Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des H R in Innsbruck, vertreten durch Dr. Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Andreas Hofer Straße 4, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 11. Februar 2000, Zl. OB. 810-045902-008, betreffend Beschädigtenrente nach dem KOVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1939 geborene Beschwerdeführer wurde im Jahr 1948 am Nachhauseweg von der Schule von einem Lastkraftwagen der französischen Besatzungsmacht niedergestoßen. Er erlitt schwere Kopf- und Bein- (Hüft-) Verletzungen. Auf Grund dieser Leiden bezog er eine mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 9. Juli 1957 zuerkannte Beschädigtengrundrente auf der Grundlage einer eingeschätzten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent.
Zuletzt war dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 5. Juni 1978 eine Erhöhung der Beschädigtenrente entsprechend einer 80 %igen MdE (unter Berücksichtigung einer berufskundlichen Einstufung nach § 8 KOVG) zuerkannt worden. Dabei waren als Dienstbeschädigungen mit einem Kausalanteil von 1/1 anerkannt worden:
1. Rotationseinschränkung im rechten Hüftgelenk bei rudimentärer Entwicklung des rechten Femurkopfes nach Oberschenkelbruch;
2. Ablagerungen im Weichteilbereich über dem rechten Trochanter nach Marknagelentfernung;
3. Reizlose, ausgedehntere Narbenbildung an der Innenseite des linken Oberschenkels ohne Funktionsstörung;
4. Objektivierbare Beschwerden nach Contusio Cerebri (Hirnprellung);
weitere Dienstbeschädigungen wurden mit einem Kausalanteil von 1/2 anerkannt:
5.
Opticusatrophie beiderseits und
6.
organisches Psychosyndrom.
Am 22. Dezember 1988 stellte der Beschwerdeführer einen Verschlimmerungsantrag, in dem er u.a. vorgebracht hat, die anerkannten Kriegsleiden, insbesondere das Leiden "Kausalanteil an organischen Psychosyndrom", hätten sich in letzter Zeit wesentlich verschlimmert, weshalb um neue Begutachtung bzw. Erhöhung der Rente ersucht werde. Gleichzeitig wurde ein nicht näher spezifiziertes "Herzleiden" geltend gemacht, welches als mittelbare Dienstbeschädigung auf das halbkausal anerkannte organische Psychosyndrom zurückzuführen sei. Außerdem hätten sich die "Reizblase u. die Gleichgewichtsstörungen" verschlechtert.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 30. Oktober 1992 wurde dieser Antrag abgewiesen und ausgesprochen, dass die Gesundheitsschädigungen "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität" sowie "Herzleiden" nicht als Dienstbeschädigung anerkannt würden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Tirol vom 7. Februar 1995 abgewiesen wurde.
Auf Grund der hiergegen vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. April 1997, Zl. 95/09/0086, den Berufungsbescheid der Schiedskommission wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen - auch in Bezug auf den umfangreichen, dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Sachverhalt - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-) Bescheid wurde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Tirol vom 30. Oktober 1992 erhobene Berufung neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Anwendung des § 62 KOVG 1957 abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Ergänzung bestätigt, dass die Erledigung der Anträge auf Erhöhung der Beschädigtenrente sowie auf Anerkennung der Zusatzleiden "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität" und "Herzleiden" als Dienstbeschädigungen abgelehnt werde, bis der Beschwerdeführer dem Auftrag vom 19. Oktober 1999 zur stationären Untersuchung an der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck nachkomme.
Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten Bestimmung führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der Schiedskommission vom 19. Oktober 1999 nachweislich und unter Belehrung über die Rechtsfolgen der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung aufgefordert worden, sich zu diesem Zwecke zu einer einige Tage dauernden Untersuchung an der Universitätsklinik Innsbruck einzufinden, habe diese Untersuchung aber mit der Begründung abgelehnt, dass ihm ein Aufenthalt in der bezeichneten Klinik nicht zumutbar sei. Damit habe er keinen triftigen Grund für seine Weigerung im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung bekannt gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt. Dabei hat die Behörde zu prüfen, ob sich der derzeit vorliegende Befund der anerkannten Dienstbeschädigung gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zugrundeliegenden Befund (Vergleichsbefund) maßgebend geändert hat.
Bereits im Vorerkenntnis vom 10. April 1997 wurde dargelegt, dass gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen ist, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist und "Wahrscheinlichkeit" in diesem Sinne zu bejahen ist, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Dies gilt auch für eine Gesundheitsschädigung, die nach § 2 Abs. 2 KOVG 1957 zu entschädigen ist. Des gleichen wurde im Vorerkenntnis bereits darauf hingewiesen, dass als Dienstbeschädigung auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen sind, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben (mittelbare Dienstbeschädigung), wobei als Ursache im Falle einer mittelbaren Dienstbeschädigung nur eine wesentliche Bedingung gilt. Der Vorbescheid der belangten Behörde war im Wesentlichen deshalb wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden, weil aus der Begründung dieses Bescheides eine Auseinandersetzung mit den einander widersprechenden (insbesondere neurologischen) Sachverständigengutachten, insbesondere die erkennbare Beachtung der sich auf die Leidenszustände 5 und 6 bzw. deren Kausalitätsanteilen beziehenden Gutachten vom 21. April 1978 und 25. Juli 1989, nicht ersichtlich war. In diesem Erkenntnis wurde keineswegs die Ansicht vertreten, die zur Beurteilung anstehende Sachverhaltsgrundlage sei unzureichend. Immerhin liegen seit der Erstattung des "Vergleichbefundes" aus dem Jahr 1978 bereits fünf gutachterliche Stellungnahmen zum neurologischen Themenkreis vor.
