenntnis der Abgabenbehörde von der Existenz dreier Handbücher vorgehalten worden sei, dargelegt habe, diese Handbücher seien sehr wichtig und stellten die Grundlage der täglichen Arbeit dar, wohingegen er in der Folge habe einräumen müssen, er habe erwartet, dass die Handbücher den Bereich Buchhaltung umfangreicher behandelten und nicht nur eine teilweise Übernahme seines eigenen Teiles erfolge. Zusammenfassend stellte der Prüfer fest, dass die Zahlungen, die unter dem Titel Entgelt für Leistungen der Domizilgesellschaft geleistet worden seien, nicht als Betriebsausgaben der Beschwerdeführerin angesehen werden könnten und als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet werden müssten. Die von der Domizilgesellschaft in Rechnung gestellte Umsatzsteuer könne nicht als Vorsteuer anerkannt werden.

Der Prüfer traf weiters die Feststellung, auf Grund einer Personensteuern der Beschwerdeführerin (für die Jahre 1984 bis 1986) betreffenden Berufung seien Abgaben bis zum Jahre 1992 ausgesetzt gewesen. Im Hinblick auf die Abweisung der Berufungen seien für das Jahr 1991 Aussetzungszinsen angefallen. Die mit Personensteuern zusammenhängenden Aussetzungszinsen des Jahres 1991 (90.691 S) teilten das Schicksal der Personensteuern und seien daher nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen (Tz 16 des BP-Berichtes).

Das Finanzamt erließ - zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren - Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 1991 bis 1994, Gewerbesteuer 1991 und 1993 sowie Umsatzsteuer 1993 und Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 1991 sowie 1993 samt Säumniszuschlagsbescheiden.

Gegen die vorgenannten Bescheide berief die Beschwerdeführerin. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Domizilgesellschaft habe der Beschwerdeführerin das Organisationshandbuch nicht verrechnet, weshalb in diesem Zusammenhang Betriebsausgaben nicht geltend gemacht worden seien. Mag. Edgar S und Alois P seien anlässlich ihrer Befragung am 16. Oktober 1995 die Verträge mit der Domizilgesellschaft bekannt gewesen, sie hätten aber dem Prüfer gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass sie konkrete Fragen wünschten, auf welche sie konkrete Antworten geben könnten, zumal sie sich nicht vorstellen könnten, was der Betriebsprüfer "genau detailliert wünsche". Dass Marcel S, der Verwaltungsrat der Domizilgesellschaft, ein berufsmäßiger Treuhänder sei, werde bestritten. Die Leistungsbeschreibung der Domizilgesellschaft sei nicht allgemein gehalten. Die Domizilgesellschaft weise diverse Zustelladressen auf, was darauf zurückzuführen sei, dass sie an mehreren Adressen tätig geworden sei. Ein Büro mit Firmenschild befinde sich im Schweizer Ort Wil. Die Abgabenbehörde habe unrichtig festgestellt, dass die Domizilgesellschaft kein eigenes Personal und keine eigenen Räumlichkeiten habe. Tatsächlich verhalte es sich so, dass eine Domizilgesellschaft außerkantonale Tätigkeiten entwickle. Die Beschwerdeführerin ersuche, dass sich die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem schweizerischen Steuerrecht, insbesondere mit dem kantonalen Steuerrecht von St. Gallen, auseinandersetze und diesbezüglich den Wissensstand erwerbe, der für die Beurteilung des Sachverhaltes erforderlich sei. Die Domizilgesellschaft verfüge über Personal und Räumlichkeiten. Die Beschwerdeführerin lade die Rechtsmittelbehörde ein, das Geschäftshaus, in welchem sich auch die Domizilgesellschaft niedergelassen habe, zu besichtigen.

Das Finanzamt unterstelle, dass es sich beim Kooperationsvertrag mit der Domizilgesellschaft um einen Scheinvertrag handle. Wie sinnlos die Argumentation sei, sei bereits anlässlich diverser Besprechungen mitgeteilt worden.

