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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §6 Abs3 Nö BauO 1996 mit E v 23.02.99, G231/98.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 27.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 24. April 1998 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Baden der Aral Austria GesmbH die Baubewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Treibstofftankstelle samt Waschhalle, Verkaufsraum (Shop) und Nebenräumen auf dem als "Bauland-Betriebsgebiet" gewidmeten Grundstück Nr. 306/10, EZ 1745, KG Leesdorf. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden unter Hinweis auf §6 Abs3 der Niederösterreichischen Bauordnung (im folgenden: NÖ BO) 1996 als unzulässig zurückgewiesen.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die NÖ Landesregierung die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers und seiner Ehefrau gemäß §66 Abs4 AVG als unzulässig zurück. Die Begründung des Bescheides geht davon aus, daß die Berufungswerber im Zuge der Bauverhandlung Einwendungen erhoben haben, diese jedoch keine Einwendungen im Sinne des §6 Abs2 Z3 der NÖ BO 1996 und sohin unzulässige Einwendungen darstellten. Aus eben diesem Grunde könnten daher die Berufungswerber im Baubewilligungsverfahren die Parteistellung nicht erlangt haben; sie könnten aufgrund ihrer mangelnden Parteistellung durch die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft nicht nur nicht in ihren Rechten verletzt werden, sondern es fehle ihnen darüber hinaus auch die Rechtsmittellegitimation. Zusammenfassend ergebe sich daher, daß eine Verletzung von Rechten der Berufungswerber schon deswegen nicht bestehe, weil sie im Baubewilligungsverfahren gar nicht Partei geworden seien, weshalb die Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde behauptet einerseits die Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des §6 Abs3 NÖ BO 1996 und andererseits, der Beschwerdeführer werde durch das Bauwerk auch in den gemäß §6 Abs2 Z3 leg. cit. gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs3 NÖ BO 1996 mit dem Argument verteidigt, die Ungleichbehandlung resultiere aus "einer ganz bewußten wirtschaftspolitisch(...) motivierten Differenzierung auf der Seite des Anlagenbetreibers" und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Aus Anlaß der gegenständlichen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG mit Beschluß vom 5. Oktober 1998 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, eingeleitet.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 23. Februar 1999, protokolliert zu G231/98, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war schon aus diesem Grund aufzuheben.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-
enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1494.1998Dokumentnummer
JFT_10009777_98B01494_00