TE Vfgh Beschluss 1999/2/23 G440/97

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Veröffentlicht am 23.02.1999
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Index

L2 Dienstrecht
L2200 Landesbedienstete

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Nö Dienstpragmatik 1972 §4 Abs7
Nö Dienstpragmatik 1972 §26 Abs3
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Versetzungsregelung im Dienstrecht der Nö Landesbediensteten mangels ausreichender Darlegung der Bedenken und mangels aktueller rechtlicher Betroffenheit

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. In seiner auf Art140 (Abs1, letzter Satz) B-VG gestützten Eingabe stellt der Einschreiter den "Antrag an den Verfassungsgerichtshof, ... den §26 Abs3 erster Satz der Dienstpragmatik der Landesbeamten (DPL 1972), LGBl. 93/72 idF der 38. Novelle LGBl. 82/97 als verfassungswidrig aufzuheben."

1.2.1 Der mit diesem Individualantrag angefochtene 1. Satz des mit "Allgemeine Dienstpflichten" übertitelten §26 Abs3 Dienstpragmatik der Landesbeamten - DPL 1972 (NÖ LGBl. 2200 in der letzten Fassung der 40. Novelle) lautet wie folgt:

"Der Beamte kann, wenn es im Interesse des Dienstes notwendig ist, versetzt, zugeteilt oder nach Maßgabe seiner Eignung vorübergehend auch in einem anderen Dienstzweig als in dem, für den er aufgenommen wurde, verwendet werden."

1.2.2. Für den vorliegenden Rechtsfall sind des Weiteren folgende gesetzliche Bestimmungen von Bedeutung:

1.2.2.1. §4 Abs7 DPL 1972 hat folgenden Wortlaut:

"Die Versetzung ist die dauernde Zuweisung eines Beamten an eine andere Dienststelle."

1.2.2.2. Eine "Dienstzuteilung" ist gemäß §4 Abs8 DPL 1972 "die vorübergehende Zuweisung eines Beamten an eine andere Dienststelle".

1.2.2.3. Der Begriff "Dienstzweig" ist in §4 Abs3 DPL 1972 definiert und "umfaßt sämtliche Dienstposten mit der gleichen ausreichenden, facheinschlägigen Vor-(Aus-)bildung und weist auf die bestimmte fachliche Tätigkeit des Beamten hin."

1.3. Soweit es für die Frage des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen von Belang ist, führt der Antragsteller Folgendes aus:

"Der Antragsteller ist seit 1.1.1995 Beamter des Landes Niederösterreich an der Dienststelle des Amtes der NÖ-Landesregierung, Gruppe Raumordnung und Umwelt - Abteilung Umweltrecht und Umweltkoordination. Bis zu der gegenständlichen Versetzung an den Dienstort St. Pölten war der Dienstort des Antragstellers Wien.

Am 8.8.1997 erhielt der Antragsteller vom Leiter seiner Dienststelle nachstehende schriftliche Weisung:

'Infolge der Übersiedlung der Abteilung RU4 in das Regierungsviertel in St. Pölten im August 1997 erteile ich Ihnen die Weisung, nach ihrem Urlaub, also am 1. September 1997,

8.30 Uhr im Haus 16, 1. Stock, Zimmer 10 den Dienst anzutreten.'

Der Antragsteller protestierte gegen diese Weisung.

Am 11.9.1997 erhielt der Antragsteller ein Schreiben des Amtes der NÖ Landesregierung, Gruppe Landesamtsdirektion - Abteilung Personalangelegenheiten vom 4.9.1997 unter dem Betreff Festlegung des Dienstortes mit folgendem Inhalt:

'Zufolge Verlegung Ihrer Dienststelle ist St. Pölten mit Wirksamkeit vom 1. September 1997 Ihr Dienstort.

NÖ Landesregierung/Im Auftrage/Dr. T'

Der Antragsteller ist durch die Verfassungswidrigkeit des §26 Abs3 1. Satz DPL 1972 unmittelbar in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört zu werden verletzt ...

...

Die angefochtene Gesetzesbestimmung wurde für den Antragsteller unmittelbar, sohin ohne Erlassung eines Bescheides (bzw. ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung) wirksam. Die Dienstpragmatik der Landesbeamten und insbesondere §§26 ff DPL 1972 sehen für die Verfügung einer Versetzung, das ist gemäß §4 Abs7 DPL 1972 die dauernde Zuweisung eines Beamten an eine andere Dienststelle, keine bescheidmäßige Erledigung vor. Die dienstliche Anordnung, am 1. September 1997 in St. Pölten den Dienst anzutreten, wurde demgemäß ausdrücklich als 'Weisung' ausgesprochen. Auch die Mitteilung vom 4.9.1997 betreffend Festlegung des Dienstortes stellt keinen Bescheid dar.

