TE Vwgh Erkenntnis 2001/12/19 2000/20/0527

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Veröffentlicht am 19.12.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der A in G, geboren am 4. Oktober 1976, vertreten durch Mag. Johannes Fraißler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburgerkai 47/HP, gegen den am 4. September 2000 verkündeten und am 6. September 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 217.965/0- III/07/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- (entspricht EUR 908,41) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ghana, stellte am 22. Jänner 1999 einen Asylantrag und gab anlässlich ihrer Einvernahme am 26. März 1999 an, ihr Vater sei Stellvertreter des ehemaligen Stammeskönigs ihres Heimatortes gewesen. Als es innerhalb ihres Stammes zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Einsetzung eines neuen Königs gekommen sei, habe sie an den Kampfhandlungen, die bis zu ihrer Flucht aus dem Heimatland gedauert hätten, nicht teilgenommen. Sie habe sich jedoch am 3. Jänner 1999 an einer Demonstration gegen den neuen König beteiligt und dabei geschrieen. Anhänger des neuen Königs hätten ihr Elternhaus zerstört.

Nach einer weiteren Einvernahme der Beschwerdeführerin am 22. Mai 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 3. Juli 2000 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana zulässig sei. Die geschilderten Angaben der Beschwerdeführerin vom 26. März 1999 über ihre Fluchtgründe stünden mit jenen, die sie im Rahmen ihrer zweiten Einvernahme vorgebracht habe, im Widerspruch und seien daher insgesamt nicht glaubwürdig. So habe sie anlässlich ihrer neuerlichen Einvernahme vorgebracht, sie hätte bei den Auseinandersetzungen um die Thronfolge eine andere Person mit einem Messer verletzt und somit doch an den Gewalttaten aktiv teilgenommen. Ihren ersten Angaben, sie hätte gesehen, wie ihr Elternhaus gebrannt hätte, habe die Beschwerdeführerin mit ihren Aussagen vom 22. Mai 2000 widersprochen und vorgebracht, sie hätte nur von einer anderen Person über den Brand ihres Elternhauses gehört. Mangels Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe der Beschwerdeführerin komme ihrem Asylantrag kein Erfolg zu und sei von einer Gefährdung und/oder Bedrohung ihrer Person im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG nicht auszugehen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich die Beschwerdeführerin gegen den Vorwurf der Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen. Sie habe sich im Rahmen der Unruhen in ihrem Dorf mitreißen lassen, bei Gelegenheit ihre Meinung geschrieen und in einem sehr turbulenten Augenblick ohne Vorsatz auf einen der Gegner eingestochen. Während dieser Tage seien schreckliche Dinge passiert, Menschen seien getötet worden, eine Polizeistation sei abgebrannt, auch die Polizei habe ihrerseits einige Menschen getötet. Über all diese Vorkommnisse sei in den Medien und Printmedien berichtet worden, sodass diese Vorfälle vom Jänner 1999 und "wahrscheinlich auch die Involvierung meines Vaters in diese Auseinandersetzungen" nachprüfbar seien. Die Asylbehörde scheine zu verkennen, dass ihr Stamm der Ashanti ein in Ghana sehr machtvolles und einflussreiches Volk sei und es sich deshalb nicht um eine regional begrenzte Fehde gehandelt habe. Daher sei die Asylbehörde ihrer Ermittlungspflicht nicht genügend nachgekommen, wogegen sich die Berufung der Beschwerdeführerin richte. Auch habe die Behörde in keiner Weise gewürdigt, dass es in Ghana nach wie vor die Todesstrafe für Mord gebe und Menschen "schuldig und auch unschuldig" zum Tode verurteilt würden. Die Regierung Ghanas suche nach Anhängern des alten Königs "und damit auch nach mir".

