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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Büsser, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des H S in I, vertreten durch Dr. Odo Schrott, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 7/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 7. Juli 1997, Zl. 40.070-4/96, betreffend Bestrafung gemäß § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 Finanzstrafgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid den Schuldspruch der fahrlässigen Abgabenverkürzung hinsichtlich Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 sowie weiters die Verhängung einer Geldstrafe und einer Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb seit dem Jahr 1968 ein Friseurunternehmen, das er im Dezember 1989 aufgegeben hat. Nach den Feststellungen einer im Jahr 1990 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung hatte der Beschwerdeführer für die Jahre 1987 und 1988 keine Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 3 EStG 1972) erstellt. Der Prüfer nahm eine Schätzung gemäß § 184 BAO vor, wobei insbesondere der in den Jahren 1987 und 1988 erfolgte Verkauf der Geschäftsräumlichkeiten Berücksichtigung fand.
Mit dem Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 20. März 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt,
1. gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenhinterziehung an Umsatzsteuer in den Jahren 1985 und 1989 und an Gewerbesteuer im Jahr 1987 im Gesamtbetrag von
S 174.366,-- dadurch bewirkt zu haben, dass er die erzielten Erlöse nicht entsprechend aufgezeichnet habe und auf Grund der durchgeführten Kalkulation eine Zuschätzung (§ 184 BAO) erfolgt sei, Entnahmen nicht der Umsatzbesteuerung unterzogen, sowie 1987 einen Verkürzungsbetrag an Gewerbesteuer bewirkt habe, indem Anlagenverkäufe und gewerbliche Vermietung außer Ansatz belassen worden seien;
2. gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG fahrlässig unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Einkommen- und Gewerbesteuer (1988) im Gesamtbetrag von S 2,084.385,-- bewirkt zu haben, indem die Anlagenverkäufe (Geschäftsräumlichkeiten) und der sich daraus ergebende Spekulationsgewinn nicht erklärt worden seien.
Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wurde der Beschwerdeführer in Anwendung des § 21 FinStrG zu einer Geldstrafe in Höhe von S 200.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen verurteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung der Finanzstrafbehörde II. Instanz wurde der Berufung insoweit teilweise stattgegeben, als die belangte Behörde die Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1985 als verjährt ansah. Weiters wurde der Schuldspruch in Bezug auf die Umsatzsteuer 1989 ausgeschieden, da die Strafbehörde anders als die Abgabenbehörde nur von jenen Beträgen ausgehen könne, die mit Sicherheit als verkürzt nachgewiesen worden seien. Angesichts der Schnelllebigkeit von Geschäftseinrichtungsstücken und der zugehörigen Anlagen halte es die belangte Behörde für möglich, dass dieses Anlagevermögen bei der Betriebsaufgabe keinen nennenswerten realisierbaren Verkaufswert mehr dargestellt habe und auch nur mehr zum Teil vorhanden gewesen sei. Im Übrigen wurde die Berufung jedoch als unbegründet abgewiesen.
Im Ergebnis setzte die belangte Behörde die Geldstrafe auf S 100.000,-- herab und ordnete für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen an.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Beschwerdeführer habe das erstinstanzliche Verfahren als mangelhaft gerügt, weil seinen Beweisanträgen auf Einholung eines Bausachverständigengutachtens sowie auf die Vernehmung des Ernst B. als Zeugen nicht entsprochen worden sei. Der Beschwerdeführer hätte damit unter Beweis stellen wollen, dass er die Geschäftsräumlichkeit im Jahre 1985 in desolatem Zustand gekauft und in der Folge werterhöhende Investitionen vorgenommen habe. Unter Berücksichtigung dieser Investitionen hätte sich ergeben, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1987 und 1988 "keinen Gewinn (Spekulationssteuer)" erzielt habe. Nach Auffassung der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer durch die Übergehung dieser Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten jedoch nicht geschmälert worden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie ein Bausachverständiger in der Lage sein solle, ca. 10 Jahre nach dem Verkauf von Geschäftsräumlichkeiten die Höhe von vor 1987 vorgenommenen Investitionen auch nur einigermaßen verlässlich schätzen zu können, wenn der Investor bzw. Beschwerdeführer selbst nicht in der Lage sei, diese Investitionen auch nur einigermaßen im Gegenstande und betragsmäßig zu konkretisieren, geschweige denn Belege - über die nur er verfügen könne - vorzulegen. Das Gleiche gelte für den Zeugen Ernst B., der nach dem Berufungsvorbringen, wenn überhaupt, nur den Zustand der Geschäftsräumlichkeiten beim Verkauf an den Beschwerdeführer im Jahre 1985 hätte beschreiben können. Über Investitionen wisse dieser Zeuge auch nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nichts. Es würden nicht einmal konkrete Behauptungen des Beschwerdeführers vorliegen, die einer Überprüfung zugänglich wären. Die vom Berufungswerber angebotenen Beweismittel ließen von vornherein keine weiteren Aufschlüsse zur Sache erwarten.