Auch der Obmann der Zentralpersonalvertretung der NÖ Landesbediensteten K L, Abg. z. NÖ LT, geht in einem als 'offener Brief' bezeichneten Schreiben vom Jänner 1997 davon aus, daß diese Anordnung des Dienstgebers, in der neuen Dienststelle Dienst zu versehen und damit den Dienstort neu festzusetzen, mit der Verfügung einer Versetzung vergleichbar sei und damit rechtlich als Weisung bzw. Dienstauftrag einzustufen sei und nicht als Bescheid. Dieses Schreiben liegt in der Anlage bei.

Diese Frage wurde in der Vergangenheit bereits heftig zwischen betroffenen Landesbeamten, der Personalvertretung und der Dienstbehörde diskutiert und fand diese Diskussion auch in Korrespondenzwechseln seinen Ausdruck. In allen Stellungnahmen der Dienstbehörde vertrat diese u.a. unter Berufung auf jenes in VfSlg. 6450 publizierte Erkenntnis den Rechtsstandpunkt, daß in dieser Frage ein Bescheid nicht zu erlassen sei, sondern eine Versetzungsverfügung durch Weisung oder 'Dienstauftrag'.

Es war sohin davon auszugehen, daß ein Bescheid nicht erlassen werde und die angefochtene landesgesetzliche Bestimmung sohin unmittelbar wirksam wird.

In ... VfSlg. 6450 vertrat der Verfassungsgerichtshof zur Vorläuferbestimmung (Versetzung gemäß §29 Abs3 1. Satz DPL 1966) die Ansicht, daß es sich um einen 'innerdienstlichen Akt (Dienstbefehl, Dienstauftrag)' handle und nicht um einen Bescheid.

Aufgrund der konkreten Umstände und der diesbezüglichen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Erwirkung eines Bescheides auch nicht als zumutbar anzusehen. Infolge der seitens der Dienstbehörde deutlich gemachten Rechtsansicht, daß die Versetzungsverfügung durch Weisung und nicht durch Bescheid gesetzt werde, ist mit einer Nichtbehandlung eines auf einen Bescheid gerichteten Antrages dringend zu rechnen. Es müßte der Antragsteller sohin in weiterer Konsequenz vor einer allfälligen Devolution an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde die 6-Monatsfrist des §73 AVG zuwarten. Bis schließlich ein anfechtbarer Bescheid allenfalls im Wege einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorliegt, würde sich in Hinblick auf den heute bereits klarliegenden Standpunkt der Dienstbehörde, ein Bescheid sei in dieser Angelegenheit nicht zu erlassen, der Umweg über einen Bescheid jedenfalls als unzumutbar darstellen.

Die Versetzungsverfügung durch Weisung stellt eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung des §26 Abs3 1. Satz DPL 1972 dar. Der Antragsteller war von dieser Weisung direkt persönlich betroffen. Er mußte seinen Dienst unterdessen an der Dienststelle in St. Pölten antreten und hat hiedurch erhebliche persönliche Nachteile wie unvergleichlich längere Anfahrtswege und um vielfach höhere Fahrtkosten zu erleiden.

Der Antragsteller ist daher zum vorliegenden Individualantrag berechtigt."

1.4.1. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Erstattung einer schriftlichen Äußerung zum Gegenstand aufgeforderte Niederösterreichische Landesregierung gab eine Stellungnahme ab, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und die angefochtene Gesetzesstelle nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

1.4.2. In dieser Stellungnahme wird zur Frage des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen ua. Folgendes dargelegt:

"Es muß ... darauf hingewiesen werden, daß, wie der Antragsteller selbst im Sachverhalt erkennen läßt, die Dienststelle des Antragstellers, in concreto die Abteilung Umweltrecht und Umweltkoordination in der Gruppe Raumordnung und Umwelt in Folge der Errichtung der neuen Landeshauptstadt St. Pölten (vgl. Landeshauptstadt-Errichtungsgesetz, LGBl. 0007-0) von Wien nach St. Pölten verlegt wurde. Der Antragsteller selbst ist seit 7.1.1997 und auch nach der Verlegung dieser Dienststelle seit 1. September 1997 unverändert an dieser Dienststelle tätig.

...

Entscheidende Voraussetzung einer ... Zulässigkeit des Antrages ist ..., daß die angefochtene Gesetzesbestimmung tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift und diese verletzt.

...

Der Antragsteller behauptet (zunächst) nicht einmal, daß im vorliegenden Fall eine Zuteilung oder eine Verwendung in eine(m) anderen Dienstzweig vorliegt.