Nach § 62 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 - KOVG, BGBl. Nr. 152/1957, in der Fassung BGBl. Nr. 258/1967, kann, wenn ein Versorgungsberechtigter ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung nicht entspricht oder sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen, die Leistung der Versorgung abgelehnt oder insolange eingestellt werden, bis er dem Auftrage nachkommt. Er muss aber auf die Folgen seines Verhaltens nachweislich aufmerksam gemacht worden sein. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Versorgung unterbleibt.
Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des im Rahmen der Erstellung eines Klinikgutachtens der Universität Innsbruck vorgesehenen neurologischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. H. H. vom 19. August 1999 von der Absicht der belangten Behörde, verbunden mit der Aufforderung zur Kontaktaufnahme informiert, ein weiteres Gutachten zu den von ihm geltend gemachten Leidenszuständen einzuholen. Die dem Gutachter telefonisch geäußerte Weigerung des Beschwerdeführers, sich erneut einer Untersuchung zu unterziehen, wurde der belangten Behörde mit Schreiben Dris H. H. vom 26. August 1999 mitgeteilt. Die schriftliche Begründung dieser Weigerung erfolgte mit Eingabe des Beschwerdeführers vom 13. September 1999, die im Succus darauf hinaus läuft, es seien bereits ausreichende Gutachten zu den behaupteten Leidenszuständen erstellt worden, weitere Gutachten seien entbehrlich, auch sei ihm aus Gründen der Achtung seiner Menschenwürde nicht zumutbar, sich der Aufforderung zur stationären Aufnahme in die geschlossene Anstalt der psychiatrischen Abteilung der Innsbrucker Klinik zu beugen.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 19. Oktober 1999 wurde die Verweigerung der Untersuchung zur Kenntnis genommen, dem Beschwerdeführer jedoch die Bestimmung des § 62 KOVG unter Androhung der in dieser Bestimmung genannten Rechtsfolgen im Falle der Aufrechterhaltung seiner Weigerung unter Fristsetzung vorgehalten. Erst mit Schreiben der belangten Behörde vom 15. Dezember 1999 wurde auch der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers von der angedrohten Anwendung des § 62 KOVG unter Fristsetzung in Kenntnis gesetzt, der mit Schreiben vom 3. Januar 2000 auch sinngemäß dahingehend Stellung nahm, es müsse die Notwendigkeit einer weiteren Gutachtenserstattung in Frage gestellt werden, da die Fragestellung an die Sachverständigen nicht bekannt gegeben worden sei.
Zu der Bestimmung des § 62 KOVG 1957 in der Fassung BGBl. Nr. 258/1967 bzw. der Vorgängerbestimmung des § 63 KOVG 1957 hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die Verweigerung der Durchführung von ärztlichen Untersuchungen nur dann zur (vorläufigen; vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1958, Slg. 4708/A) Einstellung der Versorgungsleistung führen darf, wenn diese Untersuchungen nach dem Stand der ärztlichen Wissenschaft nicht mit möglichen weiteren Gesundheitsschädigungen oder mit - je nach dem Gesamtleidenszustand - unzumutbaren Schmerzen verbunden sind (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1958, Slg. N.F. Nr. 4719/A). Es ist Aufgabe der Partei des Verwaltungsverfahrens, die triftigen Gründe darzulegen, aus denen sie sich weigert, einer Vorladung zur ärztlichen Untersuchung Folge zu leisten (vgl. Erkenntnis vom 9. März 1962, Slg. N.F. Nr. 5743/A, auch das hg. Erkenntnis vom 25. Januar 1995, Zl. 94/12/0133).
Im Beschwerdefall ist sachverhaltsmäßig davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Leidenszustände behauptet, die auch nach den von ihm selbst vorgelegten privatärztlichen Gutachten nicht eindeutig die Kausalität der behaupteten Erkrankungen aufzuzeigen in der Lage sind. Aus keinem der Gutachten ist Klarheit in der Frage zu gewinnen, ob die vom Beschwerdeführer behaupteten Leiden zumindest mittelbare Folge der Kriegseinwirkungen sind. Die Behörde hat die Notwendigkeit einer weiteren neurologischen Untersuchung im Verfahren medizinisch begründet dargelegt, wobei keine Verpflichtung der Behörde besteht, der Partei die an den Sachverständigen gerichteten Fragen zur Stellungnahme zukommen zu lassen. Der Beschwerdeführer ist aber durch die bloße Bestreitung der Erforderlichkeit einer weiteren Untersuchung der ihn treffenden Pflicht zur Angabe von triftigen Gründen für seine Weigerung nicht nachgekommen. Auch ergibt sich aus dem Akteninhalt kein Grund, die vorübergehende stationäre Aufnahme in die Universitätsklinik Innsbruck zu verweigern, auch wenn es sich dabei um die neurologische Abteilung dieser Klinik handelt, sind doch die gegenständlichen Leidenszustände des Beschwerdeführers auch nach seinen eigenen Angaben diesem Fachgebiet zuzurechnen. Dass er in eine geschlossene Abteilung aufgenommen hätte werden sollen, oder versucht hätte werden sollen, ihn gegen seinen Willen unter Missachtung der Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes dort festzuhalten, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Seiner Weigerung ist damit aber der Boden entzogen. Er ist daher der ihn treffenden Verpflichtung, die Unzumutbarkeit einer solchen Untersuchung als triftigen Grund für seine Weigerung im Sinne des § 62 KOVG darzulegen, nicht nachgekommen, die darauf gestützte Entscheidung der belangten Behörde daher frei von Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerde war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Dezember 2001
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete KOVGSachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtParteiengehör SachverständigengutachtenVerfahrensrecht Aufgabe der Behörde DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000090067.X00Im RIS seit
03.04.2002Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009