Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Bebauungsplanes infolge Zumutbarkeit des VerwaltungsrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragstellerin begehrt unter Berufung auf Art139 B-VG die kostenpflichtige Aufhebung der §§8 und 9 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Stallhof vom 19. November 1998 - Bebauungsrichtlinien nach §§27 und 28 des Stmk. ROG 1974 igF unter Einbeziehung der §§8 und 11 des Stmk. BauG 1995 - als gesetzwidrig.
2. §§8 und 9 der oben angeführten Verordnung lauten:
"§8 Proportionen und Höhe von Gebäuden
1) Gebäude sollen eine rechteckige Grundrißform aufweisen. Die Gebäudelänge hat mindestens das 1,3-fache der Gebäudebreite zu betragen.
2) Für geschlossene Siedlungsbereiche können davon abweichende Festlegungen getroffen werden.
3) Abweichend von der Rechteckform sind T-förmige, L-förmige, kreuzförmige und Z-förmige Grundrisse zulässig, soferne die Rechteckform dominiert. Die über die Gebäudelänge vorspringenden Bauteile dürfen die halbe Gebäudebreite nicht überschreiten.
4) Die Geschoßanzahl darf ein Hauptgeschoß nicht überschreiten. Darüberhinaus ist ein ausgebautes Dachgeschoß und die Ausbildung eines Kellergeschoßes zulässig. Die Kellerdeckenoberkante darf maximal 1,0 m über dem bestehenden natürlichen Terrain zu liegen kommen. Die Gebäudehöhe (Traufe) darf nicht mehr als 4,5 m betragen.
§9 Dachform und Dachdeckung
1) Für die Hauptbaukörper sind nur symmetrische Satteldächer zulässig.
2) Die Dachneigung muß zwischen 38 Grad und 48 Grad liegen. Auf benachbarte Baubestände ist dabei durch Anpassung an diese Bedacht zu nehmen. Für Nebengebäude sind in Verbindung mit Terrassen und Flugdächern auch Flachdächer zulässig, sofern eine Fläche von 30 m2 (Baukörper) nicht überschritten wird.
3) Als Dachdeckungsmaterial ist kleinformatiges Material mit roter bis rotbrauner Farbe zu verwenden.
4) Die Firstrichtung hat der Gebäudelängsrichtung zu entsprechen."
3.1. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus, daß sie Eigentümerin der Grundstücke 14/5, 14/6 und 14/7 je KG Stallhof ist und bereits mit Antrag vom 22. März 1996 bei der Gemeinde Stallhof um Baubewilligung zwecks Errichtung von zwei Doppelhäusern und einem Einfamilienhaus ("Niedrigenergiehäuser" mit der Bezeichnung "the CUBE") gestellt habe. Das Ansuchen sei von der Gemeinde nicht bearbeitet worden. Dem Sohn der Antragstellerin, der Architekt und Ziviltechniker für Hochbau in Stainz sei, sei mit Schreiben der Gemeinde Stallhof vom 21. August 1996 mitgeteilt worden, daß sich die Gemeinderäte einstimmig gegen die Bewilligung der geplanten Siedlung von "Niedrigenergiehäusern" mit der Bezeichnung "the CUBE" ausgesprochen hätten. Eine bescheidmäßige Erledigung sei jedoch nicht erfolgt. Die Antragstellerin habe einen Devolutionsantrag gestellt und in weiterer Folge eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, welche zur Zahl 1998/06/0198-2 anhängig sei.
3.2. Obwohl das Projekt der Antragstellerin vom örtlichen Raumplaner befürwortet worden sei, der Gemeinderat sich jedoch negativ geäußert habe und über das Ansuchen der Antragstellerin keinen Bescheid erlassen habe, ergäbe sich schon aus der mittlerweile verstrichenen Zeit, daß die Gemeinde Stallhof alle rechtlichen Mittel ausschöpfen wolle, das Projekt der Antragstellerin zu verhindern. Ausschließlich aus diesem Grund habe die Gemeinde Stallhof offensichtlich nach dem Devolutionsantrag der Antragstellerin und im Vorfeld der Säumnisbeschwerde in der Sitzung des Gemeinderates vom 22. September 1998 einen Vorschlag für Bebauungsrichtlinien im Gemeindegebiet beschlossen, welcher bereits die oben zitierten Bestimmungen §§8 und 9 enthalten habe. Es sollte somit offensichtlich verhindert werden, daß die von der Antragstellerin geplanten "Niedrigenergiehäuser" mit Pultdächern gebaut würden, wobei die Gemeinde Stallhof den betroffenen Grundeigentümern in der Zeit vom 28. September bis 27. Oktober 1998 die Möglichkeit eingeräumt habe, Einwendungen gegen die Bebauungsrichtlinien einzubringen. Die von der Antragstellerin eingebrachten Einwendungen seien in weiterer Folge mit Beschluß des Gemeinderates vom 19. November 1998 abgewiesen worden, wobei in dieser Sitzung die Bebauungsrichtlinien mit den oben zitierten Bestimmungen §§8 und 9 beschlossen worden wären. Die Kundmachung der Bebauungsrichtlinien sei vom 20. November bis 14. Dezember 1998 erfolgt. Die Bebauungsrichtlinien seien 14 Tage nach ihrer Kundmachung in Kraft getreten, sodaß die im Bauansuchen der Antragstellerin gegenständlichen "Niedrigenergiehäuser the CUBE", die planmäßig Pultdächer aufweisen, nach den nunmehr in Kraft getretenen Bebauungsrichtlinien keinesfalls bewilligt werden könnten. Aufgrund dieser Tatsachen ergäbe sich die unmittelbare Betroffenheit der Antragstellerin. Es sei ihr auch nicht zumutbar, die Gesetzwidrigkeit der erlassenen Verordnung im Instanzenzug geltend zu machen, weil das Bauansuchen schon fast drei Jahre unerledigt sei und eine weitere Verzögerung des Bauverfahrens der Antragstellerin nicht mehr zugemutet werden könne. Insbesondere müsse aus der bisherigen Untätigkeit der Baubehörde aber auch der Schluß gezogen werden, daß die Baubehörde auch im weiteren Verfahren alle Möglichkeiten zur Verzögerung ausnützen werde und demgemäß der Antragstellerin ein unzumutbarer Zeitverlust sowie ein unzumutbarer Kostenaufwand entstehen würde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragstellerin nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13871/1994).
2. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das der von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984, 11684/1988). Mit einem (Individual-) Antrag nach Art139 (und 140) B-VG soll daher keinesfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eröffnet werden, die mit dem Charakter des Individualantrages eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (s. etwa VfSlg. 8652/1979, 10356/1985, 11114/1986, 12395/1990).
3. Aus den dem Antrag angeschlossenen Beilagen ergibt sich, daß die Einschreiterin am 22. März 1996 einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung gestellt hat, bei dessen Entscheidung die Bestimmungen der §§8 und 9 der genannnten Verordnung anzuwenden sein werden. Da die Baubehörde erster Instanz nicht entschieden hatte, stellte die Antragstellerin am 31. März 1998 einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat. Da auch dieser keine Entscheidung getroffen hatte, richtete die Antragstellerin am 7. Oktober 1998 eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof den Gemeinderat der Gemeinde Stallhof aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
Der Antragstellerin steht daher ein zumutbarer Weg zur Verfügung, im Rahmen des Bauverfahrens die Frage der Gesetzmäßigkeit der §§8 und 9 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Stallhof vom 19. November 1998 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, BebauungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:V1.1999Dokumentnummer
JFT_10009777_99V00001_00