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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des M S in Kössen, geboren am 27. Oktober 1979, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. August 2000, Zl. III 4033-92/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 3. August 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sieben Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 7. Oktober 1999 vom Landesgericht Innsbruck wegen des Verbrechens des Raubes in der Begehungsform der Beitragstäterschaft nach den §§ 12 dritte Alternative und 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten und zu einer (unbedingten) Geldstrafe von 240 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass M D und G J als unmittelbare Täter und W K und der Beschwerdeführer als Beitragstäter am 6. Juni 1999 in S dem F K durch Gewaltanwendung etwa S 160.000,-- Bargeld mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hätten. Der Beschwerdeführer habe daran durch Bestärken im Tatentschluss, durch Planung des Überfalls mit den anderen Tätern und durch die verabredungsgemäße Verbringung der unmittelbaren Täter und der Beute nach K beigetragen. Dieses Fehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung. Deshalb entstehe der Eindruck, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Daraus ergebe sich die berechtigte Folgerung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG darstelle. Die Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG.
Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Die sich im Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Er halte sich seit November 1990 erlaubt im Bundesgebiet auf und habe hier die Volks-, Haupt- sowie Berufsschule besucht. Anschließend sei er im Bereich des Gastgewerbes in die Arbeitswelt eingetreten. Der Beschwerdeführer spreche akzentfreies Deutsch, sei gut integriert und weise dementsprechende private Bindungen im Bundesgebiet auf. Eine intensive familiäre Bindung bestehe zu den im Bundesgebiet gut integrierten Eltern und Geschwistern, mit welchen Personen der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebe. Verringert werde das Gewicht der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers durch seine Volljährigkeit und durch den Umstand, dass die soziale Komponente der Integration durch die schwere Straftat beeinträchtigt werde.
Im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu schweren Straftaten wögen seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots. Diese Maßnahme sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.
1.2. Schon im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewalt- und Eigentumskriminalität ist auch die Ansicht der belangten Behörde, auf Grund der der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat sei die in § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG fällt nach den Feststellungen der belangten Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er sich seit November 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Er hat in Österreich die Volks- , Haupt- sowie Berufsschule besucht und spricht akzentfreies Deutsch. Seit dem Abschluss seiner Schulbildung ist er im Arbeitsleben integriert. Er weist diesen Umständen entsprechende private Bindungen auf. Er lebt im gemeinsamen Haushalt mit Eltern und Geschwistern, welche Personen im Bundesgebiet ebenfalls gut integriert sind. Auf Grund dieser Umstände kommt seinen privaten und familiären Interessen am Verbleib im Inland ein großes Gewicht zu.
Dem steht die Gefährdung öffentlicher Interessen auf Grund der Straftat des Beschwerdeführers gegenüber. Der Beschwerdeführer hat zum Raubüberfall der unmittelbaren Täter nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid dadurch beigetragen, dass er den Tatentschluss der übrigen Täter bestärkt, an der Planung mitgewirkt und die unmittelbaren Täter sowie die Beute nach dem Überfall mit seinem Pkw nach Kitzbühel gebracht hat. Das Landesgericht Innsbruck hat in seinem Urteil vom 7. Oktober 1999 dazu Folgendes festgestellt:
"In der Folge vereinbarten zunächst M D, G J und W K alleine und später zusammen mit M S, den F K zu überfallen und ihm das im Tresor verwahrte Bargeld mit Gewalt gegen dessen Person wegzunehmen. Zu diesem Zwecke begaben sich alle vier in die Hotelhalle des Hotels "G", wo sie den genauen Tatablauf besprachen. Nachdem M S weder bei der Gewaltanwendung unmittelbar mitwirken wollte noch als Aufpasser fungieren wollte, vereinbarten die vier letztlich im Sinne eines wechselseitigen Bestärkens im Tatentschluss, dass M D und G J den F K zum Öffnen der Zimmertüre verleiten und dann überwältigen sollten, während W K auf dem Gang als Aufpasser fungieren und M S in der Folge M D, G J und W K sowie die Beute vom Tatort nach K in das Nachtlokal 'R' verbringen sollte.
In Ausführung des Tatplanes begab sich M S in das an das Hotel 'G' angrenzende Lokal 'S', um dort nach der Tatausführung auf M D, G J und W K zu warten ..."
Über den weiteren Tathergang ergibt sich aus den Feststellungen des genannten Urteils Folgendes:
F K wurde von den unmittelbaren Tätern unter einem Vorwand aus seinem Zimmer gelockt, zu Boden gerissen, mit Klebebändern gefesselt und aufgefordert, den Verwahrungsort des Tresorschlüssels bekannt zu geben. Aus dem Tresor wurde ein Bargeldbetrag von etwa S 160.000,-- erbeutet. W K leistete während der Tat Aufpasserdienste am Gang wobei er ein Brecheisen bei sich hatte, um sich allenfalls gegen Dritte zur Wehr zu setzen. Nach dem Überfall brachte der Beschwerdeführer, der mittlerweile in einer Diskothek gewartet hatte, die unmittelbaren Täter mit der Beute in ein Lokal nach K. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch den Gendarmerieposten S am 24. Juni 1999 hat der Beschwerdeführer überdies zugegeben, von der Beute einen Teilbetrag von S 17.000,-- erhalten zu haben. Nach den Feststellungen des Strafurteils kam es dem Beschwerdeführer darauf an, die Tat der unmittelbaren Täter durch Bestärken im Tatentschluss in Form einer intellektuellen Unterstützung, durch gemeinsames Planen des Überfalls sowie Bereitstellen eines Fluchtfahrzeuges und Fungieren als Lenker dieses Fahrzeuges zu erleichtern, abzusichern und zu fördern. Im Rahmen der Strafzumessung führte das Landesgericht Innsbruck aus, dass eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr schuld- und tatangemessen sei. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, das teilweise Tatsachengeständnis sowie den Umstand, dass er nur einen untergeordneten Tatbeitrag geleistet habe, sei gemäß § 43a Abs. 2 StGB anstelle eines Teiles der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt worden. Im Hinblick darauf habe der verbleibende Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen werden können. Das vom Beschwerdeführer angerufene Oberlandesgericht Innsbruck führte aus, dass die vom Erstgericht angenommene untergeordnete Beteiligung nach den Urteilsfeststellungen "etwas zu relativieren" sei.
Der dem Urteil zugrundeliegende Raubüberfall stellt ein öffentliche Interessen in gravierender Weise beeinträchtigendes Verhalten dar, wurde doch erhebliche Gewalt gegen das Opfer angewendet und aus einem Tresor ein Geldbetrag von S 160.000,-- erbeutet. Der Beschwerdeführer hat an der Planung dieses Überfalls mitgewirkt. Er hat die unmittelbaren Täter nicht nur in ihrem Tatentschluss bestärkt, sondern auch durch Bereitstellen eines Fluchtfahrzeuges und Fungieren als Lenker desselben zur Ausführung beigetragen. Dabei kam es ihm darauf an, das Gelingen des Raubüberfalles zu fördern. Ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nicht unmittelbarer Täter war, resultiert aus diesem Fehlverhalten eine große Gefährdung öffentlicher Interessen. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000180175.X00Im RIS seit
13.03.2002