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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ALSAG 1989 §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der X-GmbH in D, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Dr. Michael Brandauer und Mag. Johannes Blum, Rechtsanwälte in Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 2. Jänner 2001, Zl. 31 3606/98-III/1 U/00-Au, betreffend Feststellung nach § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Hauptzollamt Feldkirch, 6800 Feldkirch, Reichsstraße 151), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 3. Dezember 1998 beantragte das Hauptzollamt Feldkirch bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) unter Berufung auf § 10 des Altlastensanierungsgesetzes, BGBl. Nr. 299/1989 (ALSAG) die Erlassung eines Feststellungsbescheides "betreffend der von der X-Ges.m.b.H., D, betriebenen Deponie" darüber
a) ob es sich bei dem in der Deponie abgelagerten gepressten Klärschlamm um Abfall handelt,
b) ob es sich bei dem in der Deponie (Becken IV) abgelagerten Trockengranulat um Abfall handelt,
c) ob es sich um Abfälle, die dem Altlastenbeitrag unterliegen, handelt und welcher Beitragsatz nach dem ALSAG gegebenenfalls zur Berechnung des Altlastenbeitrags heranzuziehen wäre bzw. ob die Voraussetzungen dafür vorlägen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 ALSAG nicht anzuwenden.
Gleichzeitig wurde unter Berufung auf § 9a ALSAG ersucht, bekannt zu geben, welche Mengen an gepresstem Klärschlamm seit 1. Jänner 1990 in die Deponie eingebracht worden seien bzw., sollte es sich beim Trockengranulat um Abfall im Sinne des ALSAG handeln, seit wann die Ablagerung von Trockengranulat erfolgt sei und welche Mengen bis August 1998 (bis zur gewerbebehördlichen Genehmigung hinsichtlich der Verwendung des Beckens IV als Nährstoff- und Produktdepot) im Becken IV abgelagert worden seien.
Die BH holte je ein Gutachten eines abfalltechnischen/chemisch-technischen Amtssachverständigen und eines deponiebautechnischen Amtssachverständigen ein.
Der abfalltechnische/chemisch-technische Amtssachverständige kam in seinem Gutachten vom 5. Februar 1999 zu dem Ergebnis, die Umstände der Erzeugung, Lagerung und Anwendung von Klärschlamm-Trockengranulat der beschwerdeführenden Partei ließen eine Entledigungsabsicht (auch hinsichtlich des bereits seit 1991 im Becken IV eingelagerten Granulates) sowie ein öffentliches Interesse an der Erfassung und Behandlung des Trockengranulates (solange es die Produktspezifikation nach der Klärschlammverordnung einhalte) nicht erkennen.
Der deponietechnische Amtssachverständige kam zum gegenteiligen Ergebnis. Er begründete seine Auffassung damit, das Becken IV, in welchem das Trockengranulat gelagert werde, sei mit Bescheid der BH vom 9. Juni 1988 als Deponie für getrockneten Klärschlamm (Trockengranulat) genehmigt worden. Die Abwasserreinigungsanlage der beschwerdeführenden Partei diene primär der Reinigung der verschmutzten Abwässer aus der Stadt D und der Gemeinde Sch. Menge und Qualität des dabei anfallenden Klärschlammes seien ausschließlich von Menge und Belastung des zu reinigenden Abwassers abhängig. Die beschwerdeführende Partei könne den Klärschlamm nicht in Abhängigkeit von der Nachfrage produzieren; bei großer Nachfrage könne die Produktion ebenso wenig gesteigert werden wie sie bei fehlender Nachfrage eingestellt werden könne. Bei ungeschützter Lagerung sei der Klärschlamm geeignet, durch die Freisetzung von wasserlöslichen Salzen und organischen Verbindungen erhebliche Gewässerverunreinigungen hervorzurufen. Aus diesem Grund sei die Erfassung und Behandlung des Klärschlammes als Abfall im öffentlichen Interesse geboten.
Die beschwerdeführende Partei reagierte darauf mit dem Hinweis, es habe hinsichtlich der im Becken IV gelagerten Stoffe keine Entledigungsabsicht bestanden.
