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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art137 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung einer gegen die Praxis der Verwaltung von Geldern der Strafgefangenen auf Bankkonten durch das Gefangenenhaus gerichteten Eingabe eines Häftlings; keine Zulässigkeit einer solchen Eingabe bei Auslegung als Individualantrag oder als Klage; administrativer Rechtsweg über das Beschwerderecht von Strafgefangenen jedenfalls gegeben und nicht beschritten; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslosSpruch
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Die Eingabe wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit selbstverfaßter Eingabe vom 3. August 1998 bringt der eine Haftstrafe verbüßende Einschreiter eine "Verfassungsklage" gegen die "Beklagte Partei: Gefangenenhaus beim Landesgericht Wien" ein und führt der Sache nach aus, daß den Strafgefangenen gehörende Gelder auf einem Bankkonto verwaltet würden, ohne daß die daraus entstehenden Zinsen den Gefangenen gutgeschrieben bzw. (aliquot zu den ihnen während der Haft zur Verfügung stehenden Eigengeldern) ausbezahlt würden. In diesem Umstand "erblickt" der Einschreiter "eine Verfassungswidrigkeit" und beantragt neben der Beigebung eines Verfahrenshelfers die "Prüfung einer eventuellen Verfassungswidrigkeit" sowie die "Aufhebung der Anordnung der beklagten Partei, die Gelder ... über deren Konto fließen zu lassen".
2.1. Der Verfassungsgerichtshof wertet die Eingabe als Individualantrag gemäß Art140 B-VG auf Überprüfung nicht näher genannter Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG), das die Verwaltung der Gelder von Strafgefangenen regelt.
Das StVG sieht vor, daß Geld grundsätzlich nicht im Gewahrsam der Strafgefangenen verbleiben darf (§33 Abs1 StVG). Geld, das der Strafgefangene bei sich hat oder das später für ihn einlangt, ist ihm als Eigengeld gutzuschreiben (§41 Abs2 StVG); eine allfällige Arbeitsvergütung ist dem Strafgefangenen monatlich im nachhinein nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages und des Arbeitslosenversicherungsbeitrages je zur Hälfte als Hausgeld und als Rücklage gutzuschreiben (§54 Abs1 StVG). Das Hausgeld dient der Anschaffung von Sachgütern und Leistungen (§§31 Abs2, 54 Abs2 StVG), die Rücklage der Vorsorge für den Unterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung (§54 Abs2 StVG), einer allfälligen Schuldentilgung (§54a Abs1 StVG) sowie auch zu Anschaffungen, die das Fortkommen nach der Entlassung fördern; die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter zu (§54a Abs3 StVG). Mindestens einmal vierteljährlich und bei der Entlassung ist dem Strafgefangenen Einsicht in die Verrechnung seines Guthabens zu gewähren (§54 Abs4 StVG). Bei der Entlassung sind dem Strafgefangenen als Hausgeld und als Rücklage gutgeschriebene Geldbeträge auszuzahlen (§54 Abs5 StVG). Eine Verzinsung der jeweils gutgeschriebenen Gelder sieht das StVG nicht ausdrücklich vor. Allerdings erfolgt eine Valorisierung der Rücklage insofern, als sich ihre Bemessung nach der Höhe der - nach §52 Abs2 StVG wertgesicherten - Arbeitsvergütung im Zeitpunkt der Auszahlung oder der Verwendung richtet (§54 Abs1 letzter Satz StVG).
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, VfGH 27.9.1994 G215/94).
Über die Verwaltung der Gelder der Strafgefangenen haben Strafvollzugsorgane zu entscheiden (vgl. den die Zuständigkeit des Anstaltsleiters hinsichtlich der Verwendung der Rücklage begründenden §54a Abs3 StVG; vgl. auch VfSlg. 9041/1981). Es ist dem Einschreiter daher gestattet und zumutbar, gemäß §§119 ff StVG durch geeignete Ansuchen und Beschwerden Bescheide betreffend den Vollzug der Gelderverwaltung zu erwirken, die er nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges letztlich beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpfen kann (vgl. VfSlg. 12975/1992); in diesem Zusammenhang ist es ihm auch möglich, allfällige Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des StVG betreffend die Verzinsung der Guthaben der Strafgefangenen an den Gerichtshof heranzutragen.
2.2. Auch wenn man die Eingabe als eine gegen den Bund gerichtete Klage gemäß Art137 B-VG ansähe, wäre für den Einschreiter nichts gewonnen, da über die Gelder- und damit auch Zinsengutschreibung Verwaltungsorgane - nach Maßgabe der §§119 ff StVG letztlich im Bescheidwege - zu befinden haben, was aber die bloß suppletorische Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach dieser Bestimmung ausschließt (vgl. VfSlg. 11395/1987; vgl. auch VfGH 24.11.1983 B314/83).
2.3. Was den Antrag auf Aufhebung der Anordnung betrifft, die Gelder über ein Konto des Gefangenenhauses fließen zu lassen, existiert keine Rechtsvorschrift, welche dem Verfassungsgerichtshof eine derartige Zuständigkeit einräumen würde (vgl. zB VfGH 9.6.1992 B453/92).
3. Aus diesen Gründen war die Eingabe zurückzuweisen. Damit erweist sich auch die vom Beschwerdeführer angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos, sodaß sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG abzuweisen war.
4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG bzw. §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Individualantrag, Auslegung eines Antrages, Strafvollzug, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:A21.1998Dokumentnummer
JFT_10018784_98A00021_00