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22/01 Jurisdiktionsnorm;Norm
GGG 1984 §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Stadtgemeinde T, vertreten durch Mag. Andreas M. Pfeifer, Rechtsanwalt in 2514 Traiskirchen, Hauptplatz 17, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 16. Mai 2001, Zl. Jv 1597-33a/01 betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- (EUR 331,75) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin begehrte mit der beim Bezirksgericht Baden eingereichten Klage vom 29. Juni 2000 von der P GmbH die Bezahlung von S 597.931,87 an Bestandzins, S 518.588,58 an Kaution sowie die Auflösung der Bestandverhältnisse und Räumung der Bestandobjekte in Traiskirchen. Die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG wurde entrichtet.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Jänner 2001 wurde zwischen der Beschwerdeführerin und der P GmbH folgender, auszugsweise lautende Vergleich geschlossen:
"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei die Bestandobjekte in ... Traiskirchen... ausgenommen den nicht in Bestand gegebenen Festsaal, geräumt von eigener Fahrnis besenrein bis spätestens 31.7.2001 unter Verzicht auf jeden Räumungsaufschub bei sonstiger Exekution zu übergeben.
2. Für die Dauer der Benützung bis zur Räumung verpflichtet sich die beklagte Partei, an die klagende Partei, beginnend mit Februar 2001 bis zum 10. jeden Monats bei 5-tägigem Respiro zu Handen der TBVG auf das Konto der Stadtsparkasse Traiskirchen, ... monatlich ein Benützungsentgelt in Höhe von S 100.000,-- inklusive 20 % Ust für die unter Punkt 1) genannten Räumlichkeiten zu bezahlen, ...
3. Bei nicht fristgerechter Bezahlung laut Punkt 2) ist die beklagte Partei verpflichtet, die unter Punkt 1) genannten Bestandobjekte binnen 14 Tage ab Verzug ohne jeden Räumungsaufschub zu räumen.
4. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien bereinigt und verglichen. ...
5. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er seitens der klagenden Partei nicht bis spätestens 28.2.2001 (Einlangen bei Gericht) widerrufen wird. ..."
Die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Baden schrieb der Beschwerdeführerin mit Zahlungsauftrag vom 23. März 2001 gemäß TP 1 GGG restliche Pauschalgebühr von S 130.335,00 sowie Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG von S 100,-- vor.
In dem gegen diesen Zahlungsauftrag eingebrachten Berichtigungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, die Leistungsdauer des Benützungsentgelts sei laut Vergleich mit Februar bis Juli 2001 bestimmt. Pauschalgebühr sei auf Basis eines Streitwertes von S 1,396.282,13 bereits bezahlt worden. Der Vergleichsbetrag liege unter diesem Betrag, daher könne eine Nachzahlung an Pauschalgebühren unter Anwendung des § 58 JN keinesfalls vorgeschrieben werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung des Zahlungsauftrages keine Folge. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Kostenbeamtin habe zu Recht das Zehnfache der Jahresleistung für die Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr herangezogen, weil sich aus dem Vergleichstext selbst eine von vornherein feststehende, bestimmte zeitliche Begrenzung der vereinbarten Leistung nicht ergebe. Für das von der beklagten Partei zu leistende Benützungsentgelt sei über den für die Räumung vereinbarten Termin hinaus kein Endtermin vereinbart worden, so dass von einer Leistung auf unbestimmte Zeit auszugehen sei. Hätten die Parteien nur die Bezahlung eines Benützungsentgeltes für sechs Monate, vom 1. Februar 2001 bis 31. Juli 2001, regeln wollen, so wäre es ihnen freigestanden, dies ausdrücklich im Vergleich festzulegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung weiterer Pauschalgebühr verletzt.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das
ganze Verfahren gleich.
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist gemäß Abs. 2 Z 2 dieser Bestimmung die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Nach der gemäß § 14 GGG u.a. anzuwendenden Bestimmung des § 58 Abs. 1 JN ist bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen auf unbestimmte Dauer das Zehnfache das Jahresbetrages als Wert anzunehmen.
Nach ständiger hg. Judikatur ist diese Bestimmung unter anderem dann heranzuziehen, wenn in einem gerichtlichen Vergleich eine zeitlich nicht begrenzte Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages "bis zur tatsächlichen Räumung" übernommen wird (vgl. dazu die zahlreiche bei Tschugguel/Pötscher, MGA Gerichtsgebühren6 unter E 27 ff zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur).
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die im vorliegenden Vergleich vereinbarte Dauer der Verpflichtung zur Bezahlung des Benutzungsentgelts strittig. Dabei ist zu beachten, dass anders als im Vergleichspunkt 1. für die Bezahlung selbst kein bestimmter Endzeitpunkt festgesetzt wurde, sondern diesbezüglich im Wege der Formulierung "bis zur Räumung" klargestellt wurde, dass die betreffende Zahlungspflicht allenfalls über den im Punkt 1 des Vergleiches fixierten Termin hinaus bis zur tatsächlichen Räumung des Objektes bestehen soll. Damit hat sich die beklagte Partei zur Bezahlung des im Vergleich genannten Betrages ohne zeitliche Fixierung verpflichtet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 1998, Zl. 97/16/0384, und vom 26. November 1998, Zl. 98/16/0308, m.w.H.).
Im vorliegenden Fall wurde im Wege des Vergleichspunktes
1. die Räumung der Objekte zwar per 31. Juli 2001 vereinbart, aus dem Vergleichspunkt 2. folgt aber, dass das Benutzungsentgelt "bis zur Räumung" ohne Nennung eines bestimmten Endzeitpunktes zu bezahlen ist.
Die Frage, ob die getroffene Vereinbarung auch eine Grundlage für eine Zahlungspflicht für den Fall verzögerter Räumung darstellt, ist im Vergleich explizit nicht geregelt und daher im Wege der so genannten ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. dazu z. B. Rummel in Rummel, ABGB I 3 Rz 9 zu § 914 ABGB), insbesondere unter Heranziehung des hypothetischen Parteiwillens, der Übung des redlichen Verkehrs, nach Treu und Glauben sowie nach der Verkehrsanschauung zu beantworten (Rummel aaO Rz 11ff). Daraus ergibt sich, dass die im Vergleich begründete Zahlungspflicht nicht mit dem im Punkt 1. genannten Termin 31. Juli 2001 sondern mit der tatsächlichen Räumung zu verknüpfen ist, weil die tatsächliche Räumung auch nach dem 31. Juli 2001 erfolgen kann. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin bei Abschluss des Vergleiches ja keineswegs beurteilen konnte, ob sich nicht die Notwendigkeit einer erst im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Räumung ergeben wird. Aus dem aus den getroffenen Formulierungen klar ersichtlichen Zweck der Vereinbarung folgt, dass es unsinnig wäre, die vertraglich festgelegte Zahlungsverpflichtung mit dem im Punkt 1. des Vergleiches genannten Räumungstermin zu begrenzen und für den Fall einer Überschreitung dieses Termins die Parteien zu zwingen, betreffend die Zeit der Verzögerung eine neue (z.B. bereicherungsrechtliche) Rechtsgrundlage für eine Zahlungspflicht zu schaffen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 1998, Zl. 97/16/0384, vom 26. November 1998, Zl. 98/16/0308, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/16/0345, jeweils mwH).
Die Beschwerdeführerin vermeint, die Annahme, auf Grund des Vergleichstextes ergäbe sich keine bestimmte Dauer, sei willkürlich und widerspreche den Grundsätzen der Abführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, in analoger Anwendung der § 37 und § 45 AVG. Mit Rücksicht auf den eindeutigen Vergleichsinhalt und den Umstand, dass im Gerichtsgebührenrecht an formale, äußere Tatbestände anzuknüpfen ist, bestand aber kein Grund für die Behörden des Verwaltungsverfahrens, eine weitere Klärung des Parteiwillens vorzunehmen (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1998, Zl. 97/16/0384).
Da sich aus dem Vergleichstext selbst eine von vornherein feststehende, bestimmte zeitliche Begrenzung des vereinbarten Benützungsentgeltes nicht ergibt, hat die belangte Behörde zu Recht das Zehnfache der Jahresleistung für die Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr herangezogen (vgl. dazu insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom 13. April 2000, Zl. 99/16/0507).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde in einem im Hinblick auf die durch die bisherige Rechtsprechung klargestellten Rechtsfragen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001160363.X00Im RIS seit
12.04.2002