Am 27. Oktober 2000 wurde durch den Sachverständigen Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Peter L von der Universität für Bodenkultur ein Gutachten abgegeben. Diesem Gutachten zufolge handelt es sich bei den in Frage stehenden Materialien nicht um Abfälle im Sinne des AWG. Das Klärschlammgranulat unterschreite die Grenzwerte der Klärschlammverordnung für das Land Vorarlberg bei weitem. Die Schwermetallgehalte seien unbedenklich. Eine Verlagerung von Schwermetallanteilen in den Boden könne ausgeschlossen werden. Auf Grund des steigenden Absatzes solle mittelfristig auch das bestehende Produktzwischenlager aufgebraucht sein.
Mit Bescheid vom 21. November 2000 traf die BH folgende auf § 10 ALSAG gestützte Feststellungen:
"I.
Das in der X-GmbH D, im Becken IV auf GST.-NR. 1159/1, KG D, gelagerte Trockengranulat ist kein Abfall und unterliegt somit nicht dem Altlastenbeitrag.
II.
Der auf § 10 Altlastensanierungsgesetz gestützte Antrag des Hauptzollamtes Feldkirch festzustellen, ob es sich beim in der Deponie abgelagerten gepressten Klärschlamm um Abfall handelt, wird als unzulässig zurückgewiesen."
Dieser Bescheid wurde der belangten Behörde vorgelegt. Diese befasste einen abfalltechnischen Amtssachverständigen mit der Frage, ob das in Rede stehende Trockengranulat als Abfall im Sinne des ALSAG einzustufen sei oder nicht.
Der Amtssachverständige bejahte die Abfalleigenschaft.
In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten bestritt die beschwerdeführende Partei, dass ihr Trockengranulat Abfall sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. Jänner 2001 hob die belangte Behörde Spruchpunkt I des Bescheides der BH vom 21. November 2000 (Feststellung, dass das Trockengranulat kein Abfall ist) ersatzlos auf.
In der Begründung heißt es, wie das Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben habe, sei das gegenständliche Klärschlammgranulat seit 7. Februar 1992 in eine genehmigte Deponie eingebracht worden. Beim Einbringen von Sachen in eine Deponie sei grundsätzlich von einer Entledigungsabsicht des Abfallbesitzers auszugehen. Das Einbringen von Abfällen in eine Deponie stelle ein langfristiges Ablagern von Abfällen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 ALSAG dar. Der Feststellungsbescheid der BH vom 21. November 2000 sei daher in seinem Inhalt rechtswidrig.
Auch im Rahmen des EU-Abfallrechts stelle Klärschlamm (und Klärschlammgranulat) Abfall dar.
Sowohl im österreichischen als auch im Europäischen Abfallrecht richte sich die Abfalleigenschaft eines Stoffes nicht danach, ob es einen entsprechenden Eintrag im Abfallverzeichnis gebe oder nicht, sondern danach, ob sich der Besitzer dieses Stoffes entledigen wolle oder müsse.
§ 2 Abs. 3 AWG sehe ausdrücklich vor, dass die Abfalleigenschaft eines Altstoffes erst dann ende, wenn dieser oder die aus ihm gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden.
Bei der Verwendung der gegenständlichen Materialien zur Düngung finde die Zuführung zur Verwertung erst mit dem tatsächlichen Einsatz als Dünger statt. Die Möglichkeit, das aus dem Klärschlamm gewonnene Granulat einer Verwertung zuzuführen, reiche keineswegs aus, um von einem Ende der Abfalleigenschaft sprechen zu können.
Im Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen werde belegt, dass die Erfassung und Behandlung des Klärschlammgranulates als Abfall somit im Sinne von § 1 Abs. 3 AWG im öffentlichen Interesse geboten sei.
Der Sachverhalt sei im Bescheid der BH unrichtig festgestellt worden.
Gemäß Düngemittelgesetz könnten Düngemittel, Bodenhilfsstoffe und Kultursubstrate - auch wenn sie aus Abfällen hergestellt seien - grundsätzlich als Produkt in Verkehr gebracht werden. Da jedoch Klärschlamm im § 5 Abs. 2 Düngemittelgesetz ausdrücklich als Ausgangsstoff für Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel verboten sei, komme ein Enden der Abfalleigenschaft auf Basis der Bestimmungen des Düngemittelgesetzes nicht in Betracht. Somit sei auch der Verweis auf den Feuchteregulator "Humifix" im Gutachten der Universität für Bodenkultur unbeachtlich.
