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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §105;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 21. April 1976 geborenen M, vertreten durch Dr. Dieter Rautnig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 11/III, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1999, Zl. 864.075/3-III/16/99, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 26. April 1999, mit dem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 und 5 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.
Für die Einreise in das österreichische Bundesgebiet Anfang 1991 sei dem Beschwerdeführer nach der Begründung dieses Bescheides von der österreichischen Botschaft in Ankara ein bis 30. Jänner 1991 gültiger Sichtvermerk erteilt worden. In weiterer Folge habe er mehrmals befristete Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen erhalten. Zuletzt sei ihm am 29. Februar 1996 von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt worden.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1998 habe die Bundespolizeidirektion Graz gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG erlassen. Sie habe dies mit seiner am 9. Juni 1998 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz ausgesprochenen Verurteilung nach § 105 FrG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, wovon fünf Monate bedingt nachgesehen worden seien, begründet.
Die Bundespolizeidirektion Graz habe dazu näher ausgeführt, dass die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Schlepperei eine bestimmte Tatsache iSd § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 FrG darstelle, bei deren Vorliegen der Gesetzgeber ausgesprochen habe, dass der Aufenthalt des Fremden eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses an der Außerlandesschaffung gegenüber den Privatinteressen am weiteren Verbleib im Bundesgebiet sei die erstinstanzliche Behörde unter Zugrundelegung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zur Auffassung gelangt, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig stärker ins Gewicht fielen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
In seiner Berufung bringe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass der erstinstanzliche Bescheid zum einen auf Grund des textbausteinartigen Charakters der Begründung, zum anderen deshalb rechtswidrig sei, weil seine Verurteilung nach § 105 FrG zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Bundespolizeidirektion Graz nicht rechtskräftig gewesen sei.
Dem Berufungsvorbringen betreffend die mangelhafte Bescheidbegründung sei entgegenzuhalten, dass sich die Bundespolizeidirektion Graz mit dem gegenständlichen Sachverhalt detailliert auseinander gesetzt und sämtliche Aspekte für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere auch eine Abwägung nach § 37 FrG (Schutz des Privat- und Familienlebens) in ihrer Entscheidung berücksichtigt habe. Selbst wenn im gegenständlichen Fall die strafgerichtliche Verurteilung nach § 105 FrG zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Bundespolizeidirektion Graz nicht rechtskräftig gewesen sein sollte, ändere sich im Ergebnis nichts an der Zulässigkeit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 5 FrG. Wie sich aus den fremdenpolizeilichen Unterlagen, insbesondere aus den niederschriftlichen Einvernahmen sämtlicher Beteiligter, ergebe, habe der Beschwerdeführer an der Schleppung von sechs türkischen Staatsangehörigen mitgewirkt, indem er sie im Bereich der Autobahnauffahrt in Spielfeld nach vorheriger telefonischer Ankündigung in den von ihm gelenkten und ihm vom Schlepper zuvor überlassenen Pkw aufgenommen habe, um sie nach Graz zu bringen. Er habe somit den in § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG angeführten Tatbestand der Mitwirkung an der Schlepperei erfüllt. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei daher bereits allein aus diesem Grunde zulässig.
Die vom Landesgericht für Strafsachen Graz ausgesprochene Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Schlepperei sei darüber hinaus seit dem 15. September 1998 rechtskräftig, sodass das Aufenthaltsverbot auch auf § 36 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestützt werden könne. Gründe für die Unzulässigkeit dieser Maßnahme iSd § 38 FrG lägen nach der Aktenlage nicht vor.
Die Abwägung gemäß § 37 FrG zwischen dem Eingriff in das Privat- und Familienleben einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit andererseits führe ebenfalls zur Beurteilung der Zulässigkeit des verhängten Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer sei ohne Beschäftigung. Mit Ausnahme seines Vaters, der in Oberösterreich lebe, seien sämtliche Angehörige, auch seine Ehegattin, in der Türkei aufhältig. Dem stehe ein Vergehen gegenüber, das seiner Art und Weise nach geeignet sei, die öffentliche Sicherheit zu gefährden, da Schlepperei nicht nur eine Ausbeutung hilfloser Menschen darstelle, sondern auch das Unterlaufen von staatlichen Lenkungsmaßnahmen in sozialen, migrations- und arbeitsmarktpolitischen Angelegenheiten bedeute.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grund des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, m. w.N.).
In der Beschwerde bleibt unbekämpft, dass der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Schlepperei rechtskräftig verurteilt worden sei.
Er hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil das gegen ihn ergangene Strafurteil im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Damit zeigt er jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides bestehende Sach- und Rechtslage heranzuziehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Graz wegen gewerbsmäßiger Schlepperei aber - auch vom Beschwerdeführer unbestritten - rechtskräftig, weshalb die Annahme der belangten Behörde, dass eine bestimmte Tatsache iSd § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG vorliege, auf keine Bedenken stößt.
Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist ein durch ein Aufenthaltsverbot bewirkter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des betroffenen Fremden nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 37 Abs. 2 FrG nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Beurteilung ist gemäß dem zweiten Satz dieser Bestimmung auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden und seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den etwa achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und den Aufenthalt seines Vaters im Inland und die daraus ableitbare Integration zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie trotzdem die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG bejaht hat, so ist dies allerdings nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat nämlich angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung des Schlepperunwesens zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Sie ist auch bei der nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Interessenabwägung angesichts des unbestrittenen Umstandes, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides beschäftigungslos war, und dass mit Ausnahme seines Vaters sämtliche seiner Angehörigen - darunter auch seine Ehegattin - in der Türkei lebten, wegen des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Schlepperei zu Recht zur Beurteilung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wogen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 98/21/0422, m.w.N.).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Dezember 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999210170.X00Im RIS seit
15.03.2002