Aus den sinngemäß gleichen Erwägungen erachtete es die belangte Behörde auch nicht als zielführend, informierte Vertreter eines näher bezeichneten Kreditinstitutes und der J GmbH zu befragen. Mit den erstgenannten Zeugen habe der Beschwerdeführer unter Beweis stellen wollen, dass der - von ihm nicht erklärte - Kaufpreis von Seiten des Kreditinstitutes bzw. der J GmbH "gewollt weit überhöht" angesetzt worden sei, um die Verbindlichkeiten gegenüber "diesen Instituten" herabzusetzen. Da feststehe, dass der Beschwerdeführer seine Geschäftsräumlichkeiten in den Jahren 1987 und 1988 um insgesamt S 7,100.000,-- veräußert habe und dieser Kaufpreis auch tatsächlich beglichen worden sei, hätte der Beschwerdeführer diesen Verkaufserlös auch bei Zutreffen seiner Behauptungen - nach Ausscheiden eines Grundanteiles von 20 % - als betriebliche Einnahme erklären müssen. Es sei geradezu der typische Fall einer fahrlässigen Abgabenverkürzung, wenn der Steuerpflichtige jene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, die ihm bei Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten zumutbar gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer nach Abdeckung der Kreditforderungen "vom Kaufpreis nichts bekommen" habe, ändere nichts an dessen Natur als Betriebseinnahme und der Erklärungspflicht.
Zu Recht habe die Vorinstanz die Verantwortung des Beschwerdeführers, dass er seinen Steuerberater über den Verkauf der Betriebsräumlichkeiten informiert habe, durch die Zeugenaussage des Steuerberaters Mag. H. für widerlegt erachtet. Auf Grund der Aussage dieses Zeugen habe sich nämlich ergeben, dass der Beschwerdeführer stets nur mangelhafte Aufzeichnungen bzw. eine Art Kassabuch überbracht habe, aus dem der Verkauf der Betriebsräumlichkeiten an das Kreditinstitut von vornherein nicht ersichtlich sein konnte. Im Übrigen müsse auch einem Laien klar sein, dass der Verkauf eines Geschäftslokals, dessen Anschaffung bzw. Kauf steuerlich geltend gemacht worden sei, auch dann steuerliche Auswirkungen habe und erklärt werden müsse, wenn der Kaufpreis zur Gänze der Abdeckung von Verbindlichkeiten gedient habe.
Auch der Schuldspruch hinsichtlich der vorsätzlichen Verkürzung von Gewerbesteuer für das Jahr 1987 mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 48.366,-- halte einer Überprüfung stand. Der Beschwerdeführer verkenne den Kern des gegen ihn in diesem Punkt erhobenen Vorwurfs, wenn er meine, ihm sei die schwierige Berechnung der Gewerbsteuer nicht zumutbar gewesen. Eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begehe, wer durch eine vorsätzliche Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirke. Schon auf Grund seiner Kenntnisse als langjähriger Kaufmann müsse dem Beschwerdeführer grundsätzlich bekannt sein, dass zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer neben dem allfälligen Gewinn und Verlust aus dem Geschäftsjahr auch die Zinsen für Dauerschulden (ungekürzt) zu berücksichtigen seien, wie dies auch beispielsweise in den Gewerbesteuererklärungen des Beschwerdeführers von 1981 bis 1986 tatsächlich geschehen sei. Für das Jahr 1987 habe der Beschwerdeführer eine Nullstellung seiner Vorauszahlungen unter anderem an Gewerbesteuer mit dem Hinweis auf die Neueröffnung eines Betriebes mit entsprechenden Investitionen und den daraus resultierenden steuerlichen Verlusten beantragt. Trotz Erinnerungen, Festsetzung von Zwangsstrafen und letztlich der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen habe der Beschwerdeführer keine Gewerbesteuererklärung eingereicht. Tatsächlich habe das Jahr 1987 mit einem positiven Betriebsergebnis geschlossen und unter Hinzurechnung der mit S 500.000,-- geschätzten Dauerschuldzinsen (unter Berücksichtigung des entsprechenden Freibetrages) eine Gewerbesteuerschuld in Höhe von S 48.366,-- ergeben. Die Verkürzung einer Abgabe sei schon dann bewirkt, wenn die Abgabe dem anspruchsberechtigten Abgabengläubiger nicht zu dem Zeitpunkt zufließe, zu dem er diese nach den Abgabenvorschriften zu erhalten habe. Der Umstand allein, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Veranlagung auf