Das Finanzamt habe auch ausgeführt, es füge sich in das Bild der Geschäftsverbindung mit der Domizilgesellschaft die Sachverhaltsdarstellung (Selbstanzeige) des Steuerberaters Herrn MA, wonach Mag. Erich S den Steuerberater MA veranlasst habe, in einem anderen Abgabenverfahren zum Zwecke des Gewinntransfers von 1 Mio. S von einer inländischen Gesellschaft auf die Domizilgesellschaft tatsachenwidrig zu behaupten, dass die Domizilgesellschaft Finanzberatungsleistungen erbracht habe, obwohl der Steuerberater  MA in Wahrheit keinerlei Kontakte zur Domizilgesellschaft bzw. deren Organwaltern (insbesondere Marcel S) gehabt habe. Die Beschwerdeführerin verweise darauf, dass der Steuerberater MA niemals behauptet habe, von Mag. Erich S veranlasst worden zu sein, tatsachenwidrig (den Erhalt von) Finanzberatungsleistungen zu behaupten. Scheinbar habe der Steuerberater MA Betriebseinnahmen nicht in seine Gewinnermittlung aufgenommen.

In einer Berufungsergänzung wandte sich die Beschwerdeführerin dagegen, das jener Teil der Aussetzungszinsen des Jahres 1991 in Höhe von insgesamt 109.623 S, der auf Personensteuern entfalle, nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden sei.

Soweit die Berufung die anderen Bescheide als jene betreffend Kapitalertragsteuer samt Säumniszuschlag betrifft, wurde sie mit dem erstangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Am 15. Juni 1991 habe die Beschwerdeführerin, vertreten durch Mag. Erich S, mit der Domizilgesellschaft mit Sitz in Wil in der Schweiz einen Vertrag betreffend Zusammenarbeit im Bereich der Steuerberatung abgeschlossen. Die Beschwerdeführerin habe monatliche Akontozahlungen von 10.000 S zu überweisen gehabt. Mit Schreiben vom 15. Juli 1991 habe die Beschwerdeführerin die Leistungen wie folgt beschrieben: Zurverfügungstellung von Allgemeinleistungen in Form von Informationen anlässlich der Vermögensverwaltung, rechtliches Informationsmaterial über internationales Steuerrecht, Betriebsberatung. Am 20. Dezember 1992 habe die Beschwerdeführerin, wiederum vertreten durch Mag. Erich S, mit der Domizilgesellschaft einen weiteren Kooperationsvertrag geschlossen. Im vereinbarten monatlichen Pauschalhonorar von 20.000 S seien zusätzlich zu den oben genannten Leistungen u.a. die Vermittlung von Klienten seitens der Domizilgesellschaft und die Erstellung und Bereitstellung eines Organisationshandbuches enthalten gewesen. Die Beschwerdeführerin habe Zahlungen an die Domizilgesellschaft gewinnmindernd behandelt. Auf Grund der im Rahmen der seinerzeitigen Veranlagung allein vorgelegten Abgabenerklärungen könne nicht davon die Rede sein, dass die Beschwerdeführerin dem Finanzamt seinerzeit alle für eine richtige rechtliche Subsumption maßgeblichen Umstände des Sachverhaltes bekanntgegeben habe. Vielmehr habe das Finanzamt von den Tatumständen, die es als Wiederaufnahmegründe herangezogen habe, erst durch die abgabenbehördliche Prüfung im Jahr 1995 Kenntnis erlangt. Die Wiederaufnahme sei daher zu Recht erfolgt. Die Domizilgesellschaft habe "Bemühungen" (für die Zeit von Juli bis Dezember 1991) sowie "Beratungstätigkeit" (vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1993) in Rechnung gestellt.

