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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §871;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1. des K L, 2. der W L sowie
3. der W H, alle in R, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Jänner 2000, Zl. 03- 12.10 R 57 - 00/5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Bauverfahren nach dem Stmk. BauG (mitbeteiligte Parteien:
1. S, vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchbergstraße 10, und 2. Gemeinde R, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchbergstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- und der zweitmitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- jeweils zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Über Ansuchen der erstmitbeteiligten Partei vom 12. November 1998 um Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues zu einer bereits bestehenden Stahlhalle auf dem Grundstück Nr. 33 der EZ. 9 der zweitmitbeteiligten Gemeinde wurde für den 14. Dezember 1998 die Bauverhandlung ausgeschrieben und hiezu unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen im Sinne des § 26 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz geladen.
Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 5. Jänner 1999 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus zur bestehenden Stahlhalle auf dem genannten Grundstück unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhoben (u.a.) die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 4. Februar 1999 wurde diese Berufung gemäß § 66 "Abs. 2" AVG, § 26 in Verbindung mit §§ 25 und 27 jeweils des Steiermärkischen Baugesetzes zurückgewiesen, weil keiner der Berufungswerber vor oder spätestens anlässlich der abgehaltenen Bauverhandlung Einwendungen erhoben hätten, ihnen daher keine Parteistellung mehr zukomme.
Infolge der gegen diesen Bescheid gerichteten Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 1999 in Stattgebung der Vorstellung der nunmehr beschwerdeführenden Parteien (im Spruch II des vorgenannten Bescheides) der Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 4. Februar 1999 wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Gemeinde zurückverwiesen. Die belangte Behörde erachtete es im Hinblick auf die Behauptungen in der Vorstellung für erforderlich, zu überprüfen, ob die Verhandlungsschrift über die abgehaltene Bauverhandlung den Formerfordernissen des § 14 AVG entspreche, zumal nicht ersichtlich sei, ob sie verlesen worden sei oder die Beteiligten auf die Verlesung verzichtet hätten. Es sei auch nicht ersichtlich, ob Personen, die zur Verhandlung erschienen seien, diese vorzeitig, also vor deren Beendigung, jedoch nach Abgabe nachfolgend protokollierter Erklärungen verlassen hätten. Entspreche eine Niederschrift nicht den Bestimmungen des § 14 AVG, so habe die Partei gegen die Richtigkeit des bezeugten Vorganges nicht den Gegenbeweis anzutreten, vielmehr obliege es in einem solchen Fall der Behörde, durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen den Beweis über den Inhalt der Bauverhandlung aufzunehmen.
Daraufhin fand am 23. Juni 1999 vor der Baubehörde erster Instanz eine ergänzende Vernehmung der bei dieser Bauverhandlung anwesend gewesenen Personen "zur Feststellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung vom 14. Dezember 1998" statt.
Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser ergänzenden Einvernahmen wies der Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 5. Jänner 1999 gerichtete Berufung gemäß § 66 "Abs. 2" AVG, § 26 in Verbindung mit "§ 15 und 17" des Steiermärkischen Baugesetzes erneut infolge Präklusion der Beschwerdeführer zurück.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, für die Aufsichtsbehörde bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, auf Argumente eines Nachbarn einzugehen, denen ein subjektiv-öffentliches Recht nicht zugrunde liege. Sowohl Berufungsbehörde als auch Vorstellungsbehörde seien durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion auf die Prüfung im Rahmen rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt, weil durch diese der Prüfungsbereich endgültig abgesteckt werde. Auch führe nicht jede objektive Rechtswidrigkeit eines Bescheides der Gemeindebehörden zu dessen Aufhebung, eine solche Aufhebung habe vielmehr zur Voraussetzung, dass subjektive Rechte des Vorstellungswerbers verletzt würden. Aus der Niederschrift der am 23. Juni 1999 durchgeführten Verhandlung ergebe sich auf Grund der Aussage der Erstbeschwerdeführerin, dass weder sie noch ihr Gatte Einwendungen erhoben hätten, weil sie der Ansicht gewesen seien, dass Einwendungen hinsichtlich des Maschinenlärms im Gewerbeverfahren zu erheben seien. Einwendungen gegen das Bauwerk seien jedenfalls keine erhoben worden. Auch die Drittbeschwerdeführerin habe nach ihren eigenen Angaben keine Einwendungen in der Bauverhandlung vom 14. Dezember 1998 erhoben und in der Folge auch die Aufnahme von Einwendungen in der Niederschrift nicht verlangt. In der Vorstellung werde jetzt vorgebracht, dass die Beschwerdeführer in der Verhandlung nicht in ausreichendem Maße "rechtsbelehrt" worden seien. Die Manuduktionspflicht erstrecke sich jedoch nicht darauf, wenn dem Gesetz entsprechend auf die Präklusionsfolgen bereits in der Ladung Bezug genommen worden sei, dass auch anlässlich der Verhandlung neuerlich auf die Präklusionsfolgen hingewiesen werden müsse. Der Verhandlungsleiter der Bauverhandlung vom 14. Dezember 1998 sei nicht verpflichtet gewesen, neuerlich auf die Präklusionsfolgen hinzuweisen, da sowohl in der Kundmachung als auch in der (gemeint: persönlichen) Ladung der Beschwerdeführer zur Bauverhandlung der Hinweis auf die Präklusionsfolgen enthalten gewesen sei. Eindeutig hätten die Beschwerdeführer bestätigt, in der Bauverhandlung keine Einwendungen erhoben zu haben; aus welchen Motiven dies unterlassen worden sei, sei nicht zu berücksichtigen. Zum Einwand, wonach auch der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zur Verhandlung vom 23. Juni 1998 hätte geladen werden müssen, sei festzuhalten, das diesem die Ladung tatsächlich zugekommen sei, zumal er in der Verhandlung auch anwesend gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten, insbesondere ihrem Recht auf Parteiengehör und in ihrem Recht, dass auf die von ihnen als Nachbarn erhobenen Einwendungen gegen das Bauvorhaben sachlich eingegangen werde, verletzt.
Sowohl die belangte Behörde als auch die beiden mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.). Dies gilt auch für Nachbarn, die gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG ihre Parteistellung beibehalten haben. Einwendungen haben sich auf eine Verletzung jenes Rechtes zu beziehen, aus welchem die Parteistellung abgeleitet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 94/07/0062). Prozessuale Rechte bestehen somit nur im Umfange der von einer Partei rechtswirksam geltend gemachten materiellen subjektivöffentlichen Rechte.
Auf Grund der zeitlichen Abfolge des gegenständlichen Beschwerdefalles (Bauverhandlung noch vor dem 1. Jänner 1999) ist § 27 des Steiermärkischen Baugesetzes anzuwenden und nicht nach § 42 AVG in der Fassung der (insofern am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen) AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 vorzugehen. § 42 Abs. 1 AVG in der Fassung dieser Novelle 1998 ist nämlich nur auf solche Tatbestände anzuwenden, die nach Inkrafttreten dieser Novelle, also nach dem 31. Dezember 1998, verwirklicht wurden. Auf Bauverhandlungen, die vor diesem Zeitpunkt abgehalten wurden, können diese Bestimmungen nicht angewendet werden (vgl. das dasselbe Bauvorhaben betreffende hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0091), auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG des Weiteren verwiesen wird).
Gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG behalten dann, wenn eine Bauverhandlung kundgemacht wurde, nur jene Nachbarn Parteistellung, die spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 leg. cit. erhoben haben. Maßgeblich für den Verlust der Parteistellung nach dieser Bestimmung ist, dass die Bauverhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Stmk. BauG ordnungsgemäß kundgemacht wurde (was sowohl im Berufungsbescheid als auch im angefochtenen Bescheid - der Aktenlage entsprechend - ausdrücklich festgehalten wurde und was die Beschwerdeführer auch nicht bestreiten). Da die Beschwerdeführer trotz dieser Kundmachung der Bauverhandlung weder spätestens am Tag vor der Bauverhandlung bei der Behörde noch während der Bauverhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 leg. cit. erhoben hatten, gingen sie gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. ihrer Parteistellung verlustig (siehe dazu ausführlich die hg. Erkenntnisse vom 19. November 1998, Zl. 98/06/0058, BauSlg. 272/1998, und vom 25. Juni 1999, Zl. 97/06/0194, jeweils unter Darstellung der maßgeblichen Rechtslage). Ein Anwendungsfall des § 27 Abs. 2 Stmk. BauG liegt hier nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof ist aber an die Tatsache der einmal verlorenen Parteistellung gebunden, auch hat er gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG den angefochtenen Verwaltungsakt nur im Hinblick auf die Verletzung subjektiver Rechte zu prüfen.
Wurde die Anordnung der Bauverhandlung im Sinne des § 25 Stmk. BauG unter Hinweis auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG ordnungsgemäß kundgemacht, so besteht in Ansehung der Erhebung von Einwendungen - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht - keine weitere Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. März 1995, Zl. 93/05/0246, vom 2. Februar 1993, Zl. 92/05/0206, und vom 23. Februar 1993, Zl. 92/05/0207, als Beispiel für viele). Im Übrigen steht es dem Nachbarn frei, sich (rechtzeitig) eines Rechtsbeistandes zu bedienen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 91/05/0142). Im konkreten Fall ist die ordnungsgemäße Kundmachung und sogar die persönliche Ladung der Beschwerdeführer zur Bauverhandlung am 14. Dezember 1998 aktenkundig und wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Anlässlich der zur Vervollständigung des Protokolls über die Bauverhandlung vom 14. Dezember 1998 durchgeführten Vernehmung der Beschwerdeführer am 23. Juni 1999 gaben diese in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise an - und bestätigten dies mit ihrer Unterschrift -, anlässlich der Bauverhandlung (oder davor) keine Einwendungen erhoben zu haben und auch die Protokollierung von Einwendungen im Bauverfahren nicht gewünscht oder beantragt zu haben. Die in der Beschwerde erneut aufgestellte Behauptung, es seien von den Beschwerdeführern Einwendungen erhoben worden, ihre Wünsche nach Protokollierung seien ungerechtfertigter Weise abgelehnt worden, steht daher mit der Aktenlage nicht in Einklang.
Auch hat die belangte Behörde schon richtig festgestellt, dass die Gründe, aus denen keine Einwendung gegen ein Bauvorhaben erhoben wurden, rechtlich unerheblich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1987, Zl. 86/06/0293, und das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 89/06/0058). Aus welchem Beweggrund ein ordnungsgemäß zur Bauverhandlung geladener Teilnehmer Einwendungen unterlassen hat, zu deren Erhebung er in der Lage gewesen wäre, ist somit irrelevant. Auch die von den Beschwerdeführern vertretene Auffassung, es sei Aufgabe des Verhandlungsleiters gewesen, sie dahingehend anzuleiten, auf die Protokollierung ihrer Einwendungen zu bestehen, ist, wie bereits ausgeführt, nicht zutreffend.
Die Zurückweisung der von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung erweist sich aus diesen Gründen als zutreffend.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Barauslagen konnten nur in dem gesetzlich vorgesehenen Ausmaß zuerkannt werden.
Wien, am 22. November 2001
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000060039.X00Im RIS seit
22.01.2002Zuletzt aktualisiert am
02.04.2009