Index
43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Ö in B, vertreten durch Dr. Markus Brandt, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Silberzeile 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 14. Februar 2000, Zl. 800.677/1-2.7/99, betreffend befristete Befreiung vom Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 17. November 1998 einen Antrag auf Befreiung vom Grundwehrdienst für zwei Jahre aus finanziellen Gründen. Sein Vater und er hätten einen Kredit in Höhe von S 400.000,-- zurück zu zahlen, und zwar im Zusammenhang mit einer Hausrenovierung in der Türkei. Eigentümer dieses Hauses sei der Vater des Beschwerdeführers.
Nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben des Militärkommandos Oberösterreich vom 3. Dezember 1998 aufgefordert worden war, Kopien maßgeblicher Kontoauszüge sowie "Schuldennachweis/Kreditverträge" vorzulegen, gab er am 11. Dezember 1998 persönlich eine Kreditbestätigung der R. Bank in P. vom 10. Dezember 1998 ab, in der bestätigt wurde, dass der Vater des Beschwerdeführers bei diesem Institut Kredit in Anspruch genommen habe, welcher mit einem Saldo von S 405.000,-- aushafte. Der Beschwerdeführer trete bei diesem Kredit als Bürge auf. Die Rückzahlungsrate von monatlich S 10.000,-- werde aus dem gesamten Familieneinkommen aller Familienmitglieder bestritten, wo auch das Einkommen des Beschwerdeführers eingebracht werde. Das gesamte Familieneinkommen laufe auf einem Konto zusammen, aus dem die Rückzahlungsverpflichtung geleistet werde.
Mit Bescheid vom 8. April 1999 wies das Militärkommando Oberösterreich den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) ab. Begründend wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei am 12. Juli 1991 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Anlässlich der Stellung vom 17. November 1998 sei er für tauglich befunden worden. Weder der Kreditvertrag noch Kontoauszüge seien vom Beschwerdeführer trotz schriftlicher Aufforderung vorgelegt worden. Im Falle des Beschwerdeführers lägen keine besonders rücksichtswürdigen familiären oder wirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG vor, die eine Befreiung von der Wehrpflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes rechtfertigen würden. Kreditnehmer sei der Vater des Beschwerdeführers. Die wirtschaftlichen Interessen an einer ordnungsgemäßen Kreditrückzahlung seien daher ausschließlich beim Vater gelegen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein Vater könne "zur Zeit" nicht alleine für die Zahlung des Kredites aufkommen, weil sein Einkommen dazu nicht ausreiche. Seine Schwester werde im "kommenden Herbst" ein Studium an einer Fachhochschule in Wien beginnen, wobei sein Vater für die Studienkosten und Wohnungskosten aufkommen werde. Auch dies werde ohne die finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers nicht möglich sein. Beigeschlossen waren der Berufung Kopien eines Abstattungskreditvertrages des erwähnten Kreditinstitutes vom 10. November 1998 mit dem Vater des Beschwerdeführers sowie der Bürgschaftsvertrag vom selben Tag mit dem Beschwerdeführer.
Der Bundesminister für Landesverteidigung wies die Berufung mit Bescheid vom 14. Februar 2000 gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG ab. Begründend führte der Bundesminister für Landesverteidigung aus, der Beschwerdeführer sei am 17. November 1998 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden. In seinem Fall lägen wirtschaftliche Interessen vor, weil er als Bürge der R. Bank in P. zur ungeteilten Hand für die Rückzahlung des Kredites seines Vaters hafte. Diese Interessen seien jedoch nicht so besonders rücksichtswürdig, dass sie eine befristete Befreiung des Beschwerdeführers von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertigten. Es sei Sache des Wehrpflichtigen, unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegen stehen. Seit der Kundmachung der Stellungspflicht des Geburtsjahrganges 1980 hätte der Beschwerdeführer die Planung und Gestaltung seiner privaten wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen gehabt, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert werden. Es sei im vorliegenden Fall nicht zu entnehmen, dass unvorhersehbare Ereignisse es dem Beschwerdeführer nicht erlaubt hätten, von der Übernahme der Bürgschaft bis nach der Leistung des Grundwehrdienstes Abstand zu nehmen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er diese Verpflichtung am 10. November 1998 eingegangen sei, also zu einem Zeitpunkt, als er gewusst habe, dass er am 17. November 1998 der Stellung unterzogen würde und im Fall der Feststellung seiner Tauglichkeit Präsenzdienst werde leisten müssen. Er habe somit seine wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit seiner Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes harmonisiert, was die besondere Rücksichtswürdigkeit dieser Interessen ausschließe. Der Grundsatz der Dispositionspflicht im Hinblick auf eine bevorstehende Präsenzdienstleistung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf den Fall zu übertragen, dass sich der Wehrpflichtige auf die angebliche Bedrohung seiner Existenz und die damit verbundene Benachteiligung beruft. Das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, solche Interessen seien dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auch nicht zu entnehmen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, sein Vater könne nicht allein für die Rückzahlung des Kredites aufkommen, weil sein Einkommen dazu nicht ausreiche und er darüber hinaus noch die Schwester des Beschwerdeführers für die Dauer ihres Fachhochschulbesuches finanziell unterstützen müsse, mache der Beschwerdeführer der Sache nach ein wirtschaftliches Interesse an der Vermeidung der für den Fall der Leistung des Grundwehrdienstes befürchteten geschäftlichen Nachteile, und zwar aus der Sicht seines Vaters, geltend. Diese wirtschaftlichen Nachteile für den Vater im Falle der Präsenzdienstleistung des Beschwerdeführers könnten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen führen, weil der Vater gewusst haben müsse, dass der Beschwerdeführer noch seine Präsenzdienstpflicht zu erfüllen habe. Er hätte daher von vornherein hinsichtlich der Kreditsumme und der Rückzahlungsraten so disponieren müssen, dass er den Kredit trotz niedrigen Einkommens und umfangreicher Zahlungsverpflichtungen bedienen kann, oder er hätte mit der Renovierung des Hauses zuwarten müssen. Einen zwingenden Grund dafür, dass mit der Renovierung des Hauses bereits vor der Leistung des Grundwehrdienstes begonnen werden musste, habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des WG lauten (auszugsweise):
"§ 27. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als
1. Grundwehrdienst oder
...
§ 36a. (1) Taugliche Wehrpflichtige können von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden:
...
2. auf ihren Antrag, wenn und so lange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
..."
Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen lässt, die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er wolle sich mit seinem Befreiungsantrag seiner Wehrpflicht entziehen. Die diesbezügliche Rüge in der Beschwerde geht daher ins Leere.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Wehrpflichtige die Planung und Gestaltung ihrer privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen, dass für den Fall ihrer Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0252). Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (vgl. ebenfalls das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992).
Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei Vornahme der in Rede stehenden wirtschaftlichen Dispositionen (dem Abschluss des Bürgschaftsvertrages im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme durch seinen Vater) bekannt sein musste, dass er seiner Präsenzdienstpflicht als österreichischer Staatsbürger werde nachkommen müssen. Er war daher verpflichtet, die Vereinbarkeit dieser Verpflichtung mit der Eingehung von Bürgschaftsübernahmen zu prüfen. Er war gehalten, entweder seine zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen so zu gestalten, dass er in der Lage gewesen wäre, seiner Präsenzdienstpflicht nachzukommen, oder aber, wenn er zu dem Schluss gekommen wäre, dessen Ableistung würde der Leistung von Rückzahlungen entgegen stehen, vom Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung Abstand zu nehmen (vgl. erneut das erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992).
Die belangte Behörde war somit im Ergebnis im Recht, wenn sie die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers deshalb verneint hat, weil er die in Rede stehenden Dispositionen nicht so getroffen hat, dass ihm die bevorstehende Präsenzdienstleistung möglich ist.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unter dem Blickwinkel der Verletzung von Verfahrensvorschriften das Unterbleiben eines gehörigen Ermittlungsverfahrens rügt, gelingt es ihm nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Da sich die belangte Behörde erstmals auf die Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer gestützt hat, unterliegt sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen zwar nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Der Beschwerdeführer bringt jedoch im Wesentlichen nur vor, es sei ihm bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht bekannt gewesen, dass ihn das Kreditinstitut sofort zu Rückzahlungen heranziehen würde. Auch sei die Höhe der Rückzahlungen nicht bekannt gewesen. Dieses Vorbringen steht nicht im Einklang mit dem vom Beschwerdeführer selbst im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Aus dem von ihm seiner Berufung beigeschlossenen Abstattungskreditvertrag geht unmissverständlich hervor, dass die Rückzahlung in 49 monatlichen Pauschalraten in Höhe von S 10.000,-- jeweils am Monatsletzten, beginnend mit 30. November 1998, zu erfolgen habe. Dass er diesen von ihm vorgelegten Kreditvertrag seines Vaters im Zeitpunkt der am selben Tag eingegangenen Bürgschaft nicht gekannt hätte, bringt der Beschwerdeführer nicht vor. War dem Beschwerdeführer aber, wie er selbst vorbringt, bewusst, dass sein Vater nicht in der Lage sein werde, allein die Rückzahlungsraten aufzubringen, so musste ihm auch klar sein, dass seine sofortige Heranziehung durch das Kreditinstitut unausweichlich war, dies umso mehr, als er nach seinem eigenen Vorbringen wusste, dass weder seine Mutter noch seine Schwester zur Rückzahlung beitragen könnten. Wie die belangte Behörde angesichts dieses Vorbringens des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten Unterlagen zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, ist nicht ersichtlich.
Im Ergebnis hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch zu Recht verneint, dass besonders berücksichtigungswürdige familiäre Interessen des Beschwerdeführers an einer Befreiung vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von solchen Interessen nur dann die Rede sein, wenn ein unterstützungsbedürftiger Familienangehöriger durch die präsenzdienstbedingte Abwesenheit des Wehrpflichtigen in lebenswichtigen Belangen gefährdet wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2000, Zl. 2000/11/0064 mwN). Dass eine derartige Gefährdung lebenswichtiger Belange im Falle des Beschwerdeführers zu gewärtigen wäre, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu erkennen. Beim Interesse des Vaters des Beschwerdeführers an der Befreiung seines Sohnes vom Grundwehrdienst, um die Rückzahlung des Kredites unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zu erleichtern, sowie beim Interesse der Schwester des Beschwerdeführers an der Befreiung ihres Bruders, um ein - vom Vater finanziertes und durch die finanziellen Beiträge zum Haushaltseinkommen vom Beschwerdeführer mitunterstütztes - Studium in Wien aufzunehmen, handelt es sich letztlich um wirtschaftliche Interessen dritter Personen, die bei der rechtlichen Beurteilung nach § 36a Abs. 1 Z. 2 WG außer Betracht zu bleiben haben (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0038).
Soweit der Beschwerdeführer mehrfach hervorhebt, er habe nur eine befristete Befreiung angestrebt, ist ihm zu entgegnen, dass bei Nichtvorliegen besonders berücksichtigungswürdiger wirtschaftlicher oder familiärer Interessen auch eine befristete Befreiung nicht zulässig ist.
Aus diesen Erwägungen kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf, wenn auch nur befristete, Befreiung vom Grundwehrdienst mangels Vorliegens besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher oder familiärer Interessen abgewiesen hat.
Die Beschwerde war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Dezember 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110085.X00Im RIS seit
22.03.2002