TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/18 G221/98, G222/98, G223/98, G224/98, G225/98, G226/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.1998
beobachten
merken

Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/16 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BG über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen §4 Abs2

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit einer Regelung über Prüfungstaxen an Hochschulen

Spruch

Der zweite Satz im §4 Abs2 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. Nr. 463/1974 in der Fassung des Art90 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. 463/1974, sieht in seinem §4 unter der Rubrik "Entschädigung für Prüfungstätigkeit" eine solche für die Abnahme bestimmter Prüfungen im Sinne des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes vor. Die Absätze 1 und 2 dieses Paragraphen hatten folgenden Wortlaut:

"§4.(1) Für die Abnahme von Prüfungen (§23 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 177/1966) mit Ausnahme der Kolloquien (§23 Abs2 lita und Abs4 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz), für den Vorsitz in Prüfungssenaten (§26 Abs10 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz) sowie für die Beurteilung des Erfolges der Teilnehmer an Lehrveranstaltungen (§29 Abs1 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz) gebührt eine Entschädigung.

(2) Die Entschädigung für die Prüfer gemäß §26 Abs2 bis 5, 7, 8 und 10 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes beträgt im Semester für hundert Prüfungen 74,36 v.H. des Gehaltes eines Bundesbeamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2 einschließlich einer allfälligen Teuerungszulage. Hiebei sind schriftliche und mündliche Prüfungen sowie Teilprüfungen gesondert zu zählen. Werden mehr als hundert Prüfungen abgenommen, so ist der Betrag entsprechend zu erhöhen, werden weniger als hundert Prüfungen abgenommen, so ist er entsprechend zu vermindern."

Art90 Z10 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201, änderte den wiedergegebenen §4 mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1996 (u.a.) dahin, daß dessen ersten beiden Absätze wie folgt lauten:

"§4.(1) Für die Abnahme von Prüfungen (§23 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, BGBl. Nr. 177/1966) mit Ausnahme freiwillig abgelegter Kolloquien (§23 Abs2 lita und Abs4 AHStG), für den Vorsitz in Prüfungssenaten (§26 Abs10 AHStG), sofern der Vorsitzende nicht gleichzeitig als Prüfer mitwirkt, sowie für die Beurteilung des Erfolges der Teilnahme an Lehrveranstaltungen gemäß §16 Abs1 lita, c, f, i, j AHStG gebührt eine Entschädigung.

(2) Die Entschädigung für die Prüfer gemäß §26 Abs2 bis 4, 7, 8 und 10 AHStG beträgt im Semester für 100 Prüfungen 64,30 vH des Gehalts eines Bundesbeamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, einschließlich einer allfälligen Teuerungszulage. Prüfungen, die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Prüfungsteil bestehen, sind als eine Prüfung zu zählen. Werden mehr oder weniger als 100 Prüfungen abgenommen, ist die Entschädigung entsprechend zu erhöhen oder zu vermindern."

Durch ArtVII des Bundesgesetzes BGBl. I 109/1997 erhielt §4 mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1997 eine neue Fassung, die in Ansehung der im folgenden beschriebenen Beschwerdesachen jedoch nicht dargestellt werden braucht.

2. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 2. September 1997 stellte der Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz (u.a.) die den sechs Beschwerdeführern der Anlaßverfahren (Universitätsprofessoren dieser Universität) für die Abnahme einer bestimmten Anzahl mündlicher und schriftlicher Diplomteilprüfungen gebührenden Ansprüche unter Bezugnahme auf §§4 und 5 des Bundesgesetzes BGBl. 463/1974 (in der - §4 nicht berührenden - Fassung BGBl. 375/1996) betragsmäßig fest. In den dagegen erhobenen Berufungen begehrten die Rechtsmittelwerber der Sache nach die Zuerkennung der Abgeltung in dem vor der Novellierung durch das StrukturanpassungsG 1996 gebührenden höheren Ausmaß. Der Akademische Senat wies die Rechtsmittel mit Bescheiden vom 3. Feber 1998 (welche auf einem Sitzungsbeschluß vom 21. Jänner 1998 beruhen) ab und begründete diese Berufungsentscheidungen im wesentlichen damit, daß er nur das für den zu beurteilenden Zeitraum in der Fassung BGBl. 375/1996 in Geltung gestandene Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen habe anwenden können. Gegen diese Bescheide des Akademischen Senates wenden sich die unter B533/98, B551/98, B554/98, B588/98, B589/98 sowie B607/98 eingetragenen Beschwerden nach Art144 B-VG, in denen insbesondere die Verletzung in Rechten wegen der Anwendung als verfassungswidrig kritisierter Gesetzesbestimmungen (so auch des §4 Abs2 des zitierten Bundesgesetzes) geltend gemacht wird.