Zur Frage des Endens der Abfalleigenschaft könnten die in § 2 Abs. 3a AWG festgelegten Anforderungen zur Auslegung herangezogen werden. Demnach sei für ein Enden der Abfalleigenschaft notwendig, dass ein Markt vorhanden sei und entsprechende Qualitätskriterien vorlägen.
Das Bundesgebiet bilde ein einheitliches Wirtschaftsgebiet. Um ein Enden der Abfalleigenschaft im Sinne des AWG bewirken zu können, reiche es daher nicht aus, wenn in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Qualitätsanforderungen bestünden und diese in einem Bundesland eingehalten würden. Derzeit existierten für Klärschlammgranulat keine österreichweit geltenden Qualitätsanforderungen als Grundlage für ein österreichweit vermarktbares Produkt.
Durch das Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen ergebe sich schlüssig und nachvollziehbar, dass ein Markt entsprechend den Anforderungen des § 2 Abs. 3a AWG nicht existiere. Das Klärschlammgranulat sei daher kein Produkt, sondern stelle auch aus diesem Grund Abfall dar. Der Feststellungsbescheid der BH sei daher inhaltlich rechtswidrig.
Es sei nicht dem Gutachten der Universität für Bodenkultur und des abfalltechnischen/chemisch-technischen Amtssachverständigen zu folgen gewesen, sondern dem Gutachten der abfalltechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde.
Dem Gutachten des deponietechnischen Amtssachverständigen sei, soweit es für dieses Stadium des Verfahrens relevant gewesen sei, zu folgen gewesen.
Auf Grund der Einbringung der gegenständlichen Abfälle in eine Deponie sei von einem beitragspflichtigen langfristigen Ablagern von Abfällen der Kategorie "alle übrigen Abfälle" auszugehen. Im Jahr 1997 gebe es erste Hinweise auf eine geplante Zwischenlagerung und spätere stoffliche Verwertung der vom Feststellungsverfahren betroffenen Abfälle (Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 25. November 1997). Nach Mitteilung der beschwerdeführenden Partei sei die gegenständliche Deponie als Nährstoff- und Produktdepot am 14. August 1998 gewerberechtlich genehmigt und es seien im Jahr 2000 Materialien aus dem Becken IV entnommen worden.
Die Behörde erster Instanz werde in einem fortgesetzten Ermittlungsverfahren zu klären haben, ab welchem Zeitpunkt allenfalls ein beitragsfreies Lagern von Abfällen, die für eine stoffliche Verwertung bereitgehalten werden, vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, Adressat einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme nach § 10 Abs. 2 ALSAG müsse die Erstbehörde sein. Ein aufhebender Bescheid müsse dieser daher innerhalb der in § 10 Abs. 2 ALSAG vorgesehenen sechs Wochen zugestellt worden sein. Eine Zustellung des bekämpften Bescheides in der genannten Frist an die BH sei jedoch nicht erfolgt; das Recht der belangten Behörde zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides sei somit verfristet.
Nach § 10 Abs. 1 ALSAG hat die Behörde (§ 21) in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,
1.
ob eine Sache Abfall ist,
2.
ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3.
welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 oder 5 oder welcher Deponietyp gemäß § 5 Abs. 4 vorliegt,
4. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden.
Nach § 10 Abs. 2 ALSAG ist der Bescheid unverzüglich an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 Allgemeines Verfahrensgesetz (richtig: Verwaltungsverfahrensgesetz) 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn
1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder
2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.
Die Erstbehörde hat im Verfahren nach § 10 Abs. 2 keine Parteistellung. Auf die Zustellung des aufhebenden Bescheides des Bundesministers an die Erstbehörde kommt es nicht an. Die Sechswochenfrist ist gewahrt, wenn innerhalb dieser Frist der Bescheid der beschwerdeführenden Partei zugestellt wurde. Dies ist der Fall.
Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, § 10 Abs. 2 ALSAG sei unbeschadet des § 68 AVG anzuwenden. Dem gemäß sei die Einschränkung des § 68 Abs. 3 AVG, wonach nur in Wahrung des öffentlichen Wohles Bescheide von der Oberbehörde abgeändert werden dürfen, beachtlich. Der beschwerdeführenden Partei sei durch den Bescheid der BH ein Recht erwachsen; nach der Begründung des bekämpften Bescheides bestehe kein Grund, weshalb eine Aufhebung zur Wahrung des öffentlichen Wohles erforderlich wäre.