Grund einer Schätzung durchgeführt werde, vermöge an der durch die Nichteinbringung der Abgabenerklärung eingetretenen Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, die eine Abgabenverkürzung bewirkt habe, nichts zu ändern. Daraus folge, dass auch ein Steuerpflichtiger, der mit einer Schätzung der Bemessungsgrundlagen unter anderem auch für die Gewerbesteuer rechne, eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begehen könne. Es liege auf der Hand, dass der Beschwerdeführer durch die beharrliche Nichtabgabe unter anderem der Gewerbesteuererklärung eine Abgabenverkürzung zumindest insoweit habe herbeiführen wollen, als die fällige Gewerbesteuer dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt hätte zukommen sollen, zu dem er darauf gesetzlich einen Anspruch habe. Auch die nur vorübergehende Abgabenverkürzung habe den Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG bewirkt. Die vom Beschwerdeführer betonte "Schwierigkeit der Erstellung einer Gewerbesteuererklärung" könne ihn nicht exkulpieren, da er wie schon in den Vorjahren einen Steuerberater hätte beauftragen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer weder im Administrativverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof auch nur behauptet hat, seinen steuerlichen Vertreter mit der Erstellung der Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen der Jahre 1987 und 1988 beauftragt zu haben, sodass der Einwand, dem Steuerberater hätte die Verwirklichung zur Steuerpflicht führender Vorgänge auffallen müssen, von vornherein nicht geeignet ist, den Beschwerdeführer zu entlasten.
1. Gewerbesteuer 1987 - Delikt gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anlastung von Vorsatz mit dem Vorbringen, die Berechnungsmethode der Gewerbesteuer sei im Gesetz "äußerst kompliziert und umfangreich erklärt". Der Beschwerdeführer sei "kein Experte auf dem Gebiet der Berechnung der Gewerbesteuer". Solches könne von ihm auch nicht verlangt werden.
Dieses Vorbringen übersieht, dass dem Beschwerdeführer nicht die unrichtige Berechnung der Gewerbesteuer zum Vorwurf gemacht wurde, sondern der Umstand, dass er es unterlassen hat, der Abgabenbehörde durch Offenlegung der Bemessungsgrundlagen die (zutreffende) Berechnung der Gewerbesteuer zu ermöglichen.
Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Ob Handlungen oder Unterlassungen mit dem Ziel erfolgen, Abgaben zu verkürzen, ist ein nach außen nicht erkennbarer Willensvorgang. Auf ihn kann nur durch das Verhalten des Täters, soweit es nach außen in Erscheinung tritt, geschlossen werden. Die dahin gehenden Schlüsse der Behörde müssen auf einem mängelfrei ermittelten Sachverhalt beruhen und dürfen den Denkgesetzen nicht widersprechen (vgl. die bei Fellner, Finanzstrafgesetz, § 33 Tz. 33a angeführte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde hat aus den Umständen des Beschwerdefalles - dem Beschwerdeführer sei aus den Vorjahren bekannt, dass selbst bei einem Verlust aus Gewerbebetrieb durch die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen eine Gewerbesteuerschuld entstehen könne, er habe einen Antrag auf Nullstellung der Gewerbesteuervorauszahlungen für 1997 gestellt und in der Folge Steuererklärungen nicht eingereicht, durch die abgabenbehördliche Prüfung sei das Vorliegen eines Gewinnes aus Gewerbebetrieb hervorgekommen - darauf geschlossen, der Beschwerdeführer habe durch die Nichtabgabe der Steuererklärung den Eintritt einer Abgabenverkürzung für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen (bedingter Vorsatz). Das sich ausschließlich mit den Schwierigkeiten der Abgabenberechnung befassende Beschwerdevorbringen zeigt eine Unschlüssigkeit in der behördlichen Beweiswürdigung nicht auf. Da sich der für den Tatbestand der Abgabenhinterziehung erforderliche Verkürzungsvorsatz nicht auf die konkrete Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages erstrecken muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1992, 91/16/0093), bedurfte es schon aus diesem Grund nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Komplexität der Gewerbesteuerberechnung.
Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.
2. Veräußerung von Geschäftsräumlichkeiten (Einkommen- und Gewerbesteuer 1988) - Delikt gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG:
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe seinen Beweisanträgen auf Einholung eines Bausachverständigengutachtens sowie auf Vernehmung des Zeugen Ernst B. zum Beweis dafür, dass er zwischen dem Ankauf der Geschäftsräumlichkeiten im Jahr 1985 und deren Verkauf im Jahr 1987 werterhöhende Investitionen getätigt habe, zu Unrecht nicht entsprochen. Der Zeuge Ernst B. hätte über den desolaten Zustand im Zeitpunkt des Ankaufs, der Bausachverständige über die vorgenommenen Investitionen Auskunft geben können. Anders als die belangte Behörde meine, sei es für einen Bausachverständigen "wohl ein leichtes" auch Investitionen zu bewerten, die "ca. 10 Jahre zurückliegen". Im Übrigen verstehe es sich von selbst, dass für die Umgestaltung eines Secondhand-Ladens in einen "Nobelfriseursalon" umfangreiche Baumaßnahmen notwendig seien. Unter Berücksichtigung dieser Investitionen hätte sich ein steuerpflichtiger Gewinn nicht ergeben. Die Vernehmung informierter Vertreter des näher bezeichneten Kreditinstituts sowie der J GmbH hätte weiter ergeben, dass der vom Beschwerdeführer erzielte Kaufpreis um S 2 Mio. überhöht gewesen sei, um eine Wertberichtigung der bei der Bank aufgenommenen Verbindlichkeit zu vermeiden.
Gemäß § 98 Abs. 3 Finanzstrafgesetz hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind oder gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstoßen (vgl. die bei Fellner, a.a.O., § 98 Tz. 17 angeführte hg. Rechtsprechung).
Grundsätzlich unterliegen der freien Beweiswürdigung nur aufgenommene Beweise. Es ist unzulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen; eine vorweggenommene (antizipative) Beweiswürdigung ist somit unzulässig (Ritz, Bundesabgabenordnung, Tz. 7 zu der mit § 98 Abs. 3 FinStrG vergleichbaren Bestimmung des § 167 Abs. 2 mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung wird die Behörde, um sich einerseits der Gefahr einer (unzulässigen) "vorgreifenden" Beweiswürdigung nicht auszusetzen, andererseits dem (verfahrensökonomisch bedingten) Gebot der Zweckmäßigkeit unter Beschränkung des Beweisverfahrens auf "geeignete" Beweismittel Rechnung zu tragen, auf vom Beweisthema erfasste Beweise nur dann verzichten dürfen, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen, oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren und von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewissheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise für die Erhebung der Abgaben sohin nicht "wesentlich" sein können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 20. November 1997, 96/15/0247, 97/15/0180).
Die Beweisanträge zum Beweisthema der Kaufpreisfindung (die Gläubigerbank bzw. deren Tochterunternehmung habe die Geschäftsräumlichkeiten zu einem weitaus überhöhten Kaufpreis erworben, um auf diese Weise die offenen Kredite des Beschwerdeführers abdecken zu können) hat die belangte Behörde zu Recht mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass auch bei Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers der allenfalls überhöhte Veräußerungserlös hätte versteuert werden müssen. Damit liegt eine unzulässige "vorweggenommene" Beweiswürdigung nicht vor.
Anders stellt sich dies jedoch bei den weiteren Beweisanträgen des Beschwerdeführers dar:
Die belangte Behörde hat den Antrag auf Vernehmung eines Bausachverständigen deswegen abgewiesen, weil ein Bausachverständiger ca. zehn Jahre nach dem Verkauf von Geschäftsräumlichkeiten die Höhe von Investitionen nicht mehr schätzen könne, wenn der Investor bzw. Beschwerdeführer selbst nicht in der Lage sei, diese Investitionen auch nur einigermaßen im Gegenstande und betragsmäßig zu konkretisieren und darüber Belege vorzulegen.
