Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des M in B, geboren am 9. Juni 1973, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwalt in 5280 Braunau, Stadtplatz 50/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. August 2000, Zl. 209.858/0-VIII/22/99, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- (EUR 908,41) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, betrat am 17. Dezember 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 18. Dezember 1998 einen Antrag auf Asyl.
Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 2. Februar 1999 brachte er vor, sein Bruder (vgl. zu diesem das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0494) habe im Iran Kontakt zu Christen unterhalten. Auch der Beschwerdeführer selbst habe sich "informieren lassen". Sein Bruder und er hätten mit zwei Freunden, es habe sich um Armenier gehandelt, Kontakt gepflogen und verbotene christliche Bücher gelesen. Man habe armen Leuten geholfen und diese finanziell unterstützt. Einer der beiden armenischen Bekannten sei vor ca. 7 Monaten (gerechnet vom Tag der Einvernahme) verhaftet worden. Der Beschwerdeführer habe sich mit seinem Bruder daraufhin zu Verwandten nach Teheran begeben und in weiterer Folge, als es bei seinen Eltern zweimal zu einer Hausdurchsuchung gekommen sei, den Iran verlassen. In Österreich habe er die Nachricht erhalten, dass sein Vater einige Tage in Untersuchungshaft genommen worden sei, weil man bei ihm Bücher aus der Schah-Zeit gefunden habe.
Der Beschwerdeführer fürchte, im Falle seiner Rückkehr in den Iran getötet zu werden, weil er vom Islam zum Christentum übergetreten sei. Er sei zwar nicht getauft, habe aber eine entsprechende innere Einstellung und würde, wenn er im Iran befragt würde, sein Christentum bekennen.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13. April 1999 gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Den Ausführungen des Beschwerdeführers könne keine wie auch immer geartete asylrelevante Verfolgungshandlung entnommen werden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er unter anderem ausführte, es liege der Verdacht nahe, dass die Hizbollah vermute, dass sein Bruder und er sowie die zwei christlichen Armenier versucht hätten, durch Verteilung von Lebensmitteln an arme, moslemische Personen diese zum christlichen Glauben zu bekehren. Solche auch nur vermutete Aktivitäten würden im Iran sehr streng bestraft. Sollte er in seine Heimat abgeschoben werden, würde er sofort einer unmenschlichen Behandlung, einer Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt sein.
Die belangte Behörde führte am 20. Oktober 1999 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, in der der Beschwerdeführer darlegte, dass sein Vater für die Gendarmerie gearbeitet habe und seit dem Jahr 1981 nicht mehr zur Arbeit gegangen sei. Es sei im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren wegen seiner Pensionierung zweimal in Untersuchungshaft gewesen, im Jahre 1987 sei jedoch seine Pensionierung anerkannt worden.
Der Beschwerdeführer habe zwei bis dreimal pro Woche Kontakt mit einem christlichen Armenier gehabt. Dieser sei ins Armenviertel gegangen. Manchmal sei auch der Bruder des Beschwerdeführers mit ihm gegangen. Ein paar mal - "eigentlich selten" - sei auch der Beschwerdeführer mitgegangen. Der Armenier habe Lebensmittel ausgeteilt und auch Hefte mit christlichem Inhalt verteilt. Dies sei im Iran verboten.
Der Beschwerdeführer legte auch eine Taufbestätigung der "International Teams Austria" vor, wonach er am 17. März 1999 getauft worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer über seinen Bruder einen armenischen Christen namens E.M. kennen gelernt habe, mit dem er sich angefreundet habe und über den er auch mit der Bibel in Kontakt gekommen sei. Er habe seinem Freund sporadisch bei der Verteilung von Lebensmitteln an Bedürftige geholfen, jedoch keine Kontakte zu christlichen Kirchen im Iran gehabt. E.M., der über wohlhabende Verwandte verfügt habe, habe weder einer christlichen Hilfsorganisation angehört noch eine solche gegründet. Nachdem E.M. im April/Mai 1998 geflohen sei, habe auch der Beschwerdeführer im Dezember 1998 den Iran verlassen.
