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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der CS in Wien, vertreten durch Brandstätter, Pritz & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien I, Herrengasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Mai 2000, Zl. UVS-07/S/5/61/1999/2, betreffend Wiedereinsetzung in der vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 11. Mai 1999 wurde die Beschwerdeführerin wegen zweier Übertretungen von arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von jeweils S 20.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je einem Tag und neun Stunden) verhängt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Rechtsvertreter laut Rückschein am 17. Mai 1999 zugestellt.
Mit Eingabe vom 10. Juni 1999 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist betreffend dieses Straferkenntnis. Ferner begehrte sie "diesem Antrag" aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und erhob gleichzeitig Berufung gegen dieses Straferkenntnis.
In dieser Eingabe wurde u.a. ausgeführt, die gegenständliche Frist (für die Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis) sei ordnungsgemäß im Terminkalender eingetragen gewesen. Ein näher genannter Rechtsanwalt habe die gegenständliche Berufung bereits am 26. Mai 1999 an eine näher genannte Kanzleiangestellte mit dem Ersuchen weitergeleitet, diesen Entwurf zur allfälligen Ergänzung von Angaben betreffend Beschäftigtenzahlen und von damit zusammenhängendem Beweismaterial an die Beschwerdeführerin weiterzuleiten. Dem Rechtsvertreter sei in der Folge der Handakt vorgelegt worden und es seien Zweifel (fehlender Aufgabeschein) aufgekommen, ob die bereits vorbereitete und im Handakt wie üblich als Kopie abgelegte Berufung (allenfalls auch ohne eingesetzte Beschäftigtenzahlen) tatsächlich abgefertigt worden sei. Auf Grund eines Kontrollanrufes bei der Behörde habe sich herausgestellt, dass offensichtlich die Berufung dort nicht eingelangt und daher deren Absendung versäumt worden sei. Die Absendung der Berufung sei aber offensichtlich deshalb nicht erfolgt, weil eine näher genannte Kanzleiangestellte des Rechtsvertreters eine Friststreichung vorgenommen habe, obgleich eine tatsächliche Aussendung der Berufung nicht erfolgt sei. Es könne eine solche Friststreichung nur auf einen Irrtum zurückzuführen sein. Diese Kanzleiangestellte sei deshalb für die Fristkontrolle und Friststreichung ausgewählt worden, weil die Rechtsanwälte ihre besondere Zuverlässigkeit und Genauigkeit feststellen hätten können. Es habe bisher nie ein Fehler bei ihrer vorbezeichneten Aufgabe festgestellt werden können.
Diese Angaben wurden auch von der Angestellten des Rechtsvertreters durch eigenhändige Unterfertigung einer entsprechenden Erklärung im Rahmen dieses Schriftsatzes bestätigt.
Zur Funktion der genannten Kanzleiangestellten wird ferner im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, diese Angestellte kontrolliere täglich, ob alle eingetragenen Fristen und Termine auch eingehalten worden seien bzw. sofern eine Erledigung nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden könne, dass diese noch eingehalten werden können. Sofern eine Frist zu streichen sei, weil ein Schriftstück innerhalb derselben zur Post gegeben werden müsse, erfolge eine Streichung derselben erst, wenn das Schriftstück ordnungsgemäß gefertigt samt sämtlichen Beilagen kuvertiert und frankiert sei, sohin nur noch der Weg zum Postamt offen bleibe.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 16. Juni 1999 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 2000 wurde unter Spruchpunkt I (durch ein Einzelmitglied der belangten Behörde) in Hinsicht auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Berufung "keine Folge" gegeben und der angefochtene "Zurückweisungsbescheid" (richtig wohl: Abweisungsbescheid) bestätigt; weiters wurde unter Spruchpunkt II (durch eine Kammer der belangten Behörde) die Berufung als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wird insbesondere ausgeführt, der Rechtsvertreter habe auch in der Berufung nicht dargelegt, welche wirksamen Kontrollsysteme er vorgesehen habe, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters geeignet seien, eine Fristversäumung auszuschließen. Es liege daher weder ein minderer Grad des Versehens noch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin wendet u.a. ein, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen werde, dieses jedoch keine Sachverhaltsfeststellungen enthalte. Auch im angefochtenen Bescheid würden Sachverhaltsfeststellungen fehlen. Auch bezüglich des Kontrollsystems würden Sachverhaltsfeststellungen durch die Behörden beider Instanzen fehlen. Dieser Begründungsmangel sei deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Beschwerdeführerin sowohl in ihrem Antrag (betreffend Wiedereinsetzung) als auch in der Berufung ausführlich auf dieses Kontrollsystem eingegangen sei. Mangels jedweder Sachverhaltsfeststellungen könne nicht geprüft werden, ob die Rechtsausführungen der belangten Behörde zuträfen. Der Bescheid sei daher unschlüssig.
Im Beschwerdefall lag - wie von der Beschwerdeführerin selbst dargelegt wurde - zwar ein Entwurf einer Berufung durch den zuständigen Rechtsvertreter vor, jedoch waren noch weitere Abklärungen (etwa betreffend die Beschäftigtenzahlen) mit der Beschwerdeführerin vorgesehen, sodass auch nicht davon gesprochen werden kann, dass nur noch die Versendung der Berufung ausständig gewesen sei.
Mit dem vorstehenden Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin nicht das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels auf, zumal trotz des bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Vorwurfes des Fehlens eines wirksamen Kontrollsystems etwa hinsichtlich der Terminstreichung durch die Kanzleiangestellte bezüglich eines noch nicht vollständigen Berufungsschriftsatzes weder im Antragsschriftsatz vom 10. Juni 1999 noch in der Berufung behauptet wird, dass diese Tätigkeit der Angestellten einer weiteren Kontrolle durch einen Rechtsvertreter unterliegen würde. Die belangte Behörde konnte daher mangels Aufzeigens eines wirksamen Kontrollsystems durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Zuge des Verwaltungsverfahrens im Ergebnis zu Recht vom Fehlen eines wirksamen Kontrollsystems ausgehen.
Nach dem von der Beschwerdeführerin zitierten hg. Beschluss vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0162, stellt das Streichen des Terminvormerkes durch den Rechtsvertreter vor der (eigentlichen) Postabfertigung, aber nach Übergabe an die Sekretärin zu diesem Zweck kein Verschulden (im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG) dar. Aus dem diesem Beschluss zu Grunde liegende Sachverhalt ist zu ersehen, dass vom Rechtsvertreter ein vollständig fertiger Schriftsatz der Kanzleiangestellten zur Weiterleitung an die Post übergeben wurde. Ebenso verhält es ich in dem dem hg. Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 95/08/0308, zu Grunde liegenden Fall, in welchem die vorstehende Rechtsauffassung auch bezüglich § 71 Abs. 1 lit. a AVG (nunmehr Z. 1) unter Bezugnahme auf den vorzitierten hg. Beschluss vertreten wurde.
Auch aus dem von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Frage eines allenfalls fehlenden Verschuldens zitierten hg. Erkenntnisses vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0194, ist für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, weil auch dort von einem wirksamen Kontrollsystem - wenn auch mit der Frage einer unterlassenen Eintragung einer Frist in den Fristenkalender durch eine Kanzleibedienstete eines Rechtsanwaltes - die Rede ist.
Ferner fehlen auch jegliche Anhaltspunkte für eine Überwachung der vom Rechtsvertreter in die Wege geleiteten Abklärung und allfälligen Ergänzung des Berufungsschriftsatzes durch den Rechtsvertreter.
Somit war aber ein nicht nur minderer Grad des Versehens hinsichtlich der Versäumung der Rechtsmittelfrist im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG gegeben, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung von der Behörde zu Recht abgewiesen und die Berufung als verspätet zurückgewiesen wurde.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet anzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020155.X00Im RIS seit
04.03.2002