Die belangte Behörde führte im Rahmen einer Berufungsverhandlung eine neuerliche Einvernahme der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen durch und hielt ihr dabei Widersprüche in ihren bisherigen Angaben vor. Angesprochen auf die Kampfhandlungen gab die Beschwerdeführerin an, dass diese durch die Angehörigen ihrer und einer anderen Familie im Streit um die Thronfolge verursacht worden seien. Außerdem, so die Beschwerdeführerin, gebe es in Ghana auch "politische Probleme". Es gebe die NPP und die NDC-Partei und da "die andere Familie der Regierungspartei NDC angehörte, wurde sie von der Regierung unterstützt".

Nachdem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mehrere Berichte über die politische Situation in Ghana (der jüngste stammend vom 7. Dezember 1998), vorgehalten hatte, wies sie die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid ab. Nach der Begründung dieser Entscheidung in der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides stelle "die Aussage der Asylwerberin die zentrale Erkenntnisquelle dar", weshalb die Angaben der Beschwerdeführerin bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen seien. In Würdigung dargestellter Widersprüche der Fluchtgeschichte der Beschwerdeführerin gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Beschwerdeführerin keine mit der Wirklichkeit übereinstimmende Geschichte vorgetragen habe, weshalb die von ihr "relevierten Umstände bzw. Ereignisse" nicht hätten festgestellt werden können. Mangels Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin sei ihr daher weder Asyl noch Abschiebungsschutz zu gewähren.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die tragende Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich in der Versagung der Glaubwürdigkeit der von der Beschwerdeführerin geschilderten Fluchtgeschichte. In Anbetracht der Vielzahl von Widersprüchen und Ungereimtheiten im Vorbringen der Beschwerdeführerin könnten ihre Ausführungen von einer "mit Vernunft begabten Person" nicht als glaubhaft erachtet werden. Auch nach dem von der Beschwerdeführerin gewonnenen persönlichen Eindruck könne von einer lebendigen und wirklichkeitsnahen Schilderung der angeblich erlebten Umstände keine Rede sein. Beweiswürdigend stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung somit ausschließlich auf die Aussage der Beschwerdeführerin als "zentrale Erkenntnisquelle" und ging auf deren ausdrücklichen Hinweis über die Verifizierbarkeit ihrer Angaben durch Medienberichte nicht ein.

Wenn die Beschwerdeführerein nun in der Beschwerde die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, weist sie zu Recht darauf hin, dass sich die belangte Behörde mit dem schon in der Berufung erstatteten Vorbringen über die Berichterstattung betreffend die geschilderten Vorfälle in den Medien hätte auseinander setzen und entsprechende Nachforschungen anstellen müssen (was ihr etwa durch Nachfrage bei der österreichischen Botschaft im Heimatstaat der Beschwerdeführerin leicht möglich gewesen wäre). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass aus den in der Berufungsverhandlung erörterten Berichten (der jüngste dieser Berichte stammt, wie erwähnt, vom 7. Dezember 1998) für die in Rede stehenden Ereignisse im Jänner 1999 schon mangels Aktualität nichts zu gewinnen ist.

Entsprächen die behaupteten Kampfhandlungen im Heimatort der Beschwerdeführerin den Tatsachen, so ist - ungeachtet dessen, ob die im angefochtenen Bescheid gewürdigten Schilderungen der Beschwerdeführerin über den Ablauf dieser Kampfhandlungen und über ihre eigene Beteiligung zutreffen - nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde - entsprechende Ermittlungen und Feststellungen vorausgesetzt - zu einem für die Beschwerdeführerin günstigen Verfahrensergebnis gelangt wäre: Nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin (deren Identität und Abstammung auch im angefochtenen Bescheid nicht angezweifelt wird) gehört die gegnerische Gruppe ihres Stammes der Regierungspartei an und werde deshalb von der Regierung unterstützt. Vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde nicht weiter überprüften Berufungsangaben, dass die Regierung nach Anhängern des alten Königs "und damit auch nach mir" suche, wäre daher eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus Gründen ihrer politischen Gesinnung nicht auszuschließen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Die beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200527.X00

Im RIS seit

12.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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