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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ArbIG 1993 §24 Abs1 Z1 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. Oktober 1999, Zl. UVS-07/S/23/00070/99, betreffend Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes (mitbeteiligte Partei: MW, per Adresse F B-Gesellschaft m.b.H., in S) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 15. Juli 1999 wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener einer näher genannten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, dass diese Gesellschaft mit Sitz an einem näher genannten Ort in S, dem Auftrag des Arbeitsinspektorates für den
6. Aufsichtsbezirk vom 7. August 1997, zugestellt am 13. August 1997, hinsichtlich einer weiteren Betriebsstätte dieser Gesellschaft an einem näher genannten Ort in Wien die nach § 26 Arbeitszeitgesetz, § 25 Arbeitsruhegesetz und § 26 Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz zu führenden Aufzeichnungen bzw. die Verzeichnisse von Arbeitnehmern für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis 31. Juli 1997 zur Einsicht vorzulegen oder im Original oder in Kopie binnen zwei Wochen ab Zustellung der Aufforderung zu übermitteln, von 26. August 1997 bis 17. September 1997 nicht nachgekommen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit. d Arbeitsinspektionsgesetz (kurz: ArbIG), BGBl. Nr. 27/1993, verletzt. Es wurde daher über ihn gemäß § 24 Abs. 1 lit. d leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 1999 wurde dieses Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Amtsbeschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der beschwerdeführende Bundesminister wendet ein, dass es sich bei der Nichtbefolgung der Aufforderung des Arbeitsinspektorates nach § 8 Abs. 3 ArbIG um ein Unterlassungsdelikt handle. Tatort sei daher der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen. Der Auftrag des Arbeitsinspektorates sei dann erfüllt, wenn die angeforderten Unterlagen bei dieser Behörde einlangten. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156 (zur Erteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG), festgestellt, Erfüllungsort (und Tatort) sei der Ort, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen sei, somit der Sitz der anfragenden Behörde. Da die Anforderung von Unterlagen durch das Arbeitsinspektorat für den 6. Bezirk mit Sitz in 1010 Wien, Fichtegasse 11, erfolgt sei, sei der Tatort Wien, 1. Bezirk, und es habe somit die örtlich zuständige Verwaltungsstrafbehörde - Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk - in erster Instanz entschieden. Die belangte Behörde habe § 27 Abs. 1 VStG betreffend die örtliche Zuständigkeit falsch ausgelegt.
Mit diesem Vorbringen zeigt der beschwerdeführende Bundesminister zutreffend die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Arbeitgeber/innen haben nach § 8 Abs. 3 ArbIG dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs. 1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln. Für die Ablichtung und Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht nach § 24 Abs. 1 Z. 1 lit. d ArbIG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 1.000 S bis 50.000 S zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in ..... entgegen § 8 Abs. 3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften oder Auszüge nicht übermittelt.
In den Erläuterungen zu § 8 Abs. 3 ArbIG (Regierungsvorlage, 813 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVIII. GP, S. 23) wird u.a. ausgeführt:
"Gemäß § 5 Abs. 2 letzter Satz ArbIG 1974 sind die Arbeitsinspektoren befugt, Unterlagen bzw. Ablichtungen anzufordern. Auf Grund der in der Praxis der Arbeitsinspektorate aufgetretenen Probleme wird nunmehr klargestellt, dass damit auch die Verpflichtung besteht, dem Arbeitsinspektorat diese Unterlagen (ins Amt) zu übermitteln."
Durch die Verwendung des Begriffes "übermitteln" in § 8 Abs. 3 und in § 24 Abs. 1 Z. 1 lit. d ArbIG wird somit klargestellt, dass ähnlich wie in den Fällen einer Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156) Erfüllungsort dieser öffentlichrechtlichen Verpflichtung der Ort ist, an dem die geschuldete Leistung zu erbringen ist, somit der Sitz der die Übermittlung dieser Unterlagen, Ablichtungen etc. verlangenden Behörde, der auch der Tatort bezüglich der Unterlassung der Übermittlung dieser Unterlagen etc. ist.
Zwar wird im Spruch des Straferkenntnisses vom 15. Juli 1999 - offenbar dem Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektors vom 7. August 1997 folgend - dem Mitbeteiligten auch zur Last gelegt, der Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein, näher genannte Unterlagen "zur Einsichtnahme vorzulegen", doch ist aus dem Gesamtzusammenhang der ursprünglichen Aufforderung des Arbeitsinspektors sowie insbesondere aus der Begründung des Straferkenntnisses vom 15. Juli 1999 zu ersehen, dass damit keine Vorlage zur Einsicht im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. etwa im Zuge einer betrieblichen Kontrolle durch den Arbeitinspektor, sondern nur die Übermittlung dieser Unterlagen an das Arbeitsinspektorat im Sinne des § 8 Abs. 3 leg. cit. gemeint war.
Da im Beschwerdefall der Tatort somit im Hinblick auf den Sitz der die Übermittlung der gegenständlichen Unterlagen begehrenden Behörde in Wien ist, ging die belangte Behörde zu Unrecht von der Unzuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz aus, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 23. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999020369.X00Im RIS seit
04.03.2002