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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des A in W, geboren am 23. Februar 1976, vertreten durch Mag. Dr. Harald Ringelhann, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Agnesstraße 80, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Jänner 1998, Zl. 200.445/0-VI/18/98, betreffend § 7 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Irak, reiste am 8. Dezember 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. Dezember 1997 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15. Dezember 1997 gab er an, Kurde zu sein und aus dem Nordirak zu stammen. Die gesamte Situation im Nordirak sei unerträglich. Im Falle einer Rückkehr in den Irak erwarte den Beschwerdeführer dort die Todesstrafe, weil er aus dem Irak geflüchtet sei.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht einmal glaubhaft darzustellen vermocht, dass er "überhaupt aus dem Nordirak" stamme. Er habe nur Begriffe gekannt, die "wohl jedem Kurden geläufig" seien, über seine behauptete - dem Bescheidverfasser aus eigener Anschauung bekannte - Wohngegend im Nordirak aber Angaben gemacht, die "völlig an der Realität vorbei" gingen. Davon abgesehen habe sich der Beschwerdeführer aber auch "ausschließlich auf die allgemeinen kriegsbedingten Probleme" gestützt. Dem Antrag sei schließlich auch deshalb nicht stattzugeben, weil der Beschwerdeführer schon in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen sei.
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung trug der Beschwerdeführer Angaben über seinen behaupteten Herkunftsort nach. Er ging weiters auf einen ihm vom Bundesasylamt vorgehaltenen Widerspruch zu einer mit seiner Schwester aufgenommen Niederschrift ein, ersuchte angesichts der Tatsache, dass ihm unterstellt werde, nicht aus dem Nordirak zu stammen, darum, ihm Fragen zu stellen, die seinem "bisherigen Lebenswandel im Nordirak zuzurechnen" seien, und versuchte, bestimmte zu seinem Nachteil gewürdigte Angaben bei der erstinstanzlichen Einvernahme zu erklären. Darüber hinaus erstattete er ein umfangreiches ergänzendes Vorbringen zu der ihm wegen der unerlaubten Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Ausland, die im Irak als oppositionelles, mit Verrat auf eine Stufe zu stellendes Verhalten gewertet würden, bei einer Rückkehr in den Irak drohenden Verfolgung. Diese Bedrohung sei auch unabhängig vom "persönlichen Vorbringen" des Beschwerdeführers "jedenfalls objektivierbar".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Sie bezeichnete es als "nicht feststellbar", dass der Beschwerdeführer "tatsächlich aus dem Nordirak" stamme. Es sei aus den im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Gründen "zu bezweifeln", dass der Beschwerdeführer "tatsächlich aus der Umgebung von Dohuk" stamme. Seine Angaben "bezüglich der Herkunft" seien "insbesonders wegen der von ihn (gemeint: ihm) auch im Berufungsverfahren nicht klarzustellenden Widersprüche im Hinblick auf die geographische Lage seiner Heimatstadt", aber auch mit Rücksicht auf die Angaben seiner Schwester unglaubwürdig. In der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes führte die belangte Behörde - ohne erkennbare Anknüpfung an die von ihr getroffenen, negativen Feststellungen - aus, der Beschwerdeführer habe sich "ausschließlich auf kriegsbedingte Probleme in seinem Herkunftsstaat" berufen. Das Berufungsvorbringen zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Asylantragstellung in Österreich sei aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1995, Zl. 95/20/0223, dargestellten Gründen nicht geeignet, den Asylantrag zu begründen. Die belangte Behörde gelange somit "nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass dem Berufungswerber im Herkunftsstaat Verfolgung droht". Eine mündliche Berufungsverhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheine.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zunächst ist der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgungsgefahr behauptet, in Bezug auf die von ihm schon bei der erstinstanzlichen Einvernahme geltend gemachte und in der Berufung in den Vordergrund gerückte Gefahr einer Verfolgung wegen unerlaubter Ausreise aus dem Irak und Asylantragstellung im Ausland nicht beizupflichten. Zu diesem Thema kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf eine Reihe von Erkenntnissen verwiesen werden, in denen der Verwaltungsgerichtshof - jeweils bezogen auf den Irak - zur möglichen Asylrelevanz einer solchen Bedrohung Stellung genommen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1999, Zl. 98/20/0415, vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0414, Zl. 98/20/0439 und Zl. 98/20/0440, vom 15. Februar 2001, Zlen. 99/20/0045, 0139, und vom 19. April 2001, Zl. 99/20/0301; anders - noch zum Asylgesetz 1991 - das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1996, Zlen. 95/20/0344 bis 0346; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0431, und zuletzt das Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409, zur möglichen Asylrelevanz unverhältnismäßig hoher Strafen). Das von der belangten Behörde zitierte, an ältere Entscheidungen zur drohenden Bestrafung wegen Übertretung pass- oder fremdenrechtlicher oder sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften anknüpfende Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 95/20/0223, bezieht sich im Sachverhalt nur auf die bloße Tatsache der "Namhaftmachung eines Asylwerbers, dessen Flüchtlingseigenschaft als nicht bestehend festgestellt wurde, gegenüber den Behörden des Heimatlandes" (damals: der Türkei) und nicht auf Bedrohungsbilder der in den zuvor erwähnten, den Irak betreffenden Erkenntnissen behandelten und im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer behaupteten Art. Einer näheren Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahr einer Verfolgung durch irakische Behörden wegen unerlaubter Ausreise und Asylantragstellung im Ausland hätte es daher nur dann nicht bedurft, wenn davon auszugehen gewesen wäre, dass der Irak nicht der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei. Die belangte Behörde hat dazu keine Feststellungen getroffen und sich nur mit der Frage befasst, ob der Beschwerdeführer - wie von ihm behauptet - aus dem Nordirak geflohen sei. Die diesbezüglichen Feststellungen hätten angesichts des Vorbringens in der Berufung nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erfordert (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0389, und aus jüngerer Zeit vom 15. Februar 2001, Zl. 99/20/0103, sowie vom 19. April 2001, Zl. 99/20/0424). Hätte sich dabei ergeben, dass den Angaben des Beschwerdeführers nicht zu folgen ist, so hätte sich die belangte Behörde aber auch eine schlüssig begründete Meinung darüber bilden müssen, ob dies bedeute, dass der Beschwerdeführer überhaupt kein Staatsangehöriger des Irak sei.
Da die belangte Behörde eine Klärung dieser Frage auf Grund - für den vorliegenden Fall - nicht zutreffender Schlüsse aus dem von ihr zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht für erforderlich hielt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998200221.X00Im RIS seit
04.03.2002