TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/10 2000/10/0024

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Veröffentlicht am 10.12.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §32 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der D in L, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Niederösterreich vom 17. Dezember 1999, Zl. Senat-PL-98-207, betreffend Ehrenkränkung (mitbeteiligte Partei: F, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, 270), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Privatanklage vom 7. Mai 1998 beantragte die Beschwerdeführerin die Bestrafung des Mitbeteiligten gemäß den §§ 3 ff des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes sowie die Verpflichtung des Mitbeteiligten zur Bezahlung der Verfahrenskosten.

Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, der Mitbeteiligte verwahre seine Berner Sennenhündin nicht ordnungsgemäß. Diese suche, auch wenn sie läufig sei, immer wieder das Anwesen der Beschwerdeführerin auf.

Am 8. April 1998 um 8.00 Uhr habe sie feststellen müssen, dass ihr Hund in den Maschendrahtzaun ein Loch gerissen, sich durch dieses Loch gedrängt und sich gemeinsam mit der Hündin des Mitbeteiligten in Richtung des Anwesens des Mitbeteiligten entfernt habe.

Die Beschwerdeführerin habe sich daraufhin ebenfalls zum Haus des Mitbeteiligten begeben, um ihren Hund wieder heimzuholen. Bei dieser Gelegenheit habe die Beschwerdeführerin zum Mitbeteiligten gesagt, er solle auf seine läufige Hündin doch endlich besser aufpassen, was dieser mit wüsten Beschimpfungen beantwortet habe. Wörtlich habe er "Gusch, du Zigeunersau" gesagt. Mit dieser hässlichen Beschimpfung habe der Mitbeteiligte offenbar auf die ungarische Geburt der Beschwerdeführerin angespielt. Weiters gab die Beschwerdeführerin noch an, der Mitbeteiligte hätte diese Äußerung in einer für einen Dritten nicht wahrnehmbaren Weise gemacht.

Mit einer Strafverfügung vom 20. Mai 1998 warf die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten dem Mitbeteiligten vor, er habe am 8. April 1998 auf seinem Anwesen in L Nr. 6 die Beschwerdeführerin mit den Worten "Gusch, du Zigeunersau" beschimpft und dadurch eine Ehrenkränkung nach dem Niederösterreichischen Polizeistrafgesetz begangen. Über den Mitbeteiligten wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt.

Mit Schreiben vom 5. Juni 1998 erhob der Mitbeteiligte Einspruch gegen diese Strafverfügung, in der er vorbrachte, falls am besagten Tag Schimpfworte gefallen seien, hätten diese nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Rinder im Stall betroffen.

Nach Einvernahme der Beschwerdeführerin als Zeugin am 17. Juni 1998 und nach einer schriftlichen Stellungnahme des durch seinen Rechtsfreund vertretenen Mitbeteiligten auf Grund einer am 14. Juli 1998 gewährten Akteneinsicht, erließ die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten das Straferkenntnis vom 5. Oktober 1998 in welchem dem Mitbeteiligten vorgeworfen wurde, er habe am 8. April 1998 auf seinem Anwesen in L Nr. 6 die Beschwerdeführerin mit den Worten "Gusch, du Zigeunersau" beschimpft und dadurch eine Ehrenkränkung nach dem Niederösterreichischen Polizeistrafgesetz begangen. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 3 lit. c und § 4 Abs. 1 des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes verletzt, weswegen über ihn gemäß § 4 Abs. 1 des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes eine Geldstrafe von S 500,-- für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt werde.

Weiters wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes vorgeschrieben, der Beschwerdeführerin die zur Verfolgung notwendigen Kosten in der Höhe von S 3.060,-- zu ersetzen.

Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten im hier relevanten Teil aus, die Beschwerdeführerin habe am 8. April 1998 um 8.00 Uhr bemerkt, dass ihr Schäferrüde ein Loch in den Maschendrahtzaun gerissen und sich gemeinsam mit der Hündin des Mitbeteiligten in Richtung des Anwesens des Mitbeteiligten entfernt habe. Die Beschwerdeführerin habe sich daher zum Haus des Mitbeteiligten begeben, um den Hund heimzuholen und habe dem Mitbeteiligten bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, er solle besser auf die läufige Hündin aufpassen. Daraufhin habe der Mitbeteiligte mit wüsten Beschimpfungen geantwortet und wörtlich "Gusch, du Zigeunersau." gesagt.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Mitbeteiligte als auch die Beschwerdeführerin (diese gegen die Kostenentscheidung) Berufung.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 1999 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich der Berufung des Mitbeteiligten Folge und hob das angefochtene Straferkenntnis auf.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG verfügte der Unabhängige Verwaltungssenat die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren.

Der Berufung der Beschwerdeführerin wurde keine Folge gegeben.

Seine Entscheidung begründete der Unabhängige Verwaltungssenat nach Darstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und der maßgeblichen Gesetzesstellen folgender Maßen:

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Verjährung in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen.

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte würden nach ständiger Judikatur alle Handlungen einer Behörde gelten, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck brächten, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen.

Die Verfolgungshandlung müsse sich unter anderem auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Notwendige Sachverhaltselemente für jede Verwaltungsübertretung seien jedenfalls - abgesehen von einer bestimmten Person, gegen die sich der Verdacht richte - der Tatort und die Tatzeit. Im vorliegenden Fall sei in der Privatanklage vom 7. Mai 1998 die Tatzeit nicht konkret angegeben; es sei zuerst ein Geschehen beschrieben worden, welches am 8. April 1998 um 8.00 Uhr stattgefunden habe. Daraufhin, so zitiert die belangte Behörde die Privatanklage weiter, habe sich die Privatanklägerin ebenfalls zum Haus des Mitbeteiligten begeben, wo dann die Ehrenkränkung stattgefunden habe.

Eine Uhrzeit für das dort stattgefundene Tatgeschehen lasse sich der Privatanklage nicht entnehmen.

Ob die Adressen der Beschwerdeführerin (L Nr. 148) und des Mitbeteiligten (L Nr. 6) unmittelbar nebeneinander lägen und wie viel später (nach 8.00 Uhr des 8. April 1998) die Ehrenkränkung erfolgt sein solle, lasse sich der Privatanklage nicht konkret entnehmen. Auch die Strafverfügung und die Zeugenaussage der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1998 brächten hiezu keine Klarstellung bzw. Konkretisierung, da in diesen jeweils nur der 8. April 1998 genannt werde.

Auch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lasse die Uhrzeitangabe bei der Tatzeit vermissen. Aus der Begründung desselben lasse sich ebenfalls nicht entnehmen, wann die konkrete Tatzeit (Uhrzeit) gewesen sei.

Der Mitbeteiligte zeige in seinen Äußerungen (in der Berufung und insbesondere in der Stellungnahme vom 28. Juli 1998) ausdrücklich diesen Anlastungsmangel auf. Er bringe deutlich zum Ausdruck, dass die richtige Tatzeit sehr wohl Relevanz für seine Verteidigungsargumentation hätte.

Eine taugliche Verfolgungshandlung der Behörde erster Instanz, welche alle notwendigen Elemente für eine hinreichende Konkretisierung der Tat und vielmehr des Konkretisierungsgebotes des § 44a VStG enthalte, nämlich auch die konkrete Tatzeit (Uhrzeit) aufweise, sei nicht erfolgt, weshalb hinsichtlich der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Übertretung bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Der Vorschrift des § 44a lit. a VStG sei (im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) nämlich nur dann entsprochen, wenn :

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Mitbeteiligten die Tat in so konkretisierter Umschreibung (Tatort, Tatzeit und Tathandlung) vorgeworfen sei, dass er in die Lage versetzt werde, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet sei, den Mitbeteiligten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die belangte Behörde könne in Anbetracht dieser Prämissen den Einwänden des Mitbeteiligten, die Tatzeit wäre nicht hinreichend konkretisiert worden, aus den oben angeführten Gründen nicht mehr mit Erfolg entgegentreten und habe deshalb diese Verletzung des in § 44a VStG normierten Konkretisierungsgebotes zu beachten.

Es sei dem Rechtsmittel des Mitbeteiligten schon wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung Erfolg beschieden, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen gewesen.

Zur Berufung der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, da das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsverfahren einzustellen gewesen sei, habe somit im Sinne des § 5 Abs. 1 Niederösterreichisches Polizeistrafgesetz der Kostenersatz zu entfallen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 31 Abs. 2 und § 32 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 158/1998, lauten:

"§ 31.

...

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben 1 Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

§ 32.

...

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Mitbeteiligten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und der gleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Mitbeteiligte davon keine Erkenntnis erlangt hat.

..."

§ 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, lautet:

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

..."

Zunächst ist vorauszuschicken, dass im gegenständlichen Verfahren betreffend die Einstellung wegen Verjährung allein strittig ist, ob es vor Ablauf der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG zu einer tauglichen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gekommen ist. Der unabhängige Verwaltungssenat vertrat die Auffassung, dass in der dem Mitbeteiligten zur Kenntnis gebrachten Anzeige die Tatzeit nicht ausreichend konkret im Sinne des § 44a VStG angegeben worden sei.

Die Beschwerdeführerin führte diesbezüglich aus, in ihrer Privatanklage vom 7. Mai 1998 habe sie klar und eindeutig ausgeführt, dass sie am 8. April 1998 um 8.00 Uhr festgestellt habe, dass ihr Hund entlaufen war, und dass sie sich daraufhin, sohin im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Feststellung des Loches im Zaun, zum Haus des Mitbeteiligten begeben habe, um ihren Hund heimzuholen. Es habe auf Grund dieser Ausführungen in ihrer Privatanklage jedermann, sowohl der Behörde als auch dem Mitbeteiligten klar sein müssen, dass der Tatzeitpunkt unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Feststellung des Loches im Zaun stehe, sohin kurz nach 8.00 Uhr des 8. April 1998 gewesen sei. Die Frage, in welcher Entfernung ihre Adresse von der des Mitbeteiligten entfernt liege, sei im gesamten Verfahren weder für sie noch für den Mitbeteiligten ein Streitpunkt gewesen, ihnen beiden sei bekannt, dass ihre beiden Anwesen in geringer räumlicher Nähe sich befänden, sodass es immer wieder zu unerfreulichen Kontakten gekommen sei. Die Ausführungen des Mitbeteiligten in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 1998, wonach er nicht wisse, was er an einem Werktag um 8.00 Uhr zu Hause hätte tun sollen und wenn er den Tatzeitpunkt (8.00 Uhr) bereits früher gewusst hätte, dann hätte er gar nicht den Versuch unternommen, eine Erklärung für die Vorwürfe der Beschwerdeführerin zu finden, stellten Schutzbehauptungen dar, die einerseits unter keinerlei Beweis gestellt worden seien und andererseits auch für die Entscheidung der belangten Behörde nicht von Relevanz hätten sein dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhalts mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtsfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11.525/A, oder das hg. Erkenntnis vom 22. November 1985, Zl. 85/18/0101).

Hinsichtlich der Anforderungen an eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987 ausgeführt, dass auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt werde, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet werde. Die Verfolgungshandlung müsse sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a lit. b (jetzt: Z 2) VStG beziehen. In gleicher Weise wurde im oben zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates Slg. Nr. 11.525/A ausgeführt, dass nach der Definition des § 32 Abs. 1 VStG die gegen die betreffende Person gerichtete Amtshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben müsse. Die Amtshandlung müsse sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/A, die Auffassung, der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG (betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses) sei dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis werde daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0148).

Davon ausgehend entspricht sowohl die dem Vertreter des Mitbeteiligten zur Kenntnis gebrachte Anzeige als auch das Straferkenntnis vom 5. Oktober 1998 (welches am 8. Oktober 1998 zugestellt wurde) den Anforderungen, die § 44a Z. 1 VStG betreffend die Individualisierung der als erwiesen angenommenen Tat stellt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann sich nämlich überdies, anders als bei dem Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch eines Strafbescheides gemäß § 44a lit. a (heute: § 44a Z. 1) VStG, der betreffende Tatvorwurf im Zusammenhang mit einer zu setzenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, wenn es sich dabei um einen Strafbescheid handelt, nicht nur aus dem Spruch, sondern in dessen Ergänzung auch aus der Begründung ergeben, weil auch daraus die Absicht der Behörde, einer Person wegen einer bestimmten ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu verfolgen, eindeutig hervorgeht. In einem solchen Fall ist dann allerdings die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) nicht nur berechtigt, sondern zwecks Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44a lit. a (jetzt: § 44a Z. 1) VStG verpflichtet, eine Konkretisierung im Spruch vorzunehmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1985, Zl. 85/02/0139).

Davon abgesehen wurde dem Vertreter des Mitbeteiligten im Juli 1998 Gelegenheit zur Akteneinsicht gegeben, in Zuge welcher dieser auch Einsicht in die Privatanklage nehmen konnte (wie sich aus der daraufhin erstatteten Stellungnahme ergibt, war insbesondere nicht zweifelhaft, dass sich der Vorwurf auf einen kurz nach 8.00 Uhr gelegenen Zeitpunkt bezog).

Eine taugliche Verfolgungshandlung lag somit zum einen in der Aufforderung an den Beschuldigten zur Rechtfertigung in Verbindung mit der im Zuge des Verfahrens erfolgten Akteneinsicht durch den Vertreter des Mitbeteiligten.

In der Privatanklage der Beschwerdeführerin war die Tatzeit mit dem 8. April 1998 angegeben und zwar näherhin nachdem die Beschwerdeführerin um 8.00 Uhr festgestellt habe, dass ihr Hund entlaufen war und sie sich daraufhin zum Anwesen des Mitbeteiligten begeben habe, um den Hund zurückzuholen.

In derselben Weise wurde die Tatzeit in der Begründung des Straferkenntnisses vom 5. Oktober 1998 umschrieben. Dieser Sachverhalt ist unbestritten.

Legt man die in der dargestellten Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Fassung des Spruches eines Straferkenntnisses in der für die Beurteilung, ob eine taugliche Verfolgungshandlung vorliegt, erforderlichen Modifizierung, nämlich

a) dass die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen sein muss, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Vorwurf geeignet sein muss, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden,

an die im Beschwerdefall gesetzten Amtshandlungen an, ergibt sich, dass dem Mitbeteiligten ausreichend klargemacht wurde, um welches Geschehen, an welchem Ort und zu welcher Zeit es ging. Der Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte, dass es zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte und zur Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung erforderlich gewesen wäre, auf die Minute genau anzugeben, wann die zum Gegenstand der Anzeige gemachte Beschimpfung erfolgt wäre.

Nach der Rechtsprechung ist nur nach den dargestellten Gesichtspunkten in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit. a (heute: § 44a Z. 1) VStG genüge oder nicht genüge, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lasse. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis werde daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes, sein.

Im Lichte dieser Rechtsprechung muss die Umschreibung der Tatzeit: "am 8. April 1998, nachdem die Beschwerdeführerin das Entlaufen des Hundes um 8.00 Uhr festgestellt und sich daraufhin zum Anwesen des Mitbeteiligten begeben hatte", jedenfalls als ausreichend angesehen werden.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführt hat, er wisse nicht, was er an einem Werktag um 8.00 Uhr zu Hause hätte tun sollen; aus dieser Unkenntnis des Tatzeitpunktes erkläre sich auch die Textierung seines Einspruches vom 5. Juli 1998, so genügt es festzustellen, dass die Uhrzeit 8.00 Uhr in der oben dargestellten Weise bereits in der Privatanklage enthalten war und - was offenbar die belangte Behörde übersehen hat - der Mitbeteiligte selbst bereits in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 1998 auf diese Uhrzeit eingegangen ist.

Es lag somit eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vor.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Dezember 2001

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" BegriffInhalt der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000100024.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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