Die Wendung "unbeschadet des § 68 AVG" in § 10 Abs. 2 ALSAG bedeutet, dass § 68 AVG neben § 10 Abs. 2 weiter besteht. Nicht hingegen hat diese Wendung die ihr von der beschwerdeführenden Partei unterstellte Bedeutung.
Die beschwerdeführende Partei meint, es sei weder der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen worden, noch sei der Inhalt dieses Bescheides rechtswidrig. Dieser habe daher nicht aufgehoben werden dürfen. Bei dem in der Abwasserbeseitigungsanlage anfallenden Klärschlamm handle es sich um Abfall im Sinne des Art. 1a der Richtlinie 75/442/EWG. Diese Schlämme würden einem anerkannten Verfahren nach Anhang IIb R 3 der Abfallrichtlinie unterzogen. Produkt der Verwertung sei das Klärschlammgranulat. Dieses finde sich im Abfallverzeichnis der EU nicht. Das Klärschlammgranulat sei auch kein Schlamm im Sinne der Richtlinie über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft. Abfall nach europarechtlichen Vorschriften könne aus diesem Grund nicht vorliegen.
Die beschwerdeführende Partei habe niemals beabsichtigt, sich des Granulats zu entledigen. Sie habe ein handelbares Produkt hergestellt. Auch die Erfassung des Granulates im öffentlichen Interesse sei nicht geboten. Durch die Zuführung des Klärschlammes in die Wirbelschichttrocknung und die dort erfolgende Behandlung werde ein Stoff gewonnen, der zulässigerweise als Düngemittel oder auch thermischer Brennstoff oder in anderer Weise verwendet werden könne. Ähnlich wie bei Kunststoffgranulat entstehe durch die Verarbeitung ein neues Produkt, welches wiederum kommerziell verwendet werden könne. Altstoffe unterlägen nicht dem ALSAG.
Wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt werde, dass kein Absatz für das Produkt bestehe, sei dies aktenwidrig, da im Bescheid selbst ausgeführt werde, dass 1999 bereits 95 % des erzeugten Granulates hätten verwertet werden können.
Beim Granulat handle es sich um ein Düngemittel im Sinne der Klärschlammverordnung.
Unrichtig sei die Feststellung, dass das Klärschlammgranulat in eine Deponie eingebracht werde. Es werde vielmehr in einem gewerbebehördlich genehmigten Zwischenlager untergebracht. Eine Gefährdung für die Umwelt würde vom Granulat nur ausgehen, wenn mit diesem unsachgemäß umgegangen würde. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies jemals der Fall gewesen sei. Verwertet werde der Klärschlamm bereits mit der Verarbeitung im Wirbelschichtverfahren, nicht erst mit der Aufbringung in der Landwirtschaft.
Nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist, bezieht sich die im Spruch dieses Bescheides getroffene Feststellung auf den Zeitraum Jänner 1990 bis 9. Dezember 1998.
In diesem Zeitraum erfuhr das ALSAG zahlreiche Änderungen, die zum Teil auch den Abfallbegriff betrafen.
Bei der Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 ALSAG stellt die zeitliche Komponente des beitragspflichtigen Sachverhaltes ein von der Feststellungsbehörde zu beachtendes wesentliches Element dar. Geht es im Feststellungsverfahren um die Frage, ob eine Sache Abfall und/oder welcher Abfallkategorie sie zuzuordnen ist, dann darf sich der Feststellungsbescheid nicht auf die Beurteilung der Beschaffenheit der Sachen beschränken, die zum Beurteilungszeitpunkt in der Deponie liegen, sondern muss vielmehr aussprechen, ob im Falle des Deponierens von Abfällen im Sinne des § 3 Z. 1 ALSAG in der Stammfassung und der entsprechenden beitragspflichtigen Tatbestände des § 3 Abs. 1 ALSAG in der Fassung BGBl. 201/1996 die vom jeweiligen, zeitlich zu fixierenden Ablagerungsvorgang oder sonstigen beitragspflichtigen Sachverhalt betroffene bewegliche Sache Abfall und/oder Abfall welcher Kategorie war. Das bedeutet die Obliegenheit zur Anwendung jener Rechtslage, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. August 1998, 97/07/0174).
Das ALSAG in seiner Stammfassung definierte im § 2 Abs. 4 und 5 Z. 1 den Abfallbegriff - soweit er für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist - wie folgt:
"(4) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,
1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
2. deren Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (Abs. 7) geboten ist.
Die Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
(5) Nicht als Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten:
1. Abfallstoffe, die als Sekundärrohstoffe einer Wiederverwendung oder stofflichen Verwertung zugeführt werden (Altstoffe);"
Durch die Novelle BGBl. Nr. 201/1996 erhielten § 2 Abs. 4 und 5 Z. 1 folgende Fassung:
"(4) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle gemäß § 2 Abs. 1 bis 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, in der jeweils geltenden Fassung, soweit Abs. 5 nicht anderes bestimmt.
(5) Nicht als Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten:
1. Abfälle, die einer Wiederverwendung oder stofflichen Verwertung zugeführt werden, ausgenommen Verfüllungen von Geländeunebenheiten und das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen sowie Baumaßnahmen des Deponiekörpers (z.B. Deponiezwischenabdeckungen, Fahrstraßen, Rand- und Stützwälle);"
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 96/1997 schließlich erhielt § 2 Abs. 5 Z. 1 ALSAG folgende Fassung:
"1. Abfälle, die einer Wiederverwendung, thermischen oder stofflichen Verwendung zugeführt werden, ausgenommen Verfüllungen von Geländeunebenheiten und das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen, einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen in die Baumaßnahmen des Deponiekörpers (z.B. Deponiezwischenabdeckungen, Fahrstraßen, Rand- und Stützwälle);"
Seit der ALSAG-Novelle 1996 verweist das ALSAG somit hinsichtlich des Abfallbegriffes grundsätzlich auf den Abfallbegriff des AWG.
Nach § 2 Abs. 1 AWG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,
1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.
Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
Nach § 2 Abs. 2 AWG ist eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,
1. als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2. so lange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder
3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.
Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwendung zugeführt (Altstoff), so gilt sie nach § 2 Abs. 3 AWG so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden.
Durch die AWG-Novelle BGBl. I Nr. 151/1998 wurde § 2 AWG u.a. durch einen Abs. 3a ergänzt. Danach kann unbeschadet des Abs. 3 und soweit dies mit den Zielen und Grundsätzen (§ 1) vereinbar ist, der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie (nunmehr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) mit Verordnung festlegen, unter welchen Voraussetzungen und für welchen Verwendungszweck bei bestimmten Abfällen die Abfalleigenschaft endet, einschließlich Art, Aufbau und Führung der dafür erforderlichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten (Abs. 3c und 3d). Eine derartige Verordnung kann nach Anhörung einer Reihe von im Gesetz näher bezeichneter Stellen nur erlassen werden, wenn
1. die Sache üblicherweise für diesen Verwendungszweck eingesetzt wird,
2.
ein Markt dafür existiert,
3.
Qualitätskriterien, welche die abfallspezifischen Schadstoffe berücksichtigen, insbesondere in Form von technischen oder rechtlichen Normen oder anerkannten Qualitätsrichtlinien vorliegen und
4. kein höheres Umweltrisiko von dieser Sache ausgeht als bei einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt.
Im Beschwerdefall geht es um die Abfalleigenschaft von in einem Becken einer als Deponie bewilligten Anlage abgelagertem Trockengranulat, welches als Dünger, aber auch für andere Zwecke verwendet werden soll.
Ausgangsstoff für dieses Trockengranulat ist Klärschlamm aus der Abwasserreinigungsanlage D.
Dass es sich bei diesem Ausgangsstoff um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG handelt, wird auch von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten. Das aus Klärschlamm gewonnene Trockengranulat wäre daher, soweit der allenfalls eine Beitragspflicht auslösende Sachverhalt nach der ALSAG-Novelle 1996 gesetzt wurde, nur dann nicht Abfall im Sinne des ALSAG, wenn entweder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AWG erfüllt wären oder ein Fall des § 2 Abs. 5 Z. 1 ALSAG vorläge.
Voraussetzung für das Enden der Abfalleigenschaft nach § 2 Abs. 3 AWG ist, dass das Ergebnis der Verwendung oder Verwertung ein marktfähiges Produkt ist, von dem überdies kein höheres Umweltrisiko ausgeht als bei einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 2001, 99/07/0177).
Das ALSAG in der Fassung vor der Novelle 1996 enthielt in seinem § 2 Abs. 4 zwar eine Abfalldefinition, regelte aber nicht, wann die Abfalleigenschaft endete. Aus Natur und Zweck dieses Abfallbegriffes, der mit § 2 Abs. 1 AWG übereinstimmt, folgt aber, dass auch im zeitlichen Geltungsbereich des Abfallbegriffes des § 2 Abs. 4 ALSAG die Abfalleigenschaft mit einer Verwendung oder Verwertung endet, deren Ergebnis ein marktfähiges Produkt ist, von dem kein höheres Umweltrisiko ausgeht als bei einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt.
Die belangte Behörde verneint die Produkteigenschaft des Trockengranulates mit der Begründung, aus dem Gutachten ihres Amtssachverständigen ergebe sich schlüssig und nachvollziehbar, dass ein Markt entsprechend den Anforderungen des § 2 Abs. 3a AWG nicht existiere.
Mit der Bezugnahme auf einen "Markt entsprechend den Anforderungen des § 2 Abs. 3a AWG" meint die belangte Behörde, ein Markt für ein als Abfall gewonnenes Produkt liege nur dann vor, wenn für dieses Produkt die Kriterien des § 2 Abs. 3a Z. 2 AWG erfüllt seien, das heißt Qualitätskriterien, welche die abfallspezifischen Schadstoffe berücksichtigen, insbesondere in Form von technischen oder rechtlichen Normen oder anerkannten Qualitätsrichtlinien vorliegen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 2001, 99/07/0177, ausgeführt hat, setzt das Vorliegen eines die Abfalleigenschaft einer Sache beendenden Produktes nicht voraus, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3a AWG erfüllt sind. Die Auffassung der belangten Behörde, ein Markt existiere nur dann, wenn für das Produkt auch der Tatbestand des § 2 Abs. 3a Z. 2 AWG erfüllt sei, ist daher unzutreffend. Die Kriterien des § 2 Abs. 3a AWG dienen lediglich dazu, Verordnungen zu determinieren, mit denen für bestimmte Kategorien von aus Abfall hergestellten Produkten das Ende der Abfalleigenschaft generell festgelegt wird.
Nicht näher begründet und daher nicht nachvollziehbar ist die Behauptung der belangten Behörde, erst mit dem Aufbringen des Trockengranulates auf Böden sei eine zulässige Verwendung gegeben. Entscheidend ist die Herstellung eines Produktes; ein solches kann das Trockengranulat auch schon vor der Aufbringung auf Böden darstellen.
Den Ausführungen zum Gemeinschaftsrecht im angefochtenen Bescheid, insbesondere den zitierten Urteilen des EuGH, ist nicht zu entnehmen, dass dem Trockengranulat auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften Abfalleigenschaft zukomme.
Dass das Trockengranulat in einer Anlage gelagert wird, die (auch) als Deponie genehmigt wurde, besagt für sich allein nicht, dass das Trockengranulat zwingend Abfall sein muss. Die beschwerdeführende Partei hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass diese Einrichtung als Zwischenlager benutzt wird.
Unklar ist die Aussage im angefochtenen Bescheid, dass dem Gutachten des deponietechnischen Amtssachverständigen der Erstbehörde zu folgen sei, "so weit es für dieses Stadium des Verfahrens relevant" sei. Sollten damit dessen Ausführungen über mögliche, vom Trockengranulat bei unsachgemäßer Lagerung ausgehende Gefahren gemeint sein, dann hätte sich die belangte Behörde mit den gegenteiligen Ausführungen im Gutachten der Universität für Bodenkultur auseinander zu setzen gehabt.
Der ebenfalls unklare Hinweis auf das Düngemittelgesetz, welches das Inverkehrbringen von Düngemitteln verbietet, die Klärschlamm enthalten, vermag schon deswegen für sich allein den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen, weil nach dem Gutachten der Universität für Bodenkultur das Trockengranulat für eine ganze Reihe von Einsatzmöglichkeiten vorgesehen ist, nicht nur als Düngemittel. Außerdem ist das Düngemittelgesetz erst mit 1. Oktober 1994 in Kraft getreten, während im Beschwerdefall auch Vorgänge (Ablagerungen/Lagerungen von Trockengranulat) zu beurteilen sind, die sich bereits vor diesem Zeitpunkt ereignet haben.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Dezember 2001
Schlagworte
SachverhaltsermittlungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Rechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungAuslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001070028.X00Im RIS seit
23.04.2002Zuletzt aktualisiert am
15.05.2013