In seiner Äußerung zur Stellungnahme des Amtsbeauftragten vom 23. Februar 1994 hat der Beschwerdeführer die Einholung eines Bausachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass er zwischen 1985 und 1987 in seinen Betriebsräumlichkeiten werterhöhende Investitionen in der Größenordnung von S 1,500.000,--
getätigt habe. Dadurch vermindere sich der Veräußerungsgewinn entsprechend. In der mündlichen Verhandlung vor der Finanzstrafbehörde I. Instanz am 20. März 1995 hat der Beschwerdeführer angegeben, die im Jahr 1985 von Ernst B. um S 4,000.000,-- erworbenen Lokalitäten wären (da es sich ursprünglich um einen Verkaufsladen gehandelt habe) mit zusätzlichen Kosten in ein Friseurgeschäft umgebaut worden. Es seien Toiletten errichtet, die Elektro- und Wasserinstallationen erneuert sowie Fußböden und Deckenabhängungen neu gemacht worden. Zum Beweis dafür, dass er im Beweisantrag näher ausgeführte werterhöhende Investitionen ("wie Neuverlegung eines Parkettbodens im Nettobetrag von S 175.000,--, Errichtung und Erstellung von Stukkaturarbeiten und Rigipswänden im Betrag von S 450.000,--, Verlegung eines Trobatinbodens im Erdgeschoss im Wert von S 200.000,--, diverse Installationsarbeiten im Betrag von S 250.000,-- netto") getätigt habe, beantragte der Beschwerdeführer (unter anderem) die Vernehmung des Zeugen Ernst B. Weiters gab der Verteidiger des Beschuldigten die Namen der vom Beschwerdeführer mit den Umbauarbeiten offenbar befassten Firmen bekannt.
Bei dieser Sachlage kann schon nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Investitionen "auch nur einigermaßen im Gegenstande und betragsmäßig zu konkretisieren". Dazu kommt, dass die belangte Behörde auch keine Feststellungen dazu getroffen hat, aus welchen Gründen (etwa zwischenzeitiger Abriss etc.) die vom Beschwerdeführer getätigten Investitionen "zehn Jahre nach dem Verkauf" nicht mehr durch einen Bausachverständigen bestätigt werden könnten. Zum Antrag auf Vernehmung des Ernst B. führte die belangte Behörde aus, dass der Zeuge nur den Zustand der Geschäftsräumlichkeiten beim Verkauf an den Beschwerdeführer im Jahr 1985 hätte beschreiben können. Über Investitionen wisse dieser Zeuge auch nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nichts. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Zeuge Ernst B. durchaus den Zustand der Räumlichkeiten zum Zeitpunkt des Verkaufes an den Beschwerdeführer im Jahr 1985 beschreiben und daher dem Bausachverständigen die Schätzung darüber hätte ermöglichen können, inwieweit seitdem Investitionen vorgenommen worden waren. Da im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung die Behörde auf vom Beweisthema erfasste Beweise nur dann verzichten darf, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil nach Art des Beweismittels dieses zur Beurteilung der erkennbaren und von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewissheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermag, hat die belangte Behörde eine unzulässige "vorweggenommene" Beweiswürdigung zu vertreten. Es kann nämlich keine Rede davon sein, dass das Gutachten eines Bausachverständigen sowie die Vernehmung des Zeugen Ernst B. mit Gewissheit nichts zur weiteren Erkenntnis beigetragen hätten. Dass der Beschwerdeführer weder die notwendigen Aufzeichnungen geführt noch die entsprechenden Belege aufbewahrt hat, stand einer Glaubhaftmachung (zu aktivierender Aufwendungen) jedenfalls nicht entgegen.
Der Schuldspruch betreffend das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung in bezug auf Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 erweist sich daher mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 21 Abs. 1 FinStrG bewirkt diese Rechtswidrigkeit auch die Rechtswidrigkeit des Strafausspruches.
Die Kostenentscheidung beruht (im Rahmen des gestellten Antrags) auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Dezember 2001
Schlagworte
freie BeweiswürdigungBeweiswürdigung antizipative vorweggenommeneSachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997140134.X00Im RIS seit
08.05.2002Zuletzt aktualisiert am
23.03.2012