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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §69 Abs2 idF 1992/048;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Hargassner, Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger-Heis, über die Beschwerde der Kaffee-Erlebnis-Museum Errichtungsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Renate Wimmer, Rechtsanwalt in Wien I, Operngasse 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. Juni 2001, Zl. MD-VfR-B VI- 2/2001, betreffend eine Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2001/05/0019, verwiesen. Aus diesem ist für das gegenwärtige Beschwerdeverfahren wesentlich, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den
6. Bezirk vom 30. Oktober 1998 gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und i der Bauordnung für Wien (BO) die Bewilligung für Abweichungen von Bebauungsvorschriften erteilt worden war. Mit Bescheid vom 6. November 1998 hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, auf Grund dieser Bewilligung der Abweichungen von Bebauungsvorschriften der Beschwerdeführerin die beantragte Baubewilligung für Um- und Zubauten betreffend den Flakturm im Esterhazypark erteilt. Dieser Bewilligung zufolge sollte der Flakturm um vier Geschosse aufgestockt werden, in diesem Aufbau sollten Ausstellungsräumlichkeiten, ein Veranstaltungssaal sowie ein Restaurantbetrieb eingerichtet werden. Für die Erschließung dieser Geschosse sollte von der Ostseite des Objektes ein Turm mit Stiegen- und Aufzugsanlagen, der auf einem zweigeschossigen Eingangsbauwerk ruht, geschaffen werden, wobei die Verbindung zum Bestand bzw. Neubau mittels brückenartiger Übergänge erfolgen sollte. An der Westfassade sollte ab der Höhe des zweiten Stockes ein rund 20 m hoher, im Querschnitt dreieckförmiger, erkerartiger Vorbau mit einer Basisbreite von rund 11 m ausgeführt werden. Von dieser Baubewilligung wurde insofern Gebrauch gemacht, als das Tropenhaus vom Haus des Meeres errichtet wurde. In der Folge ist der Mietvertrag der Beschwerdeführerin mit der Stadt Wien über die Obergeschosse des Flakturmes dahingehend abgeändert worden, dass das Mietobjekt nunmehr auch zum Betrieb eines Hotels vermietet wurde.
Mit Eingabe vom 19. Mai 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die Genehmigung zum Bau eines Hotels. Dieses Vorhaben wich von jenem, das mit Bescheid vom 6. November 1998 bewilligt wurde, im Wesentlichen durch eine Vergrößerung unterirdischer Gebäudeteile sowie den teilweise geänderten Verwendungszweck (auch Hotel) ab. Nach positiven Äußerungen der für Stadtbildfragen zuständigen Magistratsabteilung 19 hat der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 6. Bezirk mit Bescheid vom 27. Juli 2000 die beantragte Bewilligung der Abweichungen gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und h BO nicht erteilt. Mit Bescheid vom 10. August 2000 hat hierauf der Magistrat der Stadt Wien die beantragte Baubewilligung versagt, dies mit der Begründung, dass für das Bauvorhaben eine Bewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit a und h BO erforderlich wäre, diese Bewilligung aber nicht erteilt worden sei. Auf Grund der gegen beide Bescheide erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. Dezember 2000 die erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die Behörden erster Instanz zurückverwiesen. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis vom 20. April 2001 den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen des § 69 BO vorlägen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich scheine.
In der Folge wurde das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Bereich Stadtteilplanung und Flächennutzung (MA 21A) eingeholt. In diesem Gutachten wurde im Wesentlichen ausgeführt, der derzeit gültige Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (Plandokument Nr. 6221) gehe von einer bestandsorientierten Festsetzung für den ehemaligen Flakturm aus, der als Sondergebiet mit einer zulässigen Gebäudehöhe + 83,74 m (über Wiener Null) ausgewiesen sei. Die Grenzfluchtlinie zur Abgrenzung des Sondergebietes sei an der östlichen und westlichen Seite jeweils etwas weiter gefasst als die bebaute Fläche bzw. Abstandsfläche am Niveau, jedoch etwas geringer, als die Projektionsfläche des Bauwerkes ergäbe. Die auskragende Plattform auf einer Höhe von ca. + 70 m (über Wiener Null) sei deshalb teilweise außerhalb des Sondergebietes gelegen. Eine Änderung dieser Bebauungsbestimmungen sei im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Projekt nicht in Aussicht genommen worden. Eine flächenmäßige Reduktion des Erholungsgebietes wäre aus der lokal gegebenen knappen Grünflächenversorgung in einer Zielabwägung nach den in § 1 Abs. 2 BO aufgelisteten Zielen nicht argumentierbar. Ebenso sei eine Schmälerung des Erholungs- und Nutzungswertes der Parkanlage nicht beabsichtigt. Die hinlänglich bestandsorientierte Abgrenzung des Sondergebietes und die sehr exakte Festsetzung der zulässigen Gebäudehöhe mit der absoluten Höhenkante + 83,74 m unterstreiche deutlich, dass das beabsichtigte örtliche Stadtbild mit dem bestehenden Stadtbild weitgehend ident sei. Ob die etwa 20 m betragende (beabsichtigte) Anhebung der Gebäudehöhe angesichts des klar ausgedrückten Erhaltungszieles für das örtlich beabsichtigte Stadtbild als unwesentlich betrachtet werden könne, bedürfe der juristischen Interpretation. In dem nun eingereichten Projekt als Hotel sei eine deutliche Vermehrung der Nutzfläche durch ein weiteres Geschoss in dem im Flakturm aufgesetzten Baukörper gegeben, weiters die Anordnung zusätzlicher Nutzflächen (mit Aufenthaltsräumen statt eines Foyers) im Aufnahmegebäude auf gewachsenem Grund sowie die Anordnung umfangreicher unterirdischer Baulichkeiten unter dem Grünland-Erholungsgebiet-Parkanlage bis an die Gumpendorferstraße. Aus den dargelegten Raumwidmungen sei zu schließen, dass es sich beim Aufbau, dem erdgeschossigen Aufnahmebauwerk und den unterirdischen, deutlich in die Parkfläche eingreifenden Baulichkeiten um eine funktionelle Einheit handle und sich das nunmehrige Projekt deutlich von der vorhergehenden Projektsvariante unterscheide. Gemeinsam mit den unterirdischen Projektsteilen ergäben sich Flächenausmaße, die keine geringfügige Überschreitung der Grenzfluchtlinie darstellten, sondern eine oberirdische und vor allem unterirdische Bebauung mit einer Nutzung, die im Grünland-Erholungsgebiet-Parkanlage, Grundfläche für öffentliche Zwecke, gemäß § 6 BO für Wien nicht zulässig sei.
Zu diesem Gutachten äußerte sich die Beschwerdeführerin ablehnend und wies darauf hin, dass die MA 19 (die für Stadtbildfragen zuständige Magistratsabteilung) eine positive Stellungnahme abgegeben habe.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2001 hat die belangte Behörde den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den
6. Bezirk vom 27. Juli 2000 behoben, der Bescheid der Magistratsabteilung 35 vom 10. August 2000 (Versagung der Baubewilligung) wurde bestätigt, der Hinweis auf § 69 BO unterblieb.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vorgesehene Überschreitung der festgesetzten Gebäudehöhe von mehr als 18 m bedeute eine Aufstockung des bestehenden Flakturmes (relative Höhe von 47,17 m) um nahezu 40 %; bezogen auf die absolute Höhe über Wiener Null von 83,74 m betrage die Überschreitung ca. 22 %. Überschreitungen in diesem Ausmaß seien als wesentlich anzusehen, schon wegen der vorgesehenen Überschreitung der Gebäudehöhe könne eine Bewilligung gemäß § 69 BO nicht erteilt werden. Das gegenständliche Projekt sehe die Errichtung von unterirdischen Lager- und Technikräumlichkeiten für das geplante Hotel im Ausmaß von ca. 500 m2 sowie einen ca. 350 m2 großen zweigeschossigen Empfangsbereich im Erholungsgebiet-Parkanlage vor. Es bedürfe keiner weiteren Erläuterungen, dass damit dem Widmungszweck gemäß § 6 Abs. 2 BO widersprochen werde. Eine bebaute Fläche in dem dargestellten Ausmaß, die für widmungsfremde Zwecke in Anspruch genommen werden solle, könne keinesfalls mehr als geringfügig angesehen werden. Der Umfang der unwesentlichen Abänderung werde damit überschritten, die Entscheidung des Bauausschusses sei daher wegen Unzuständigkeit ersatzlos zu beheben gewesen, da Bauausschüsse gemäß § 133 BO nur die Kompetenz hätten, über unwesentliche Abweichungen zu entscheiden. Die Entscheidung der Magistratsabteilung 35 sei zu bestätigen gewesen. Die Versuche der Beschwerdeführerin in ihrer ergänzenden Stellungnahme, die Abweichungen des nunmehrigen Projektes insofern als unwesentlich darzustellen, als zum Vergleich ein im Jahre 1998 eingereichtes und auch rechtskräftig bewilligtes Projekt herangezogen werde, seien rechtlich unzutreffend, habe doch schon der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. April 2001 darauf verwiesen, dass die Bauoberbehörde für Wien ohne Gebundenheit an den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung vom 30. Oktober 1998 zu beurteilen habe, ob für das neue Bauprojekt die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 2 BO vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt, wurde mit der Eingabe vom 19. Mai 2000 kein Planwechsel im Sinne des § 73 BO beantragt, wegen der geplanten Zubauten (vor allem im Kellerbereich) wäre eine Planwechselbewilligung auch gar nicht möglich gewesen. Da gegenständlich ein Projekt eingereicht wurde, das vom Bescheid vom 6. November 1998 unabhängig war, war daher die Behörde gehalten, ohne rechtliche Gebundenheit an eine Bewilligung, die in einem anderen Verfahren erteilt wurde, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 69 BO vorliegen.
Gemäß § 69 Abs. 2 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 48/1992 darf durch Abweichungen nach Abs. 1 die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischer Weise entsteht. Im Übrigen darf, abgesehen von den unter Abs. 1 lit. a bis o näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung einer zeitgemäßen Ausstattung des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.
Die Wiener Bauordnung selbst enthält keine Ausführungen zum Begriff der unwesentlichen Abweichungen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesem Begriff schon wiederholt auseinander gesetzt. In seinem Erkenntnis vom 9. November 1999, Zl. 99/05/0026, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Ausnahme gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO eine wesentliche Abweichung nur dann zu Recht behauptet werden kann, wenn der Abweichung eine den derzeit geltenden Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz innewohnt. Dieselbe Aussage hat der Gerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26. April 1994, Zl. 93/05/0298, und vom 19. September 2000, Zl. 2000/05/0128, getroffen. Dem zuletzt genannten Erkenntnis lag eine ca. 32 m lange Hoffront eines Gebäudes zu Grunde, wobei lediglich auf einer Frontlänge von 1,5 m im Ausmaß eines Aufzugzubaues von wenigen Quadratmetern die Gebäudehöhe überschritten werden sollte. Die Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe an sich betrug zwar, ausgehend von der festgesetzten Gebäudehöhe von 4,5 m, insgesamt 14,9 m. Bezogen auf den vorhandenen, konsensgemäßen Baubestand betrug die Überschreitung der Gebäudehöhe aber nur 2,9 m. Unter Bedachtnahme auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Höhenüberschreitung nur in einem kleinen Teil, nämlich 6 % der Hoffront erfolgte, wurde von einer unwesentlichen Abweichung im Sinne des § 69 Abs. 2 BO ausgegangen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. April 1998, Zl. 97/05/0296, zu § 69 Abs. 2 BO nicht ausgesprochen, dass erst eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 90 % eine unwesentliche Abweichung darstelle, vielmehr wurde in diesem Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Überschreitung der Gebäudehöhe um 90 % jedenfalls eine wesentliche Abweichung darstellt.
Im Beschwerdefall ragt der bestehende Turm mit einer Höhe von 47,17 m weit über die umliegende geschlossene Bebauung, in der die Bauklasse IV bis 21 m verwirklicht wird. Im Beschwerdefall soll nun der gesamte Flakturm um ca. 18 m erhöht werden, die Gebäudehöhe soll eben hier nicht nur in einem kleinen Bereich der Frontlänge überschritten werden, weshalb eine wesentliche Abweichung von den Bebauungsbestimmungen vorliegt.
Schon wegen der festgesetzten Gebäudehöhe und des konsentierten Baubestandes kann daher der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die beantragte Abweichung als wesentlich und daher als nicht genehmigungsfähig im Sinne des § 69 Abs. 2 BO beurteilt hat. Liegt aber keine unwesentliche Abweichung vom Bebauungsplan vor, sondern eine wesentliche, dann ist für eine Entscheidung des Bauausschusses der jeweiligen Bezirksvertretung kein Raum mehr. Bei dieser Rechtslage ist es auch unerheblich, ob die geplante Bauführung positive oder negative Auswirkungen auf das Stadtbild hätte. Dass der Empfangsbereich, der im "Erholungsgebiet-Parkanlage" geplant ist, auf Flächen errichtet werden soll, die derzeit schon asphaltiert sind, hat keinen Einfluss auf die Widmungswidrigkeit der geplanten Bauführung.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Dezember 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001050751.X00Im RIS seit
04.03.2002