Im März 1999 sei der Beschwerdeführer in Linz von "International Teams" getauft worden. Bei dieser Vereinigung handle es sich um eine mit der "iranischen christlichen Gemeinschaft" in enger Verbindung stehende evangelikale Strömung, die in Österreich weder als Religionsgemeinschaft noch als Bekenntnisgemeinschaft anerkannt werde. Die von ihr unterzeichneten "Taufzeugnisse" hätten in Österreich keinen amtlichen Wert. Der Berufungsbehörde sei aus anderen anhängigen Verfahren bekannt, dass die Organisation "International Teams", welche auch in Traiskirchen eine Außenstelle habe, in letzter Zeit besonders aktiv sei, wodurch sich viele iranische Asylwerber in der Hoffnung taufen ließen, dadurch ihre Chancen auf eine Asylerlangung zu steigern.
In Bezug auf die Gefahr einer Verfolgung wegen des Glaubenswechsels legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung eine aus Exzerpten von Berichten unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters zusammengestellte Dokumentation "Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener" zu Grunde, aus der sie nach einem Hinweis darauf, dass die herangezogenen Quellen "bei oberflächlicher Betrachtung ... nicht unerheblich" voneinander abwichen, folgende Schlüsse zog:
"Ein im Stillen vollzogener Glaubenswechsel stört die iranischen Machthaber nicht; anderes gilt hingegen, wenn sie darin einen Angriff auf das (politische) Prinzip, dass der Islam Grundlage des iranischen Staates ist, erblicken. Daher ist eine Gefährdung umso eher anzunehmen, je mehr davon auszugehen ist, dass der neue Glaube in der nichtchristlichen iranischen Öffentlichkeit (d.h. etwa außerhalb der - vom Regime grundsätzlich geduldeten - christlichen Gottesdienste) präsentiert wird, was die in mehreren dargestellten Berichten erwähnte Gefährdung von missionarisch tätigen Personen ebenso erklärt wie die sich aus den Papieren des Deutschen Auswärtigen Amtes bzw. UNHCR ergebenden Übergriffe gegen Kirchenführer und andere in der Öffentlichkeit besonders aktive Kirchenmitglieder. Aus diesem Konzept erklärt sich auch die in der Mitteilung der schwedischen Delegation an CIREA getroffene Aussage, die iranischen Behörden betrachteten im Ausland vollzogene Glaubensübertritte grundsätzlich bloß als auf die Anerkennung als Flüchtling gerichtete und somit "technische" Handlungen: Einem zum Zwecke der Asylerlangung vollzogenen Glaubenswechsel - die Asylantragstellung wird von iranischen Behörden nicht als politischer Akt angesehen ... - fehlt die politische Dimension."
Zur Würdigung der Beweise führte die belangte Behörde u.a. aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen in einem sehr wesentlichen Punkt gesteigert habe. Während er bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme nichts von missionarischen Aktivitäten seines Freundes E.M. angeführt habe, habe er bei der zweitinstanzlichen Einvernahme vorgebracht, dass sein Freund mit manchen Armen in Rasht über religiöse Themen gesprochen habe und auch kleine Hefte verteilt habe. Der Beschwerdeführer habe persönlich keinen "besonders" glaubwürdigen Eindruck gemacht, weil er die wesentlichen Fakten beginnend von der politischen Betätigung seines Vaters bis zu den angeblichen Missionierungsversuchen des Freundes seines Bruders und den Angaben über "International Teams" zu wenig konkret habe schildern können. Insbesondere werde das Vorbringen über die Missionierungsversuche durch E.M. nicht als glaubhaft angesehen. Festzuhalten sei, dass der Beschwerdeführer nicht konkret behauptet habe, die Absicht zu haben, in Zukunft missionarisch tätig zu werden. Vielmehr bestünden offenbar - nach der Taufe - keine Kontakte mehr mit "International Teams".