Verdeckte Gewinnausschüttungen seien Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen einer Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkten und keinen Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung hätten. Als Domizilgesellschaften seien jene Rechtsgebilde anzusehen, die im Land ihrer Registrierung keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhielten, sondern bei einem Domizilträger (Rechtsanwalt, berufsmäßiger Treuhänder, etc.) ansässig seien. Die in Rede stehende Domizilgesellschaft sei am 25. Juni 1982 gegründet worden. Im Oktober 1991 habe Werner G, damals einziges Mitglied des Verwaltungsrates eine Statutenänderung vorgenommen. Die erste Kontaktaufnahme von Mag. Erich S zur Domizilgesellschaft sei im Jahr 1988 erfolgt. Seit April 1993 fungiere Marcel S als einziger Verwaltungsrat. Werner G und Marcel S seien "berufsmäßige Treuhänder", die bei einer Unzahl von Schweizer Briefkastengesellschaften (u.a. bei der C-AG) als Verwaltungsräte eingetragen seien. Dies habe die Domizilgesellschaft mit Schreiben vom 24. September 1996 bestätigt. Aus ihrem Handelsregisterauszug vom 11. August 1994 ergebe sich ein Domizilvermerk. Aus ihrer Bilanz zum 31. Mai 1993 gehe hervor, dass sie Domizilgebühren als Aufwand ausweise. Die Beschwerdeführerin bestreite in der Berufung, dass die Domizilgesellschaft keine Räumlichkeiten und kein Personal habe. Namen von Arbeitnehmern habe die Beschwerdeführerin aber "verständlicherweise" nicht nennen können. Sie habe lediglich auf Partnerbüros hingewiesen. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Fotokopien von Fotografien, welche Büros bzw. eine Firmentafel zeigt, bewiesen lediglich die physische Existenz dieser Einrichtungen. Die Domizilgesellschaft habe mit Schreiben vom 24. September 1996 mitgeteilt, sie habe im Kanton (gemeint: im Kanton Zug) weder Personal noch Büroräume. Die von der Beschwerdeführerin beantragte Durchführung eines Augenscheines in Wil sei entbehrlich, zumal jedenfalls eine betriebliche Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen nicht erkennbar sei. Gesellschafterin der Domizilgesellschaft sei eine weitere Briefkastenfirma, nämlich die Firma S-Investment Inc. mit Sitz in Panama.

Bezüglich der in Verwendung stehenden Organisationshandbücher mit zum Teil äußerst allgemein gehaltenem Inhalt (betreffend das Telefonierten und Grüßen durch Sekretärinnen und das Kaffeekochen) bzw. mit Fotokopien österreichischer Fachliteratur werde auf die Begründung zu den erstinstanzlichen Bescheiden verwiesen. Diese Handbücher seien offenbar zum Großteil von Mag. Erich S erstellt worden; sie seien in weiten Teilen ident mit dem von diesem im Jahr 1991 verfassten Seminarunterlagen. Im gegenständlichen Fall seien allerdings die Handbücher nicht Gegenstand einer entgeltlichen Überlassung auf Grund des Kooperationsvertrages gewesen. Die Domizilgesellschaft habe der Beschwerdeführerin das Organisationshandbuch nicht verrechnet.

Den österreichischen Abgabenbehörden sei es untersagt, im Ausland Erhebungen vorzunehmen. Deshalb bestehe bei Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht für den Steuerpflichtigen. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, die S-Investment AG sei einziger Aktionär der Domizilgesellschaft, deren wirtschaftlich Berechtigte seien Rainer F und Marcel S. Verwunderlich sei, dass Mag. Erich S als Sachbearbeiter auf einer Ausgangsrechnung der Domizilgesellschaft aufscheine. Der Vertreter der Domizilgesellschaft habe hiefür mit Schreiben vom 24. September 1996 die Erklärung geliefert, dass es im Zuge der Aufarbeitung der chaotischen Aktenlage vorgekommen sei, dass Marcel S Herrn Mag. Erich S ersucht habe, verspätete und dringend urgierte Ausgangsrechnungen der Gesellschaft zu erstellen und ohne weiteren Zeitverzug an die Berechtigten weiterzuleiten. Diese Behauptung sei in ihrer Gesamtheit unschlüssig und widerspreche der Lebenserfahrung. Auch im Hinblick auf die Vielzahl der miteinander verwobenen und in Verbindung stehenden Gesellschaften sowie das Verwirrspiel und die Verzögerungstaktik der Beschwerdeführerin sei davon auszugehen, dass die von der Beschwerdeführerin genannten Personen nicht Empfänger der abgesetzten Beträge seien. Im Zuge der Betriebsprüfung sei überdies ein Dokument gefunden worden, aus welchem hervorgehe, dass Mag. Erich S im September 1994 Anteile an einer anderen Gesellschaft an S-Investment AG, Panama, mit Kontaktadresse Wil in der Schweiz verkauft habe.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass Mag. Erich S die Verfügungsmacht über die strittigen Geldbeträge erhalten habe, zumal kein Unternehmer und schon gar nicht ein Wirtschaftstreuhänder derart wertlose oder anderweitig gratis zu beziehende Leistungen, wie etwa die Übermittlung von Bankprospektmaterial und Zeitungsannoncen (oder gar selbst erbrachte Leistungen, wie die Erstellung des Organisationshandbuches), einer fremden Gesellschaft "abkaufen" würde.

