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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des S in N, geboren am 22. Dezember 1959, vertreten durch Mag. Thomas Beck, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. August 2000, Zl. 216.259/0- VII/43/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran zulässig sei.
Nach den Ausführungen der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer am 19. September 1999 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 21. September 1999 einen Asylantrag gestellt. Als Fluchtgrund habe er angegeben, dass er bei Studentenunruhen in Teheran im Jahre 1999 als Taxifahrer mehreren verletzten Studenten die Flucht ermöglicht habe, indem er diese trotz Verfolgung durch ein Polizeifahrzeug auf Grund seiner guten Ortskenntnisse in Sicherheit habe bringen können. Obwohl es ihm gelungen sei, dem verfolgenden Polizeifahrzeug zu entkommen, könne ihn die Behörde an Hand des Kennzeichens seines Kraftfahrzeuges identifizieren. Außerdem befürchte er Verfolgung auf Grund seines Glaubenswechsels zum Christentum. Er sei zwar bereits während eines Aufenthaltes in Japan in den Jahren 1991-1992 getauft worden und habe nach seiner Rückkehr in den Iran die Kirche besucht und keine Probleme wegen seines christlichen Bekenntnisses gehabt. Er habe jedoch aus Sicherheitsgründen keinen Taufschein erhalten.
Nach seinen Angaben vor der belangten Behörde sei er in Österreich im April 2000 (neuerlich) römisch-katholisch getauft worden. Auch seine ganze Familie sei konvertiert, sodass man ihm von iranischer Seite vorwerfen könnte, er habe seine Familie missioniert. Deswegen und wegen der genannten "indirekten Beteiligung" an den Studentenunruhen des Jahres 1999 befürchte er im Falle seiner Rückkehr in den Iran sofort verhaftet zu werden.
Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs Auszüge aus den Iran betreffenden Länderberichten "zur Verfolgung vom Islam Abgefallener". Der Beschwerdeführer legte dazu seinerseits mit Schriftsatz vom 18. Juli 2000 Länderberichte zum Nachweis dafür vor, dass schon die Konversion als solche und nicht erst das Hinzutreten missionarischer Aktivitäten zur Todesstrafe im Iran führen könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid folgte die belangte Behörde in ihren Sachverhaltsfeststellungen den Angaben des Beschwerdeführers insoweit, als dieser 1991/1992 in Japan getauft worden sei und nach seiner Rückkehr in den Iran wegen seines christlichen Glaubens sechs Jahre lang keine Schwierigkeiten gehabt habe. Er sei nach seiner Flucht nach Österreich im April 2000 (abermals) römisch-katholisch getauft worden, "was nach außen nicht in Erscheinung getreten und auch iranischen Behörden nicht zur Kenntnis gelangt sei".
Hingegen könne die belangte Behörde aus näher dargelegten Gründen nicht feststellen, dass der Beschwerdeführer im Gefolge der genannten Studentendemonstration Fluchthilfe geleistet habe und deswegen im Iran Verfolgung zu befürchten habe.
Was die festgestellte Konversion des Beschwerdeführers betrifft, so gelangte die belangte Behörde auf der Grundlage der erwähnten, dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelten Dokumente zur Ansicht, dass "private Konversion, die öffentliche Wirksamkeit entfalte, von den iranischen Behörden grundsätzlich stillschweigend geduldet werde" und "keine behördlichen Maßnahmen nach sich ziehe". Erst wenn sich die politischen Machthaber im Iran "etwa durch nicht ganz unbeträchtliche Missionsarbeit in ihrer Vorrangstellung bedroht fühlen könnten, wäre möglicherweise die Grenze zur politischen Strafbarkeit überschritten". Es könne daher weder eine Verfolgungsgefahr noch eine Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 57 FrG festgestellt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde führt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften ins Treffen, die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Dokumente über die Verfolgungsgefahr für in den Iran zurückkehrende Konvertiten ließen die Schlussfolgerung der belangten Behörde, Menschenrechtsverletzungen gegenüber zum Christentum übergetretenen Iranern seien nur bei missionarischen Tätigkeiten zu befürchten, nicht zu.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, das von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Berichtsexzerpt "Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener" einer näheren Betrachtung unterzogen und nach einem Vergleich mit den zugehörigen Volltexten dieser Dokumentationsauszüge (die dem gegenständlichen Verwaltungsakt im Übrigen nicht angeschlossen sind) festgestellt, dass dieses Exzerpt eine bloß verkürzte, den in den Volltexten geschilderten Umständen nicht gerecht werdende Darstellung der Verfolgungsgefahr für zum christlichen Glauben konvertierte Muslime bei Rückkehr in den Iran ist und die erwähnte Schlussfolgerung der belangten Behörde nicht zu tragen imstande ist. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Nicht zuletzt aus diesem Grund hätte sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer mit seinem Schriftsatz vom 18. Juli 2000 vorgelegten Länderberichten beweiswürdigend auseinanderzusetzen gehabt und hat, indem sie dies unterließ, ihren Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.
Soweit die belangte Behörde betont, der Beschwerdeführer habe trotz seiner bereits 1991 bzw. 1992 erfolgten Taufe sechs Jahre ohne Schwierigkeiten im Iran gelebt und seine nunmehrige Taufe in Österreich sei den iranischen Behörden nicht zur Kenntnis gelangt (sodass es auf die Frage, ob und unter welchen allenfalls zusätzlichen Voraussetzungen eine Konversion asylrelevant ist, nicht ankäme), übersieht sie, dass der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung angegeben hat, im Iran (nur) deswegen keine Probleme gehabt zu haben, weil den Behörden sein Glaubensübertritt gar nicht bekannt gewesen sei. Die Feststellungen über die mangelnde Kenntnis iranischer Behörden über die in Österreich erfolgte Taufe des Beschwerdeführers (und seiner Familie) stellen hingegen bloße Vermutungen dar, hinsichtlich welcher sich die belangte Behörde auf keinerlei Ermittlungsergebnisse (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 99/20/0550) stützen kann.
Im Übrigen hält aber auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die mangelnde Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer im Zuge der Studentenunruhen geleisteten Fluchthilfe einer Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand:
Wenn die belangte Behörde allem voran darauf hinweist, es "widerspreche jeder Lebenserfahrung", dass es dem Beschwerdeführer als Taxilenker gelungen sein soll, "mit einem Pkw älteren Baujahres" (nach den Angaben des Beschwerdeführers: Baujahr 1975) dem Polizeifahrzeug zu entkommen, so hätte sie für eine solche Schlussfolgerung zumindest auch Feststellungen über das durchschnittliche Alter von Polizeifahrzeugen im Iran treffen und vor allem das Verhandlungsvorbringen des Beschwerdeführers, Polizeifahrzeuge würden im Iran meistens von Präsenzdienern gelenkt, die im Gegensatz zu seiner Person nicht so ortskundig seien, in ihre Würdigung miteinbeziehen müssen.
Entspräche aber diese vom Beschwerdeführer vorgebrachte "indirekte Beteiligung" an den Studentenunruhen den Tatsachen, so käme seiner Konversion (und dem Glaubensübertritt seiner Familie) im Hinblick auf eine mögliche Verfolgungsgefahr im Iran noch größere Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer dann möglicherweise auch vor dem Hintergrund dieser Vorfälle des Jahres 1999 einer verstärkten Beobachtung durch iranische Behörden ausgesetzt wäre.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200556.X00Im RIS seit
12.03.2002