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass der monarchistischen Einstellung des Vaters des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz für den Beschwerdeführer zukomme. Im Iran sei es auch nicht strafbar, mit armenischen Christen befreundet zu sein und Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen. Die behauptete missionarische Tätigkeit des Freundes des Bruders des Beschwerdeführers sei nicht glaubwürdig. Die bloße Beschäftigung mit der Bibel "in den eigenen vier Wänden" sei im Iran kein Grund für Verfolgung. Das Risiko des Bekanntwerdens der Taufe sei "ein sehr geringes" und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass gerade im Fall des Beschwerdeführers der erfolgte Glaubenswechsel von den iranischen Behörden nicht bloß als eine auf Asylanerkennung ausgerichtete Handlung betrachtet würde. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Taufe bekannt würde, begründete dies für sich allein kein maßgebliches Verfolgungsrisiko, weil die Konversion an sich in der Regel nicht verfolgt werde. Beim Beschwerdeführer trete zur Konversion kein erschwerendes Element hinzu, sodass eine Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei. Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Sinn des § 7 AsylG seien nicht erfüllt. Zu den fehlenden Voraussetzungen für einen Refoulementschutz gemäß § 57 FrG werde auf die zutreffende erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist darauf einzugehen, dass die zur hg. Zl. 2000/20/0494 protokollierte Beschwerde des Bruders des Beschwerdeführers gegen den in weiten Teilen wortgleichen Berufungsbescheid über dessen Asylantrag mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2000 gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen wurde. Dem lag zu Grunde, dass die dem Bruder des Beschwerdeführers drohende Verfolgung in dessen Beschwerde im Wesentlichen nur darauf gegründet wurde, dass man von ihm den Aufenthaltsort von E.M. in Erfahrung zu bringen trachte, was der Verwaltungsgerichtshof als unzulässige Neuerung erachtete. Den Ausführungen der belangten Behörde zur fehlenden Gefahr einer Verfolgung wegen des Glaubenswechsels wurde in der mit diesem Erkenntnis erledigten Beschwerde nicht entgegengetreten. Da die Entscheidung ohne Einleitung des Vorverfahrens gefällt wurde, konnte auf den vollständigen Inhalt der Berufung - dessen Darstellung durch die belangte Behörde in der Beschwerde nicht als verkürzt kritisiert wurde - und auf die Volltexte der in der Dokumentation "Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener" zusammengefassten Berichte nicht eingegangen werden.
Im vorliegenden Fall wird in der Beschwerde - abgesehen von unzulässigen Neuerungen in Bezug auf eine Tätigkeit des Beschwerdeführers in einer "Untergrundorganisation" und eine nun auch behauptete politische Auseinandersetzung mit der "Diktatur des Mullah-Regimes" - die Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben vorrangig geltend gemacht und der Ansicht der belangten Behörde, ein "Abfall vom Islam" werde unter den von der belangten Behörde angenommenen Voraussetzungen im Iran geduldet, entgegengetreten. Der Beschwerdeführer wendet sich im Besonderen auch gegen die Argumentation der belangten Behörde, sein Glaubenswechsel würde dann, wenn er den iranischen Behörden zur Kenntnis gelange, als eine bloß auf Asylanerkennung ausgerichtete Handlung gewertet werden. Er hält dem entgegen, dies setze - im Sinne des von der belangten Behörde u.a. herangezogenen Botschaftsberichtes vom 21. April 1999 - voraus, dass er sich reuig wieder zum Islam bekenne und somit seinen christlichen Glauben verleugne. Davon abgesehen macht er geltend, dass er auch damit rechnen müsse, als christlicher Missionar qualifiziert zu werden. Dass seine Konversion unerkannt bleiben würde, sei schon auf Grund der im Falle einer Rückkehr in den Iran zu erwartenden genauen Überprüfung und der Möglichkeit, im Wege der iranischen Botschaft in Österreich Informationen über ihn einzuholen, nicht anzunehmen.
Auf der Grundlage dieses Beschwerdevorbringens, des schon in der Berufung erstatteten Vorbringens zur Gefahr einer strengen Bestrafung auch wegen nur vermuteter Bekehrungsversuche und der in den vorgelegten Akten zum Teil enthaltenen, dem Verwaltungsgerichtshof inzwischen aber auch aus anderen Akten bekannten Volltexte der in der Dokumentation "Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener" zusammengefassten Quellen ist der angefochtene Bescheid aus den in dem hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200486.X00Im RIS seit
11.03.2002