TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/27 2001/18/0095

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2001
beobachten
merken

Index

E3L E05204020;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des C I, geboren am 5. Oktober 1971, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 2001, Zl. SD 198/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 3. September 1997 illegal nach Österreich eingereist. Er habe am 4. September 1997 unter dem Namen Christopher Williams, geboren am 5. Oktober 1977, Staatsangehöriger von Sierra Leone, einen Asylantrag gestellt, der am 22. September 1997 abgewiesen worden sei. Das auf Grund einer Berufung gegen diese Entscheidung eingeleitete Berufungsverfahren sei wegen Abwesenheit des Asylwerbers am 23. November 1999 eingestellt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 22. September 1997 sei der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Am 27. April 1999 habe sich der Beschwerdeführer von seiner bisherigen Adresse abgemeldet und dann das Bundesgebiet verlassen. Am 13. Oktober 1999 habe er in Lagos eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Anschließend habe er unter seiner richtigen Identität bei der österreichischen Botschaft in Lagos einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Daraufhin sei ihm eine Niederlassungsbewilligung, gültig von 18. Februar 2000 bis 18. Februar 2001 erteilt worden. Mit diesem Aufenthaltstitel sei er am 18. März 2000 in das Bundesgebiet eingereist. Nach Fortsetzung des Asylverfahrens habe er den Asylantrag am 31. August 2000 zurückgezogen.

Mit Urteil vom 4. Dezember 2000 sei der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer "im Zeitraum Februar/März 1999" gewerbsmäßig einer anderen Person (in mehreren Angriffen) insgesamt 15 Gramm Heroin überlassen habe.

Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, sei er gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn sei gemäß § 48 Abs. 1 FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei dabei nicht das Vorliegen rechtskräftiger Verurteilungen, sondern das Fehlverhalten des Fremden ausschlaggebend. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die vorliegende, in wiederholten Angriffen erfolgte Tatausführung als besonders verwerflich zu qualifizieren. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer gewerbsmäßig vorgegangen sei. Der Umstand, dass er mittlerweile mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, biete auf Grund der Suchtgiftdelikten innewohnenden Wiederholungsgefahr keine Gewähr für künftiges Wohlverhalten, zumal seit der Tatbegehung erst zwei Jahre verstrichen seien. Bei einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sei auch zu berücksichtigen, dass dieser nach seiner erstmaligen Einreise unter Angabe eines falschen Namens und einer unrichtigen Lebensgeschichte die Gewährung von Asyl zu erlangen versucht habe. Dadurch habe er deutlich dokumentiert, keinerlei Bedenken zu haben, sich über die für ihn maßgeblichen "Bestimmungen des Fremdenwesens" hinwegzusetzen. Auf Grund dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers sei die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG erfüllt.

Da der Beschwerdeführer mit seiner österreichischen Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebe, sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Es sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner neuerlichen Einreise am 18. März 2000 knapp ein Jahr rechtmäßig in Österreich aufhalte. Die daraus ableitbare Integration werde in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich gemindert. Daran könne auch die Ausübung einer Beschäftigung durch den Beschwerdeführer nichts ändern. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten voller sozialer Integration nicht rechtswidrig sei, wögen die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu seinen Gunsten sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, dass er nur zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei. Eine derartige Verurteilung erfülle den als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht und stelle daher keinen Grund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dar.

1.2. Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, ist er gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn ist gemäß § 48 Abs. 1 FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, es begegne keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG zu stützen, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG genannten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. Dies gilt auch für die für den Beschwerdeführer als Angehörigen einer Österreicherin maßgebliche - jener nach § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG entsprechenden - Beurteilung gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 99/18/0213.)

Der Beschwerdeführer hat in mehreren Angriffen das besonders gefährliche Suchtgift Heroin an eine andere Person weitergegeben. Er handelte dabei in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Im Hinblick auf die große Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten stellt dies eine gravierende Gefährdung öffentlicher Interessen dar, zumal bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist. Der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum von etwa zwei Jahren ist zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum fast ein Jahr nicht in Österreich befunden hat. Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer nach seinem illegalen Grenzübertritt im September 1997 als Staatsangehöriger von Sierra Leone ausgegeben und unter falschem Namen und falschem Geburtsdatum einen Asylantrag gestellt. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Asylwesens dar.

Auf Grund dieses gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 48 Abs. 1 erster Satz FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass nach der Richtlinie 64/221/EWG bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der jeweiligen Einzelperson ausschlaggebend sein dürfe und strafrechtliche Verurteilungen allein solche Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen könnten, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde keineswegs auf die bloße Tatsache der Verurteilung, sondern auf das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers abgestellt hat.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die etwa einjährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers seit seiner Einreise am 18. März 2000 berücksichtigt. Weiters hat sie ihm die Haushaltsgemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin und seine Berufstätigkeit zu Gute gehalten. Der Voraufenthalt von 3. Dezember 1997 bis nach der polizeilichen Abmeldung vom 27. April 1999 fällt nicht entscheidend ins Gewicht, war er doch - wenn überhaupt - nur auf Grund eines unter falscher Identität und gänzlich falschen Angaben gestellten Asylantrages berechtigt. Wenn den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet auf Grund der Ehe mit einer Österreicherin auch ein nicht unerhebliches Gewicht zukommt, liegt auf Grund der Kürze des berechtigten Aufenthalts keineswegs die von der Beschwerde behauptete "vollkommene Integration in die österreichische Gesellschaft" vor.

Den besagten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein Fehlverhalten gegenüber. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchgiftkriminalität und an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Asylwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann keinen Bedenken, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers auch den vorgebrachten Umstand, dass er für seine erwerbslose Gattin sorge, ins Kalkül zieht, zumal der Beschwerdeführer nicht dartut, dass seine Gattin an der Aufnahme einer Beschäftigung gehindert sei.

Mit dem in der Beschwerde genannten, dem hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 98/18/0348, zu Grunde liegenden Fall ist der vorliegende vom Sachverhalt her nicht vergleichbar.

3. Schließlich bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, im Rahmen des ihr zukommenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid oder den vorgelegten Verwaltungsakten besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001180095.X00

Im RIS seit

11.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten