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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §45 Abs2 idF 1994/518;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des H in F, vertreten durch Dr. Christian Prader, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. September 1999, Zl. I-5830/1999, betreffend Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4a StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für einen näher umschriebenen Bereich einer Kurzparkzone in Innsbruck nach § 45 Abs. 4a StVO 1960 abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, dass mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck die Gebiete (Zonen) und Personenkreise betreffend die Erteilung von Ausnahmebewilligungen u.a. gemäß § 45 Abs. 4a StVO 1960 bestimmt werden und der Beschwerdeführer dem im § 3 dieser Verordnung genannten Personenkreis der Pendler zuzuordnen sei. Es stehe fest, dass die letzte ganzjährig von Montag bis Sonntag mögliche Verbindung nach F (dem Wohnort des Beschwerdeführers) jene um 22.05 Uhr vom Innsbrucker Hauptbahnhof sei. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich ausgeführt, dass es ihm wegen des bestehenden Mietvertrages und der darin festgehaltenen Betriebspflicht bis 22.00 Uhr nicht möglich sei, den Bus um 22.05 Uhr zu erreichen. Bei Betrachtung der Öffnungszeiten des Betriebes würde sich nach den Angaben des Beschwerdeführers eine Betriebspflicht von 66 Stunden pro Woche ergeben. Dies könne jedoch nicht bedeuten, dass die Betriebspflicht der Dienstzeit gleich gesetzt werden könne. Diese Überlegungen führten im Ergebnis dazu, dass die belangte Behörde die Argumente des Beschwerdeführers in der Weise nicht berücksichtigen könne, dass davon ausgegangen werden könne, ohne "Parkerlaubnis" wäre die Tätigkeit des Beschwerdeführers erheblich erschwert bzw. gänzlich unmöglich. Der Verweis des Beschwerdeführers "auf die 9. StVO-Novelle" (gemeint wohl die 19. StVO-Novelle) im Zusammenhang mit § 45 StVO 1960 und des der Berufung beigeschlossenen Judikates (des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1997, Zl. 96/03/0361) sei nach Ansicht der belangten Behörde im Gegenteil eine weitere Bestätigung der Begründung der Erstbehörde, die ausgeführt habe, dass die beantragte Ausnahmebewilligung nur erteilt werden könne, wenn im Umkreis der Arbeitsstätte von höchstens 10 Minuten Wegstrecke keine Parkmöglichkeit für Dauerparker zur Verfügung stünde. Das Vorhandensein der Parkgarage im "Landhaus" bzw. beim "Adambräu" schließe daher die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von vornherein aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 45 Abs. 4a StVO 1960 (in der Fassung der 19. StVO-Novelle) lautet:
"(4a) Eine Bewilligung kann für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z. 1 angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren im notwendigen zeitlichen Ausmaß erteilt werden, wenn der Antragsteller zu dem in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z. 2 umschriebenen Personenkreis gehört und
1. Zulassungsbesitzer oder Leasingnehmer eines Kraftwagens ist oder nachweislich einen arbeitgebereigenen Kraftwagen beruflich benützt und
2. entweder die Tätigkeit des Antragstellers ohne Bewilligung erheblich erschwert oder unmöglich wäre, oder die Erteilung der Bewilligung im Interesse der Nahversorgung liegt."
Die Beschwerde ist schon insofern begründet, als unter Hinweis auf Messiner, StVO 10, S. 818, vorgebracht wird, es könne entgegen der bisherigen Judikatur nicht mehr ohne weiteres auf die zumutbare Verwendung eines Taxis oder die Miete eines privaten Abstellplatzes im bezeichneten Gebiet verwiesen werden. Unter Zugrundelegung der Ansicht der belangten Behörde könnten in Innsbruck überhaupt keine derartigen Parkbewilligungen erteilt werden und wären sohin die diesbezüglichen Regelungen vollkommen entbehrlich bzw. geradezu absurd, weil man grundsätzlich von jedem Ort in Innsbruck aus innerhalb von 10 Minuten zu Fuß eine Parkmöglichkeit für Dauerparker erreichen könne.
Die in der Beschwerde genannte Literaturstelle lautet:
"Da Personen, die in dem in der GebietsabgrenzungsV gemäß § 43 Abs 2a Z 2 bezeichneten Gebiet ständig tätig sind, nach der
19. StVO-Nov nicht mehr verpflichtet sind, ihr erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Erteilung der Ausnahmebewilligung iSd § 45 Abs 2 nachzuweisen, dürfen sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs 4a auch nicht mehr wie bisher (s. VwGH 4.2.1994, 93/02/0279) ohne weiteres auf die zumutbare Verwendung eines Taxis oder die Miete eines privaten Abstellplatzes im bezeichneten Gebiet verwiesen werden."
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich im Ergebnis dieser Rechtsmeinung insofern an, als nunmehr - und anders als in der (bisherigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 2 StVO 1960 (unter dem Blickwinkel eines "strengen Maßstabes", vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. November 1999, Zl. 99/02/0253) - eine an sich gegebene "erhebliche Erschwernis" nicht ohne weiteres zu verneinen ist, wenn es die Möglichkeiten der zumutbaren Verwendung eines Taxis oder der Miete eines privaten Abstellplatzes im bezeichneten Gebiet gibt. So heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur 19. StVO-Novelle (1580 BlgNR 18. GP, wiedergegeben bei Messiner, a.a.O., S. 817 f):
"... Der Antrag hat eine Begründung für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs 4a sowie die erforderlichen Beweismittel zu enthalten. Die Tätigkeit des Antragstellers müßte demnach ohne Bewilligung erheblich erschwert oder unmöglich sein. Erheblich erschwert wäre die Tätigkeit beispielsweise dann, wenn sie zwar möglich wäre, aber die vom Antragsteller durchzuführende Tätigkeit ständig oder wiederholt unterbrochen werden müßte, um das Fahrzeug etwa aus dem Kurzparkzonenbereich zu entfernen und dabei auch längere Strecken zu Fuß zurückgelegt werden müßten; das wird vor allem bei jenen Tätigkeiten der Fall sein, die erfahrungsgemäß nicht innerhalb der in der betreffenden Kurzparkzone zulässigen Höchstparkdauer abgeschlossen werden können.
Von einer erheblichen Erschwernis wird auch dann gesprochen werden können, wenn die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zur Erreichung des Arbeitsplatzes nicht (Schichtarbeiter) oder nur mit einem unzumutbar langen Zeitaufwand möglich wäre. ..."
In Kenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 2 StVO 1960 werden also in den Materialien Beispiele angeführt, wann die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4a StVO 1960 berechtigt sei, ohne dass die Verwendung eines Taxis oder die Miete eines privaten Abstellplatzes als - die Erteilung der Ausnahmebewilligung ausschließende - zumutbare Alternativen genannt würden. Es ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber die Anwendung eines so strengen Maßstabes, wonach die Möglichkeit der Verwendung eines Taxis oder der Miete eines privaten Abstellplatzes jedenfalls die Verneinung einer "erheblichen Erschwernis" zur Folge hat (wie dies die belangte Behörde getan hat), nicht beabsichtigt hat.
Die belangte Behörde verkannte somit schon deshalb die Rechtslage.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides vermag aber auch nicht von den Begründungsdarlegungen der belangten Behörde getragen zu werden, wonach die Erreichung des Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln derart möglich sei, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers weder erheblich erschwert noch gänzlich unmöglich wäre.
In der Beschwerde wird diesbezüglich vorgebracht, es ergebe sich aus dem (vorgelegten) Mietvertrag unzweifelhaft, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, während der Betriebszeiten sechs Mal in der Woche bis 22.00 Uhr offen zu halten. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer - bei Privatbetrieben durchaus nicht ungewöhnlich - auch während der gesamten Öffnungszeiten anwesend und sei dies auch notwendig, weil er allein über die entsprechende Qualifikation verfüge. Dass aber bei Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr in aller Regel eine tatsächliche Schließung des Betriebes zu diesem Zeitpunkt nicht bewerkstelligt werden könne, entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Daraus resultiere, dass es für den Beschwerdeführer wohl nur in Ausnahmefällen möglich sei, den Bus um 22.05 Uhr zu erreichen, zumal dieser ja auch nicht unmittelbar neben seinem Betrieb halte.
Die belangte Behörde zog sich bei ihrer Argumentation darauf zurück, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers eine Betriebspflicht von 66 Stunden pro Woche bestünde, weshalb die Betriebspflicht mit der Dienstzeit nicht gleich gesetzt werden könne. Eine nähere Begründung für diesen Schluss wird nicht gegeben und dieser sowie die daran geknüpfte Folgerung der Verneinung einer erheblichen Erschwernis der Tätigkeit des Beschwerdeführers sind für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.
Der angefochtene Bescheid war daher aus dem oben genannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Dezember 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999030412.X00Im RIS seit
05.03.2002