II. 1. Aus Anlaß dieser Beschwerdesachen beschloß der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes im §4 Abs2 des mehrfach erwähnten Bundesgesetzes (idF BGBl. 201/1996) einzuleiten. Der Gerichtshof ging vorläufig davon aus, daß der meritorischen Beschwerdeerledigung keine Verfahrenshindernisse entgegenstünden, sodaß er bei seiner Entscheidung in den Beschwerdesachen die zitierte Gesetzesstelle anzuwenden hätte. Er legte die für die Einleitung des Prüfungsverfahrens maßgebenden verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:

"1. Art90 des StrukturanpassungsG 1996 nahm für die in Betracht kommenden Prüfer, mithin auch für Hochschullehrer im dienstrechtlichen Sinn, mehrere Entgeltkürzungen vor. So wurde - wie sich aus dem Vergleich der eingangs wiedergegebenen Gesetzesvorschriften ergibt - das bisherige System der Abgeltung von Prüfungstätigkeiten derart geändert, daß Prüfungen, die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Prüfungsteil bestehen, nunmehr als eine Prüfung zu zählen sind.

2. Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Beschwerden zulässig sind und er daher über sie in der Sache zu entscheiden haben wird. Hiebei hätte er anscheinend (auch) den zweiten Satz im §4 Abs2 anzuwenden; es dürfte hinreichen, bloß diesen Satz in Prüfung zu ziehen und gegebenenfalls als verfassungswidrig aufzuheben, um eine Rechtslage herzustellen, auf welche die im folgenden dargelegten Bedenken nicht mehr zutreffen.

3. Gegen die in Prüfung genommene Vorschrift hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß sie gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verstößt, weil damit Ungleiches gleich behandelt zu werden scheint. Der Gerichtshof (welcher gewisse Entgeltbeschränkungen in der (auch) hier vorgenommenen Weise auf dem Boden seiner Vorjudikatur (s. etwa VfSlg. 14867/1997 und 14888/1997) für verfassungsrechtlich unbedenklich hält) kann nämlich vorläufig keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, daß Prüfungen, die aus einem schriftlichen und einem mündlichen (u.U. jeweils von verschiedenen Prüfern abgenommenen) Prüfungsteil bestehen (wie etwa in den vier sogenannten Kernfächern des rechtswissenschaftlichen Studiums), entgeltmäßig als eine Prüfung gelten. Jeder dieser Prüfungsteile dürfte nämlich - stellt man eine Durchschnittsbetrachtung an - ungefähr gleich viel (der schriftliche sogar zumindest gleich viel) Mühe machen und Arbeitszeit erfordern wie eine Prüfung, die nicht geteilt abzuhalten ist. Träfe diese Annahme zu, so würde dem von §4 Abs2 zweiter Satz leg.cit. erfaßten Prüfer bloß die Hälfte des Entgeltes für eine durchschnittlich gleiche Arbeitsbelastung gebühren wie einem Prüfer, der eine 'einfache' Prüfung abhält.