Die belangte Behörde gelange zur Auffassung, dass den strittigen Zahlungen keine betrieblich veranlasste Beratungsleistungen zugrundelägen. Es handle sich vielmehr um fingierte Aufwendungen. Den Geldleistungen sei daher die steuerliche Anerkennung (gemeint als Betriebsausgaben) zu versagen. Durch die Zahlungen sollten steuersparende Gewinnabschöpfungen herbeigeführt werden.

Bei der Ermittlung von Einkünften dürften Steuern vom Einkommen und Ertrag einschließlich der Nebengebühren und somit auch einschließlich der Aussetzungszinsen nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Von den Aussetzungszinsen des Jahres 1991 in Höhe von 109.623 S entfielen 90.691 S auf Personensteuern und seien daher nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen die Bescheide betreffend Kapitalertragsteuer samt Säumniszuschlag als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen auf die Begründung des erstangefochtenen Bescheides verwiesen. Aus den im erstangefochtenen Bescheid angeführten Erwägungen lasse sich die verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter ableiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon ausgegangen, dass den Rechnungen, die die Beschwerdeführerin von der in einer Steueroase ansässigen Domizilgesellschaft erhalten hat, keine Leistungen zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegen seien. Die Zahlungen der Beschwerdeführerin seien daher nicht die Gegenleistung für zum Vorteil der Beschwerdeführerin ausgeführte Leistungen. Sie seien vielmehr verdeckte Ausschüttungen, die an den Gesellschafter Mag. Erich S, welcher die Beziehung zur Domizilgesellschaft aufgebaut hat, gegangen seien.

Die Beweiswürdigung der Abgabenbehörde unterliegt insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen.

Im gegenständlichen Fall hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.

Im Betriebsprüfungs-Bericht, auf den in der Begründung der erstinstanzlichen Bescheide verwiesen wird, wird festgehalten, die Beschwerdeführerin habe Rechnungen der Domizilgesellschaft - deren Gesellschafter ist wiederum eine panamesische Briefkastengesellschaft - erhalten und auf Grund dieser Rechnungen Betriebsausgaben und Vorsteuern geltend gemacht, es sei aber nicht dargetan worden, welche konkreten Leistungen zu Gunsten der Beschwerdeführerin diesen Rechnungen zugrundelägen. In den Rechnungen sei lediglich von "Bemühungen", "Leistungen" bzw. "Beratungstätigkeit" die Rede. Die Erstellung und Bereitstellung von Organisationshandbüchern könne jedenfalls keine Leistung der Domizilgesellschaft an die Beschwerdeführerin gewesen sein, weil diese Handbücher im Wesentlichen bloß eine schon früher von Mag. Erich S erstellte Unterlage übernehmen und darüber hinaus bloß banale Anweisungen (z.B. über das Kaffeekochen) enthalten würden.

In der Berufung räumte die Beschwerdeführerin ein, zu den Leistungen, welche die Domizilgesellschaft in Rechnung gestellt habe, gehöre die Verfassung und Bereitstellung der Organisationshandbücher nicht. Die Beschwerdeführerin unterließ es jedoch, im Einzelnen darzutun, welche Leistungen es dann gewesen sein sollten, die der Rechnungslegung zugrundelägen. Zwar verwies die Beschwerdeführerin auf eine von der Domizilgesellschaft verfasste Leistungsaufstellung. Diese Leistungsaufstellung ist jedoch in einem solchen Maße allgemein gehalten (z.B. Besprechung betreffend Fremdwährungsfinanzierung über Schweizer Banken), dass sich aus ihr in keiner Weise konkrete einzelne Leistungen, geschweige denn ein Vorteil aus diesen Leistungen für die Beschwerdeführerin ergäbe.

Die belangte Behörde hat ihre Beweiswürdigung zutreffend darauf gestützt, dass Leistungsbeziehungen mit Domizilgesellschaften in Steueroasen nicht als erwiesen angesehen werden können, wenn nicht jede einzelne Leistung konkret und detailliert dargestellt und bewiesen wird. Zutreffend ist sie davon ausgegangen, dass ein entsprechender Nachweis der behaupteten Leistungen im Verwaltungsverfahren nicht erbracht worden ist. Die belangte Behörde befindet sich auch durchaus im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn sie anführt, ein Teil der (ohnedies ohne konkreten Bezug zur Beschwerdeführerin) behaupteten Leistungen (insbesondere die Beratung betreffend Fremdwährungsfinanzierung) könne weitgehend unentgeltlich von Banken bezogen werden.

Auch die Beschwerde unterlässt es aufzuzeigen, welche konkreten Leistungen zum Vorteil der Beschwerdeführerin die Domizilgesellschaft erbracht habe. Auf das Beschwerdevorbringen betreffend die Organisationshandbücher ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen, weil die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren außer Streit gestellt hat, dass diese Handbücher nicht mit den strittigen Zahlungen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang stünden.

In der Beschwerde wird wiederholt vorgebracht, es sei nicht nur bei der Beschwerdeführerin, sondern auch bei anderen Gesellschaften, bei denen Mag. Erich S Gesellschafter (und zumeist auch Geschäftsführer) gewesen sei, eine Betriebsprüfung betreffend die Zahlungen an die in Rede stehende Domizilgesellschaft durchgeführt worden. Es habe sohin eine "verbundene Betriebsprüfung" stattgefunden. Die belangte Behörde hätte sich daher auch mit jenen Einwendungen auseinander setzen müssen, die in den Verfahren der anderen Gesellschaften vorgebracht worden seien.

Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass die BAO eine "verbundene Betriebsprüfung" nicht kennt. Auch wenn Abgabenverfahren gegenüber verschiedenen Steuerpflichtigen in einem zeitlichen Zusammenhang abgeführt werden, müssen Prozesshandlungen gegenüber jedem einzelnen Steuerpflichtigen und von jedem einzelnen Steuerpflichtigen gesetzt werden. Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch mit diesem Vorbringen nicht auf, welche nachvollziehbaren Leistungen die Domizilgesellschaft zu Gunsten der Beschwerdeführerin erbracht habe.

Soweit die Beschwerde allgemein rügt, die belangte Behörde habe Beweisanträgen nicht entsprochen, ist darauf zu verweisen, dass es zunächst Sache der Beschwerdeführerin gewesen wäre, die Leistungen der Domizilgesellschaft konkret anzugeben. Erst dann hätten darüber entsprechende Beweise aufgenommen werden müssen, um den Wahrheitsgehalt der Behauptungen zu prüfen. Zur Aufnahme eines Erkundungsbeweises war die belangte Behörde nicht gehalten (vgl. Ritz, BAO2, § 183 Tz 5).

Auf das Beschwerdevorbringen zur Frage, ob die Domizilgesellschaft Personal angestellt und eigene Räume angemietet habe, braucht im gegebenen Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. Entscheidend ist im gegenständlichen Fall nämlich, ob die belangte Behörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften angenommen hat, dass die Domizilgesellschaft (mag sie auch Personal angestellt und Räume angemietet haben) keine Leistungen zu Gunsten der Beschwerdeführerin erbracht hat.

Mit dem Vorbringen, eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter könne nicht angenommen werden, weil die Zahlungen vom Prokuristen der Beschwerdeführerin durchgeführt worden seien, vermag die Beschwerdeführerin schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer Mag. Erich S unbestritten von den Handlungen des Prokuristen Kenntnis hatte. Mag. Erich S hat dem Prokuristen die Durchführung der Zahlung sogar angewiesen (siehe die schriftliche Fassung der Anweisung in OZ. 12 des Verwaltungsaktes).

Im Allgemeinen gehört es zu den Aufgaben der Organwalter von Briefkasten- bzw. Domizilgesellschaften in Steueroasen, "eidesstättige Erklärungen" darüber abzugeben, dass die wirtschaftlich an diesen Gesellschaften beteiligten Personen gar nicht beteiligt seien. Das Verfahrensrecht kennt allerdings keine Beweisregel, nach welcher solche Erklärungen stets als mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmend angesehen werden müssten. Im gegenständlichen Fall ist jedoch ohnedies nicht entscheidend, ob Mag. Erich S Gesellschafter der Domizilgesellschaft oder der panamesischen Gesellschaft gewesen ist, weshalb es auch auf die Sachverhaltsfeststellung betreffend die Abtretung von Aktien durch Mag. Erich S an die panamesische Gesellschaft nicht ankommt und eine allenfalls in diesem Zusammenhang der belangten Behörde vorzuwerfende Verletzung des Rechts auf Parteiengehör ein nicht relevanter Verfahrensfehler wäre. Die im gegenständlichen Fall getroffene Sachverhaltsannahme, die Domizilgesellschaft habe Rechnungen gelegt ohne Leistungen zu erbringen, das Entgelt sei Mag. Erich S zugekommen, hängt nämlich nicht zwingend von einer bestimmten Identität der Gesellschafter der Domizilgesellschaft ab. Die Sachverhaltsannahme eines unmittelbaren Zuflusses an Mag. Erich S stellt - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch keinen Durchgriff durch eine Körperschaft und keine Verletzung des Trennungsprinzips dar.

Der erstangefochtene Bescheid erwähnt zwar die Bestimmung des § 22 BAO betreffend den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes. Dieser Hinweis auf § 22 BAO trägt allerdings die angefochtenen Bescheide nicht. Die Bescheide sind nicht auf Überlegungen betreffend den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gestützt. Auf die entsprechenden Beschwerdeausführungen war daher nicht einzugehen.

Stellt sich nach erklärungsgemäßer Veranlagung im Zuge einer Betriebsprüfung heraus, dass den von einem Steuerpflichtigen in seinen Abgabenerklärungen als Betriebsausgaben geltend gemachten Entgelten und den geltend gemachten Vorsteuern keine an den Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen zu Grunde liegen, liegt der Wiederaufnahmegrund der neu hervor gekommenen Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO vor. Solcherart vermag der Verwaltungsgerichtshof auch in der von der belangten Behörde im Instanzenzug vorgenommenen Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Die Beschwerde wendet sich schließlich dagegen, dass die belangte Behörde Aussetzungszinsen des Jahres 1991, soweit sie auf Personensteuern entfielen, nicht als Betriebsausgaben anerkannt hat. Zinsen jeglicher Art im Zusammenhang mit Körperschaftsteuerschulden seien nach Ansicht der Beschwerdeführerin gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Im erstangefochtenen Bescheid ist - wie bereits im Betriebsprüfungsbericht (TZ 16) - nachvollziehbar dargelegt, mit welchem Ausmaß die Aussetzungszinsen des Jahres 1991 auf Personensteuern entfallen. Dass Aussetzungszinsen im Zusammenhang mit Personensteuern nicht abzugsfähige Aufwendungen sind, ergibt sich aus der Norm des § 12 Abs. 1 Z. 6 KStG. Da Personensteuern nicht abzugsfähig sind, sind auch jene Nebengebühren, die im Zusammenhang mit Personensteuern zu entrichten sind, nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1996, 92/14/0078, betreffend Säumniszuschläge und Stundungszinsen zu Personensteuern, sowie Doralt, EStG4, § 20 TZ 141, sowie Hofstätter-Reichel, § 20 EStG 1988, TZ 10).

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998150089.X00

Im RIS seit

08.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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