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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des D F in Wien, geboren am 26. April 1979, vertreten durch Dr. Peter Birgmayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Februar 2001, Zl. SD 1081/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Februar 2001 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Februar 1999, mit welchem ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden war, gemäß § 63 Abs. 5 AVG, als verspätet zurückgewiesen.
Der Bescheid der Erstbehörde sei erstmals am 12. März 1999 an der Meldeadresse des Beschwerdeführers hinterlegt, jedoch nicht behoben worden. Erhebungen zur Frage der Ortsanwesenheit des Beschwerdeführers hätten Anfang August 1999 ergeben, dass sich der Beschwerdeführer angeblich bereits seit längerer Zeit (neun Monate), also auch im Zeitpunkt der Hinterlegung, in Mazedonien in einem Krankenhaus - "genaueres war nicht bekannt" - befunden habe. Es habe nicht festgestellt werden können, wann er wieder nach Österreich kommen werde. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer am 18. August 1999 der Erstbescheid gemäß § 8 Zustellgesetz durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zugestellt worden.
Am 6. Dezember 1999 sei der Erstbescheid dem Beschwerdeführer ausgefolgt worden. Der Beschwerdeführer mache in seiner am 20. Dezember 1999 eingebrachten Berufung geltend, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz erstmals am 6. Dezember 1999 rechtswirksam zugestellt worden wäre. Er hätte sich von 9. April 1998 bis 9. August 1999, also auch im Zeitpunkt der Zustellung der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 22. Juli 1998, in Mazedonien aufgehalten und somit von der Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens nichts gewusst.
Weitere Erhebungen hätten ergeben, dass sich der Beschwerdeführer jedenfalls bis August 1998 in Österreich aufgehalten habe. Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme habe er am 23. Juli 1998 persönlich beim Postamt in Empfang genommen. Dies habe er durch seine Unterschrift bestätigt.
Der Beschwerdeführer habe somit vom Aufenthaltsverbotsverfahren Kenntnis gehabt, es jedoch unterlassen, die Änderung der Abgabestelle gemäß § 8 Zustellgesetz der Behörde mitzuteilen. Die Erstbehörde sei daher berechtigt gewesen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, er hätte sich nur vorübergehend in Mazedonien aufgehalten und daher seine Abgabestelle gar nicht geändert, sei zu entgegnen, dass ein Aufenthalt zur stationären Behandlung über einen Zeitraum von einem dreiviertel Jahr jedenfalls eine Änderung der Abgabestelle darstelle.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid u.a. ein, dass § 8 Zustellgesetz dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Behörde ohne Schwierigkeiten die neue Abgabestelle der Partei feststellen könne. Er wohne seit Jahren bei seinen Eltern an einer bestimmten Wiener Adresse. Durch einfache Befragung seiner Eltern wäre der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Mazedonien festzustellen gewesen. Derartige Erhebungen habe die Behörde unterlassen.
Ein gleichartiges Vorbringen hat der Beschwerdeführer in der Eingabe an die belangte Behörde vom 11. Februar 2000 erstattet.
2. Der hier maßgebliche § 8 Zustellgesetz hat folgenden Wortlaut:
"(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Schriftstücke und die Änderung zustellrechtlicher Vorschriften (162 BlgNR. 15. GP, Seite 10) ist die Behörde verpflichtet, einfache Hilfsmittel - etwa Meldeauskünfte oder Mitteilungen an den Zusteller durch Nachbarn - zur Feststellung der neuen Abgabestelle der betroffenen Partei heranzuziehen.
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Ansicht, dass die Erstbehörde ihren Bescheid bereits deshalb zu Recht durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Zustellgesetz zugestellt habe, weil es der Beschwerdeführer unterlassen habe, die Änderung seiner Abgabestelle der Behörde mitzuteilen. Damit verkannte sie die dargestellte Verpflichtung der Behörde, in derartigen Fällen die neue Abgabestelle der Partei - durch Heranziehung einfacher Hilfsmittel - zu ermitteln.
3. Durch diese Verkennung der Rechtslage wurde der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen in Rechten verletzt:
Die Erstbehörde hat das Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau am 16. Juli 1999 um Erhebungen ersucht, "ob der Genannte (der Beschwerdeführer) zum Zeitpunkt der Hinterlegung eines Aufenthaltsverbotes (11.3.99 - 25.3.99) an der Adresse Wien 20, Allerheiligenplatz 15/28, ortsabwesend war". Nach dem Bericht dieses Kommissariates wurde bei Erhebungen an der genannten Adresse am 3. August 1999 festgestellt, "dass Genannter laut Vater seit ca. 9 Monaten in Mazedonien im Krankenhaus ist (Entziehung). Wann Genannter wieder nach Österreich kommt, ist nicht bekannt."
Die Frage, unter welcher Adresse dem Beschwerdeführer nunmehr zugestellt werden könnte, ist im Erhebungsersuchen der Erstbehörde nicht enthalten. Demgemäß wurde der Vater des Beschwerdeführers nach dem Erhebungsbericht auch nicht nach der Zustelladresse des Beschwerdeführers als Patient eines mazedonischen Krankenhauses befragt. Eine zusätzliche Fragestellung an den ohnehin zum Aufenthaltsort seines Sohnes befragten Vater des Beschwerdeführers in diesem Sinn muss aber von der Behörde im Rahmen ihrer Verpflichtung, die neue Abgabestelle durch einfache Hilfsmittel festzustellen, jedenfalls verlangt werden.
Unterstellte man der belangten Behörde, sie habe mit dem im angefochtenen Bescheid enthaltenen Hinweis "genaueres war nicht bekannt" zum Ausdruck bringen wollen, dass Erhebungen über die Anschrift des vom Beschwerdeführer in Mazedonien aufgesuchten Krankenhauses erfolglos geblieben seien, so ist festzuhalten, dass derartige Erhebungen nicht aktenkundig sind.
4. Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. November 2001
Schlagworte
Allgemein Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180058.X00Im RIS seit
12.03.2002