Daher ist eine Anfechtung dieser Teile der Bestimmung, in concreto der Wortfolge 'zugeteilt oder nach Maßgabe seiner Eignung vorübergehend auch in einem anderen Dienstzweig als in dem, für den er aufgenommen wurde(,) verwendet' unzulässig und der Antrag in diesem Punkt offensichtlich nicht ausreichend begründet.

Darüber hinaus trifft die vom Antragsteller behauptete individuelle Betroffenheit durch eine Versetzung nicht zu:

Der eindeutige Wortlaut des §4 Abs7 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 sagt: 'Die Versetzung ist die dauernde Zuweisung eines Beamten an eine andere Dienststelle'.

Wie bereits oben ... dargestellt werden konnte, erfolgt(e) im vorliegenden Fall keine dauernde Zuweisung des Antagstellers an eine andere Dienststelle, vielmehr verblieb der Antragsteller bei seiner bisherigen Dienststelle. Lediglich die Dienststelle selber wurde aufgrund der Verlegung des Amtes der NÖ Landesregierung insgesamt 'übersiedelt'.

Daher liegt die vom Antragsteller behauptete 'Versetzung' nicht vor, sodaß es auch in diesem Punkt dem Antragsteller nicht gelingt, seine individuelle Betroffenheit nachzuweisen."

2. Der Antrag ist auf Grund der nachstehenden Erwägungen nicht zulässig:

2.1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und diese - im Fall einer Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das Gesetz selbst tatsächlich erfolgt. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die - rechtlich geschützten - Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. etwa VfSlg. 9084/1981, 10511/1985).

In Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die bekämpfte gesetzliche Bestimmung für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfaltet. Es kommt nämlich im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985, 11889/1988).

2.1.2. Schließlich hat der Antrag die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen (§62 Abs1, zweiter Satz VerfGG 1953). Das Fehlen einer geeigneten Darlegung im Sinne dieser Bestimmung ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl. VfSlg. 10577/1985, 12223/1989, 12564/1990, 13809/1994.

2.2.1. Im vorliegenden Antrag nun werden zum einen verfassungsrechtliche Bedenken nur gegen die Versetzungsregelung der - (auch) insoweit trennbaren - Bestimmung des §26 Abs3 Satz 1 DPL 1972 vorgebracht, hingegen fehlt es an einer Darlegung von gegen die Verfassungsmäßigkeit der übrigen Teile der angefochtenen Regelung, namentlich über die Zuteilung und über eine vorübergehende Verwendung in einem anderen Dienstzweig, sprechenden Bedenken überhaupt. Der Antrag war daher, soweit er sich auch gegen die in der bekämpften Bestimmung geregelten Institute der Zuteilung sowie der (vorübergehenden) Verwendungsänderung richtet, schon als an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidend - als unzulässig - zurückzuweisen.

2.2.2. Soweit der Antrag wiederum die Versetzungsbestimmung in §26 Abs3 Satz 1 DPL 1972 betrifft, sind die prozessrechtlichen Annahmen des Einschreiters offenbar schon von der Prämisse her verfehlt: Wurde nämlich - wie es unbestritten feststeht - in Folge einer Verlegung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung insgesamt von Wien nach St. Pölten (s. NÖ Landeshauptstadt-Errichtungsgesetz, LGBl. 0007-0) auch jene Dienststelle, bei der der Antragsteller Dienst versieht, dorthin verlegt, kann es sich angesichts der vom Antragsteller geschilderten faktischen Situation im Zusammenhang mit der an ihn gerichteten Weisung, ab 1.9.1997 in St. Pölten seinen Dienst zu versehen, gar nicht um eine "Versetzung" im Sinne der angefochtenen Regelung handeln, worunter iVm §4 Abs7 DPL 1972 allein die dauernde Zuweisung eines Beamten an eine andere Dienststelle gemeint sein kann. Damit ist aber eine (aktuelle) Beeinträchigung der rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers durch die von ihm bekämpfte Versetzungsbestimmung in §26 Abs3 Satz 1 DPL 1972 von vornherein ausgeschlossen. Demgemäß war der Antrag auch insoweit, als darin die Versetzungsregelung des §26 Abs3

Satz 1 DPL 1972 als verfassungswidrig angefochten wird - mangels Legitimation des Antragstellers - als unzulässig zurückuweisen.

2.3. Der Antrag war daher bereits aus den dargelegten Gründen insgesamt - weil die angefochtene Gesetzesbestimmung zum Teil in die Rechtssphäre des Antragstellers gar nicht unmittelbar aktuell eingreift, teils gegen sie verfassungsrechtliche Bedenken vom Antragsteller überhaupt nicht vorgetragen wurden - als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedurfte, ob auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorlägen.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite sowie in sinngemäßer Anwendung der litc VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, Dienstrecht, Versetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G440.1997

Dokumentnummer

JFT_10009777_97G00440_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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