Gründe der Verwaltungsökonomie können die Regelung sachlich wohl nicht rechtfertigen.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des StrukturanpassungsG 1996 (72 BlgNR 20. GP, S 314)

'... Absatz 2 wurde zunächst dahin gehend geändert, daß eine aus einem schriftlichen und aus einem mündlichen Prüfungsteil bestehende Prüfung als Einheit zu betrachten und daher auch als Einheit, also nur einfach abzugelten ist. Bisher wurden diese beiden Prüfungsteile zwar studienrechtlich als eine Einheit gewertet, bezüglich der Prüfungsentschädigung jedoch gesondert gezählt. ...'

scheinen keine Begründung für die getroffene Neuregelung zu geben, sondern lediglich die frühere und die neue Rechtslage zu beschreiben."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Standpunkt einnahm, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht verfassungswidrig ist, und (hilfsweise) für den Fall deren Aufhebung als verfassungswidrig die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten von 18 Monaten begehrte. Im einzelnen führte die Bundesregierung folgendes aus:

"2. Zur Gleichheitswidrigkeit:

a) §4 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen

Es war immer ein Prinzip des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, für die Durchführung von Prüfungen zwar eine gesonderte Entschädigung vorzusehen, aber hiebei nicht nach der Stellung des Prüfungsfaches in den Studienvorschriften sowie nach der Art und dem Umfang der Prüfung zu differenzieren (siehe die Erläuterungen zu §4 in der Stammfassung aus 1974 - 1146 der Beilagen NR XIII. GP). Die Regelung der Abgeltung der Prüferleistungen nimmt daher subjektiv gesehen auf den tatsächlichen Prüferaufwand wenig Rücksicht.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß die im §4 vorgesehene Entschädigung für einen in einem Dienstverhältnis zum Bund stehenden Universitätslehrer ebensowenig wie die Kollegiengeldabgeltung (§51 bzw. 52 des Gehaltsgesetzes 1956) eine Vollabgeltung der Prüfungsleistung darstellt, weil er ja Prüfungen und Lehrveranstaltungen in Erfüllung seiner Dienstpflicht abhält (§165 Abs1 Z3 BDG 1979). Die Prüfungsleistung wird also zunächst durch den Monatsbezug des Universitätslehrers und ergänzend durch die gesonderte Prüfungsentschädigung vergütet.

Überdies sollte durch die Einheitlichkeit der Prüfungsentschädigungen unabhängig vom Prüfungsfach, von der Art der Prüfung, von der Prüfungsmethode und von der Dauer der Prüfung einer primär abgeltungsorientierten Steuerung der Prüfungen in den Studienvorschriften vorgebeugt werden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, daß das System in zwei Punkten nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Daß die in Prüfung gezogene Änderung neben einer generellen Senkung der Prüfungsentschädigungen im Zuge des Strukturanpassungsgesetzes 1996, also eines 'Sparpakets', vorgenommen wurde, war nur der äußere Anlaß, nicht aber der eigentliche Grund für die in Rede stehende Regelung.

Der Gesetzgeber hält zwar am Prinzip einer einheitlichen Form dieser zum Monatsbezug des Hochschullehrers oder zur Remuneration als Lehrbeauftragter hinzutretenden speziellen Abgeltung unabhängig von der im seinerzeitigen §23 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG) getroffenen formellen Einteilung der Prüfungen fest, sah sich aber angesichts der generellen Entwicklung des Prüfungswesens und der Notwendigkeit zu kostendämpfenden Maßnahmen gezwungen, zu reagieren.

Gemäß §4 Abs2 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen zählen Prüfungen aus einem schriftlichen und einem mündlichen Prüfungsteil als eine Prüfung und sind daher nur einmal abzugelten. §4 Abs2 leg.cit. führt keine neuen studienrechtlichen Begriffe ein, sondern knüpft an den geltenden Begriffen des Studienrechts an.

Bereits die vor dem 1. Oktober 1996 geltende Fassung des §4 Abs2 leg.cit. hatte keine gesonderte Abgeltung von Prüfungsteilen vorgesehen, sondern lautete:

'Die Entschädigung für die Prüfer gemäß §26 Abs2 bis 5, 7, 8 und 10 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes beträgt im Semester für 100 Prüfungen 74,36 vH des Gehaltes eines Bundesbeamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2 einschließlich einer allfälligen Teuerungsrate. Hiebei sind schriftliche und mündliche Prüfungen sowie Teilprüfungen gesondert zu zählen ...'

Eine gesonderte Abgeltung von Prüfungsteilen sah das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten nie vor, obwohl das Studienrecht diesen Begriff und den Unterschied zur Teilprüfung sehr wohl kannte (siehe §5 des Bundesgesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften, BGBl. Nr. 140/1978, in der Fassung BGBl. Nr. 99/1990), lediglich in der Praxis der Universitäten hatte es sich eingebürgert, auch Teile von Prüfungen gesondert abzugelten. Diese dem Gesetz nicht entsprechende Praxis, auf die in den Erläuterungen zur diesbezüglichen Regierungsvorlage ausdrücklich Bezug genommen wird, sollte durch den in Prüfung gezogenen Satz abgestellt werden.

§4 Abs2 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen bedeutete somit keine Änderung, sondern eine Klarstellung der Rechtslage. Eine Ungleichbehandlung der Prüfer kann aus dieser gesetzlichen Bestimmung nicht abgeleitet werden. Eine solche Ungleichbehandlung wäre nur dann gegeben, wenn Prüfungen und Prüfungsteile in gleicher Höhe aufgrund der gegenständlichen Gesetzesbestimmung abgegolten würden. §4 Abs2 erster Satz leg.cit. bestimmt lediglich, daß für jede Prüfung eine Entschädigung von S 140 gebührt, während Abs2 zweiter Satz festlegt, daß Prüfungen, die aus einem schriftlichen und mündlichen Prüfungsteil bestehen, nur als eine Prüfung zählen und daher nur einmal abzugelten sind. Das Gesetz unterscheidet also sehr wohl zwischen der Abgeltung von Prüfungen, und zwar unabhängig davon, ob diese schriftlich oder mündlich abgehalten werden, und Prüfungsteilen.

Aus §4 Abs2 zweiter Satz leg.cit. kann sich also keine Ungleichbehandlung der Prüfer ergeben.

b) Regelung der Diplomprüfungen im Studienrecht

Gemäß §23 Abs1 lita und b des AHStG sind Prüfungen entweder schriftlich oder mündlich abzulegen. Gemäß §24 Abs4 AHStG ist es unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, eine Prüfung in einen schriftlichen und in einen mündlichen Prüfungsteil aufzuspalten. Die entsprechende grundsätzliche Anordnung kommt der Studienordnung, die konkrete Umsetzung dem Studienplan zu. Nur für das Studium der Rechtswissenschaften (für die vier sogenannten 'Kernfächer' im zweiten Studienabschnitt) und für das Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Fächer der zweiten Diplomprüfung) trifft bereits das besondere Studiengesetz die Anordnung der Zweiteilung.

Die zweite Diplomprüfung des Studiums der Rechtswissenschaften ist als Gesamtprüfung abzuhalten. Sie hat aus Teilprüfungen vor Einzelprüfern und der Diplomarbeit zu bestehen (§5 Abs3 des Bundesgesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften).

Die Teilprüfungen aus den in §5 Abs2 Z1, 4, 5 und 6 leg.cit. genannten Fächern (den sogenannten 'Kernfächern') haben aus einem schriftlichen und einem mündlichen Prüfungsteil zu bestehen. Die übrigen Teilprüfungen sind mündlich abzuhalten. Die zuständige akademische Behörde kann in diesen Fächern aus pädagogischen Gründen anstelle der mündlichen die schriftliche Abhaltung einer Prüfung vorschreiben (§5 Abs4 leg.cit.).

Aus diesen Bestimmungen folgt, daß im Rahmen der zweiten Diplomprüfung auch aus jedem der vier 'Kernfächer' des Studiums der Rechtswissenschaften nur eine Prüfung abzulegen ist, und zwar ausdrücklich in Form je einer Teilprüfung vor einem Einzelprüfer. Diese vor einem Einzelprüfer abzulegende Teilprüfung ist entsprechend der gesetzlichen Anordnung in einen schriftlichen und einen mündlichen Prüfungsteil aufzuspalten. Erst beide Prüfungsteile zusammen bilden die Teilprüfung aus dem betreffenden 'Kernfach'.

c) Vollzugspraxis des Studienrechts

Aus dem unter Punkt 2b Ausgeführten ergibt sich, daß erstens die beiden Prüfungsteile zusammen den Anforderungen angemessen zu sein haben, die an eine Teilprüfung aus einem der tragenden Fächer des Studiums zu stellen sind. Im Gesetz findet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß jeder der beiden Prüfungsteile für sich allein vom Umfang, vom Inhalt und vom Zeitaufwand her den Anforderungen gleichen muß, die an eine entweder nur mündlich oder nur schriftlich abzuhaltende Teilprüfung zu stellen sind.

Ein Vergleich zwischen einer Teilprüfung aus einem der vier 'Kernfächer' (verkürzt: Privatrecht, Strafrecht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht) mit den Teilprüfungen aus den anderen Fächern der zweiten Diplomprüfung (verkürzt: Handelsrecht, Völkerrecht, Arbeits- und Sozialrecht, usw.) bezüglich des Stoffumfanges und des Zeitaufwands ist daher für die Frage der Abgeltungshöhe nicht entscheidend. Auch für das (Pflicht) Kolloquium aus Betriebswirtschaftslehre gebührt die Entschädigung in derselben Höhe wie für jede Teilprüfung.

Nach dem Studienrecht (§24 Abs4 AHStG und §5 Abs4 des Rechtswissenschaftlichen Studiengesetzes) bilden erst beide Prüfungsteile zusammen die Teilprüfung, die gemäß §24 Abs3 litb AHStG bzw. §5 Abs4 des Rechtswissenschaftlichen Studiengesetzes vor einem Einzelprüfer abzulegen ist.

Aus den zitierten Bestimmungen ist weiters die Absicht des Gesetzgebers erschließbar, daß die beiden Prüfungsteile von einem Prüfer abzuhalten sind; dem wird aber in der Praxis nicht immer Rechnung getragen.

Folgte man den Beschwerdeführern, müßten die beiden Prüfungsteile einer Teilprüfung nicht nur hinsichtlich der Abgeltung wie zwei selbständige Teilprüfungen behandelt werden, sondern auch studienrechtlich. Zwei Teilprüfungen aus einem Prüfungsfach sind jedoch nach der bisherigen Rechtslage nicht vorgesehen. Überdies würde die Abgeltung von Prüfungsteilen wie Teilprüfungen eine Ungleichbehandlung darstellen.

Nach der geltenden Rechtslage dürfen die beiden Prüfungsteile einer Teilprüfung weder formell noch in der Praxis studienrechtlich und abgeltungsrechtlich wie zwei selbständige Teilprüfungen behandelt werden.

d) Ergebnis:

Die im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommene Ungleichbehandlung der Prüfer ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung weder aufgrund der Bestimmung des §4 Abs2 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das über die Art der Gestaltung und den Umfang der Prüfungsteile keine Aussage trifft, noch aufgrund der Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften, sondern allenfalls aufgrund der mit dem Inhalt dieser Gesetze nicht im Einklang stehenden Vollzugspraxis bei den Prüfungen aus den Kernfächern im Studium der Rechtswissenschaften.

Die Bundesregierung ist daher insgesamt der Auffassung, daß die gegenständliche Bestimmung nicht verfassungswidrig ist."

III. Dem eingeleiteten

Gesetzesprüfungsverfahren stehen Prozeßhindernisse nicht entgegen. Die Bedenken des Gerichtshofes bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschrift erweisen sich als gerechtfertigt.

1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluß vorläufig getroffenen Annahme, daß der zweite Satz im §4 Abs2 des in Erörterung stehenden Gesetzes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot verstößt. Diese Bestimmung behandelt nämlich Prüfungen, die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestehen, in abgeltungsrechtlicher Hinsicht gleich wie Prüfungen, die entweder nur schriftlich oder bloß mündlich abzuhalten sind, obwohl jeder der erwähnten Prüfungsteile (- bedenkt man etwa den schriftlichen und den mündlichen Prüfungsteil einer Teilprüfung aus den vier sog. Kernfächern des rechtswissenschaftlichen Studiums -) ungefähr gleich viel (der schriftliche sogar zumindest gleich viel) Mühe macht und Arbeitszeit erfordert wie eine ungeteilt abzunehmende Prüfung. Dazu kommt, daß der schriftliche und der mündliche Prüfungsteil zeitlich relativ unabhängig voneinander sind sowie daß diese Prüfungsteile u.U. sogar von verschiedenen Prüfern abgenommen werden.

Wenn die Bundesregierung gegen die dargelegte Beurteilung zunächst ins Treffen führt, daß Prüfungen und Prüfungsteile in studienrechtlicher Hinsicht voneinander verschieden sind und daran die Folgerung knüpft, daß sie auch abgeltungsrechtlich unterschiedlich zu behandeln seien, so ist dies verfehlt. Diese Argumentation läuft nämlich im Ergebnis darauf hinaus, daß zwei Sachverhalte, die sich unter einem bestimmten Aspekt voneinander unterscheiden, auch in einer ganz anderen Beziehung ungleich zu behandeln wären. Eine derartige Bedeutung kommt dem Gleichheitsgebot aber gerade nicht zu, das eine differenzierende Behandlung nur insoweit verlangt, als sich zwei Sachverhalte im regelungsrelevanten Tatsachenbereich voneinander unterscheiden, aber ihre Gleichbehandlung fordert, soweit sie dort einander tatsächlich entsprechen. Für die in §4 getroffene Regelung sind nun studienrechtliche Unterschiede zwischen Prüfungen und Prüfungsteilen aber nahezu bedeutungslos, denn der Grund für die Entschädigung der Prüfungstätigkeit liegt in erster Linie in der aufgewendeten Mühe und im Zeitaufwand, also keineswegs in Umständen, die in Ansehung von Prüfungen und Prüfungsteilen im Tatsächlichen voneinander verschieden sind.

An der Unsachlichkeit der zu betrachtenden Bestimmung ändert auch der von der Bundesregierung weiters hervorgehobene Umstand nichts, daß die in §4 festgelegte Entschädigung keine "Vollabgeltung", sondern nur eine ergänzend zum Monatsbezug des Universitätslehrers tretende Prüfungsentschädigung darstellt. Es kann auf sich beruhen, ob der Gesetzgeber eine derartige Abgeltung für Universitätslehrer, die Prüfungen in Erfüllung ihrer Dienstpflichten abzunehmen haben, überhaupt vorzusehen hat; wenn er sich hiezu aber entschließt (und die erwähnten Universitätslehrer den anderen Prüfern insoweit gleichstellt), so muß er diese Geldleistung unter Beachtung des Gleichheitsgebotes und daher in sachgerechter Weise gewähren. Ins Leere geht überdies der Hinweis der Bundesregierung, daß mit der in Prüfung stehenden Norm die Rechtslage nicht geändert, sondern bloß "eine dem Gesetz nicht entsprechende Praxis ... abgestellt werden (sollte)". Gegenstand der im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken ist nämlich nicht eine gleichheitsrechtlich problematische Verschlechterung der Rechtslage, sondern die in der Norm selbst gelegene Ungleichbehandlung, welche unabhängig davon besteht, ob die in den Anlaßfällen maßgebende Regelung schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgesehen war oder nicht.

Für die Gleichheitskonformität der Rechtsvorschrift spricht schließlich auch nicht das von der Bundesregierung angegebene Ziel, durch die "Einheitlichkeit der Prüfungsentschädigungen ... einer primär abgeltungsorientierten Steuerung der Prüfungen in den Studienvorschriften (vorzubeugen)". Daß eine derartige Gefahr bei einer gleichwertigen Abgeltung von Prüfungen und Prüfungsteilen nicht besteht, folgt schon aus der vor der novellierten Gesetzeslage (nach Ansicht der Bundesregierung rechtswidrig) geübten Praxis, welche die befürchteten Mißstände offenkundig nicht nach sich zog.

2. Die in Prüfung genommene Gesetzesvorschrift war sohin als verfassungswidrig aufzuheben, weil sie mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot unvereinbar ist.

3. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Hochschulen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G221.1998

Dokumentnummer

JFT_10018782_98G00221_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten