TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/23 98/02/0212

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2001
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §54;
KFG 1967 §99 Abs3;
StVO 1960 §13 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §7 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des KS in I, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, Hamerlingstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 21. April 1998, Zl. Senat-ZT-97-025, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 sowie des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Berufung gegen die Punkte 1., 2., 3. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Übertretungen des § 7 Abs. 2 StVO - zweimalig - , des § 99 Abs. 3 KFG und des § 13 Abs. 1 StVO) keine Folge gegeben (und dieses bestätigt) wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Hingegen wird die Beschwerde, soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung gegen Punkt 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO) keine Folge gegeben (und dieses bestätigt) wurde, als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.250,--, der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.750,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 4. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer zu Punkt 1. einer Übertretung nach § 7 Abs. 2 StVO, zu 2. nach § 99 Abs. 3 KFG, zu

3. nach § 7 Abs. 2 StVO, zu 4. nach § 13 Abs. 1 StVO, zu 5. nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO, zu 6. nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO und zu

7. nach § 4 Abs. 5 StVO in seiner Eigenschaft als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW's für am 23. November 1995 in zeitlichem und örtlichem Konnex begangene, näher umschriebene Taten bestraft. Weiters wurde der Beschwerdeführer zu Punkt 8. dieses Straferkenntnisses für schuldig befunden, am 23. November 1995 um 17.10 Uhr an einem näher umschriebenen Ort die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert zu haben, obwohl er das erwähnte Fahrzeug (in dem umschriebenen Zeitraum) gelenkt habe und vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. April 1998 hinsichtlich der Punkte 1., 2., 3., 4. und 8. keine Folge; hingegen wurde dieses Straferkenntnis zu den Punkten 5., 6. und 7. aufgehoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar soweit damit der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer richtet sein "Hauptaugenmerk" auf die von ihm im Verwaltungsverfahren bestrittene Lenkereigenschaft und wirft der belangten Behörde insoweit Verfahrensmängel vor. I. Zu den Punkten 1., 2., 3. und 4. des Schuldspruches (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann der Verwaltungsgerichtshof zunächst nicht finden, dass die Durchführung eines Ortsaugenscheines erforderlich gewesen sein sollte; es ist nämlich nicht erkennbar, dass die Situation, die im relevanten Zeitpunkt ("Sichtkontakt" der vernommenen Zeugen) bestanden hatte, in allen wesentlichen Phasen wiederherstellbar war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/02/0467). Da der Beschwerdeführer selbst einräumt, dass sich "die Sichtverhältnisse bei Nebel laufend ändern können", vermag er die "Notwendigkeit" der Einholung eines meteorologischen Gutachtens im Hinblick auf die "tatsächlichen Sichtverhältnisse" schon deshalb nicht darzutun. Auch unterlässt es der Beschwerdeführer, einen relevanten Verfahrensmangel mit der Rüge, die Zeugin Birgit E. sei nicht einvernommen worden, aufzuzeigen.

Allerdings hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren in Bestreitung seiner Lenkereigenschaft vorgebracht, seine Ehefrau Erna S. sei die Lenkerin gewesen und deren Einvernahme beantragt.

Wohl hat die belangte Behörde diese zu dem am 1. April und 20. April 1998 stattgefundenen Verhandlungen geladen, doch unterblieb ihre Einvernahme, weil sie sich für das Nichterscheinen (infolge Krankheit bzw. wegen Urlaubsaufenthaltes) entschuldigte. Ohne die Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers weiter zu betreiben, deren Unterlassung damit begründet wurde, "Aufgrund des eindeutigen Beweisergebnisses und der Tatsache, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren keine entscheidungsrelevanten Fragen offen lässt, konnte von einer Einvernahme weiterer beantragter Zeugen abgesehen werden.", erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 4. Juli 1997, Zl. 97/03/0079) darf die Behörde von der Aufnahme eines von einer Partei angebotenen Beweises aber nur dann Abstand nehmen, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Diese Eignung kann dem oben angeführten Beweisantrag des Beschwerdeführers, seine Ehefrau zu vernehmen, nicht abgesprochen werden. Die belangte Behörde hätte daher diese Beweiserhebung nicht unterlassen dürfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG in diesem Umfang aufzuheben.

II. Zu Punkt 8. des Schuldspruches (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):

Anders als in Hinsicht auf die unter I. behandelten Verwaltungsübertretungen ist hier die (tatsächliche) Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers nicht entscheidend:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Verwaltungsübertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 nämlich bereits dann vor, wenn der zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt Aufgeforderte lediglich in Verdacht steht, ein Kraftfahrzeug im alkoholisierten Zustand gelenkt zu haben; darauf ob im weiteren Verfahren der Nachweis erbracht wird, dass ein Beschuldigter ein Kraftfahrzeug nicht gelenkt hat, kommt es nicht an, weil das Delikt bereits mit der Verweigerung der Vornahme der Atemluftuntersuchung vollendet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0567). Dass ein solcher "Verdacht" unbegründet gewesen wäre, vermag der Gerichtshof allerdings nicht zu erkennen: Bereits aus der Anzeige der eingeschrittenen Gendarmeriebeamten vom 27. November 1995 geht hervor, dass diese - nachdem der Zeuge Z. Anzeige über mehrere vom Beschwerdeführer begangene Übertretungen der StVO und des KFG erstattet hatte - den Beschwerdeführer am Beifahrersitz des in Rede stehenden PKW's angetroffen hatten und der Beschwerdeführer Alkoholisierungssymptome aufgewiesen hat. Als Zeugen vor der belangten Behörde bestätigten diese Beamten im Wesentlichen die dargestellten Umstände (allerdings sei der Beschwerdeführer bereits aus dem Auto gestiegen gewesen).

Es kann daher entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Hinsicht auf diese Verwaltungsübertretung kein relevanter Verfahrensmangel darin erkannt werden, dass die belangte Behörde die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht als Zeugin dazu einvernommen hat, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Lenker des Fahrzeuges gewesen sei. Im Übrigen vermochte der Beschwerdeführer auch mit seiner Behauptung an Ort und Stelle, er habe das Fahrzeug nicht gelenkt, den in Rede stehenden Verdacht nicht zu entkräften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2001, Zl. 98/03/0150).

Zur Klarstellung sei noch auf Folgendes verwiesen:

Wohl wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß (im Instanzenzug) auch in Hinsicht auf diese Verwaltungsübertretung der Vorwurf gemacht, das Fahrzeug "gelenkt" zu haben, obwohl seine Lenkereigenschaft (noch) nicht als erwiesen angenommen werden konnte (vgl. die obigen Ausführungen zu I.). Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides in diesem Umfang:

Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa im Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/03/0102, zum Ausdruck gebracht, der Vorwurf des "Lenkens" im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO schließe den bloßen "Verdacht" des Lenkens in sich. Von daher gesehen wurde somit im Beschwerdefall ein "überschießendes" Tatbestandselement in den Spruch aufgenommen, welches nicht Gegenstand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ist. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers hiedurch ist jedoch nicht erkennbar. Insbesondere bestünde keine Bindung der Kraftfahrbehörde - im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung - an ein solches (rechtskräftiges) Straferkenntnis bzw. einen solchen Berufungsbescheid in Bezug auf ein derartiges (überschießendes) Tatbestandselement (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 99/11/0155).

Die Beschwerde war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. November 2001

Schlagworte

Alkotest Verweigerung Beweismittel Augenschein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Augenschein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998020212.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten