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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E119 EGV Art119;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Johann Stöhr, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1060 Wien, Mariahilferstraße 17/14, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 16. Mai 1995, Pensionszahl 33880200, betreffend Neubemessung der Witwer-Versorgungsgenüsse, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1939 geborene Beschwerdeführer steht in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
Am 21. Juni 1988 verstarb seine Ehefrau, die ebenfalls in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien gestanden ist.
Mit Bescheid vom 22. August 1988 sprachen die Wiener Stadtwerke aus, dass dem Beschwerdeführer "gemäß §§ 14 ff der Pensionsordnung 1966 (PO 1966) ab 1. Juli 1988 ein Witwerversorgungsgenuss von monatlich S 3.010,83 und gemäß § 6 des Ruhe- und Versorgungsgenußzulagengesetzes 1966 (RVZG 1966) eine Versorgungsgenusszulage von monatlich S 446,75" gebühre. Unter Darlegung der Berechnung der Höhe des Witwerversorgungsgenusses und der Versorgungsgenusszulage führte die Behörde im Rahmen der Begründung weiter aus, dass gemäß Art. II der 7. Novelle zur Pensionsordnung 1966 die wiederkehrenden Leistungen zu einem Drittel, vom 1. Jänner 1989 an zu zwei Dritteln und vom 1. Jänner 1995 an in vollem Ausmaß gebührten.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Bescheid vom 2. Jänner 1995 sprachen die Wiener Stadtwerke gegenüber dem Beschwerdeführer aus, dass gemäß § 64e der Pensionsordnung 1966 (PO 1966) iVm §§ 15 bis 15c PO 1966 sein Witwer-Versorgungsgenuss ab 1. Jänner 1995 40 v.H. des Ruhegenusses seiner verstorbenen Gattin, das seien S 7.847,23 brutto, betrage. Seine Versorgungsgenusszulage belaufe sich gemäß § 6 des Ruhe- und Versorgungsgenusszulagengesetzes (RVZG 1966) auf 40 v.H. der Ruhegenusszulage, das seien S 1.167,07 brutto. Zur Begründung führte die Erstbehörde nach Wiedergabe des Inhaltes des Bescheides vom 2. August 1988 im Wesentlichen aus, dass mit Art. VII Abs. 2 Z. 2 lit. a der 14. Novelle zur Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 20/1994, die Bestimmung des Art. II Abs. 2 der 7. Novelle zur Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 34/1986, außer Kraft gesetzt worden sei. Gemäß § 64e Abs. 4 PO 1966 sei daher der Witwer-Versorgungsgenuss neu zu bemessen gewesen. Im Rahmen der weiteren Begründung legte die Erstbehörde die Berechnung der Höhe der Versorgungsgenüsse dar.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Begründung Berufung, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 22. August 1988 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nicht gegeben seien. Der angefochtene Bescheid greife daher rechtswidrig in seine wohlerworbenen Rechte ein. Soweit sich der angefochtene Bescheid auf § 64e Abs. 4 idF der 14. Novelle zur Pensionsordnung 1966 stütze, liege darin eine Verfassungswidrigkeit und ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union. § 64e Abs. 1 und 4 der PO 1966 seien diskriminierend, weil sie Witwer und Witwen, deren Sozialverhältnisse ähnlich seien, ausschließlich auf Grund ihres Geschlechtes unterschiedlich behandelten. Diese Unterscheidung sei auf keine vernünftigen und objektiven Kriterien zurückzuführen und verstoße gegen Art. 2 des Staatsgrundgesetzes, Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 14 EMRK und Art. 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Nach § 64e Abs. 1 idF der 14. Novelle der Pensionsordnung 1966 habe eine Witwe, die ihren Versorgungsanspruch vor dem 1. Jänner 1995 erworben habe, unverändert Anspruch darauf, dass § 15 leg. cit. in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden sei, wo hingegen die weitere Anwendung der genannten Bestimmung für den Witwer nur im Falle seiner Erwerbsunfähigkeit und Bedürftigkeit anzuwenden sei. Aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen sei daher die auf Witwen anzuwendende Regel auch seinem Anspruch zu Grunde zu legen. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Neubemessung sei daher unzulässig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens führte sie aus, dass mit Art. III des Gesetzes, mit dem u.a. die Pensionsordnung 1966 geändert wurde (14. Novelle zur Pensionsordnung 1966), LGBl. Nr. 20/1994, die den Witwen- und Witwerversorgungsgenuss regelnden Bestimmungen neu gestaltet worden seien. Zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach eine Neubemessung seiner Versorgungsgenüsse rechtswidrig sei, werde darauf verwiesen, dass gemäß Art. VII des zitierten Gesetzes Art. III dieses Gesetzes und damit die neuen Bestimmungen über die Bemessung mit 1. Jänner 1995 in Kraft getreten seien. Mit Ablauf des 31. Dezember 1994 sei Art. II des Gesetzes LGBl. Nr. 34/1986, der die Übergangsregelungen der 7. Novelle zur Pensionsordnung 1966 enthalten habe, außer Kraft getreten. Mit
§ 64e PO 1966 seien Übergangsregelungen für die Versorgungsansprüche geschaffen worden, die vor dem 1. Jänner 1995 erworben worden seien. Gemäß Abs. 1 der Bestimmung sei
§ 15 leg. cit. in der vor dem 31. Dezember 1994 geltenden Fassung u. a. auf den Versorgungsgenuss und den Unterhaltsbeitrag der Witwe und der früheren Ehefrau sowie auf den Versorgungsgenuss und den Unterhaltsbeitrag des Witwers und des früheren Ehemannes, die erwerbsunfähig und bedürftig seien, anzuwenden. Gemäß § 64e Abs. 4 leg. cit. sei jedoch u.a. der bestehende Versorgungsgenuss des Witwers, auf den Abs. 1 nicht anzuwenden sei, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 gemäß §§ 15 bis 15c und § 50 Abs. 4 in der am 1. Jänner 1995 geltenden Fassung neu zu berechnen.
In der Bestimmung des § 64e PO 1966 liege eine positivrechtliche Anordnung zur Neubemessung der Versorgungsgenüsse, die vor dem 1. Jänner 1995 erworben worden seien und für die nicht bestimmte Voraussetzungen gälten. Die Einwendung der entschiedenen Sache komme nur dann in Frage, wenn keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten sei. Die Wiederaufnahme des Verfahrens komme nur bei Identität der Sache zum Tragen. Änderung der Sach- oder Rechtslage bedeute ungleiche Sache, sodass neu entschieden werden könne. Eine Rechtswidrigkeit mangels Vorliegen von Wiederaufnahmegründen sei daher nicht gegeben.
Nach Erörterung der Berechnung der Höhe der Versorgungsgenüsse führte die belangte Behörde abschließend aus, dass die in der Berufung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die unterschiedliche landesgesetzliche Regelung der vor dem 1. Jänner 1995 erworbenen Ruhegenüsse für Witwen und bedürftige Witwer auf der einen und für andere Witwer auf der anderen Seite nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sein könne. Da die von der Erstbehörde getroffene Neubemessung gemäß den Bestimmungen der Pensionsordnung 1966 idF der 14. Novelle erfolgt sei, sei die Berufung abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung seiner Beschwerde mit Beschluss vom 5. Jänner 1998, B 2187/95, ablehnte und diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Bezug der ihm zustehenden Witwerpension verletzt. Bis zum Inkrafttreten der 14. Novelle zur Pensionsordnung 1966 sei die Bemessung der Ansprüche des Beschwerdeführers auf Versorgungsgenüsse in gleicher Höhe erfolgt, wie sie auch einer Witwe in vergleichbarer Lage zuerkannt worden wären. Durch die genannte Novelle habe der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, der zufolge die Höhe des Versorgungsgenusses davon abhänge, ob der Antragsteller Witwer oder Witwe sei. Gemäß § 64e Abs. 1 PO 1966 habe eine Witwe, die ihren Versorgungsanspruch vor dem 1. Jänner 1995 erworben habe, unverändert darauf Anspruch, dass auf sie § 15 leg. cit. in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden sei, wogegen die weitere Anwendung dieser Bestimmung auf den Witwer nur dann zu erfolgen habe, wenn dieser erwerbsunfähig oder bedürftig sei. Der Beschwerdeführer habe schon in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geltend gemacht, dass eine geschlechtsspezifische Unterscheidung gegen das Gleichheitsgebot verstoßen würde. Der Verfassungsgerichtshof habe die Behandlung seiner Beschwerde mit der Begründung abgelehnt, dass verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennbar wären, da es sich um die Auslegung eines einfachen Gesetzes handelte, die allenfalls grob unrichtig erfolgt wäre, sodass der Verwaltungsgerichtshof zur Beantwortung des Beschwerdevorbringens zuständig wäre. Es sei davon auszugehen, dass die Auslegung der belangten Behörde darauf hinauslaufe, dass zwischen weiblichen und männlichen Anspruchsberechtigten unterschieden werde und innerhalb der letzten Gruppe eine Differenzierung nach Erwerbsunfähigkeit oder Bedürftigkeit erfolge. Auch wenn wohlerworbene Rechte an sich keinen verfassungsrechtlichen Schutz genössen, reiche ein Eingriff des Gesetzgebers in die Verfassungssphäre, wenn das Vertrauen des Verletzten in die Rechtsordnung im Hinblick auf ihm künftig zustehende Rechte zerstört werde. Gerade das liege vor, wenn jemand Pensionsansprüche durch Jahre zu Recht bezogen habe, die zunächst nur teilweise Zuerkennung ab einem gesetzlich seit Jahren feststehenden Zeitpunkt für die Zukunft voll zustehen solle und er daher langfristig seinen Lebensstandard daran orientiert habe, ohne dass ein Grund vorgelegen habe, dass die ihm rechtskräftig zuerkannte Pension durch eine Neubemessung geschmälert werden dürfe. Durch die Neubemessung sei in seinen Anspruch, auf den er vertrauen habe können und der ihm als Grundlage seiner Lebensgestaltung Maßstab gewesen sei, eingegriffen worden.
Der Hinweis des Verfassungsgerichtshofes auf die grob unrichtige Auslegung des Gesetzes mache deutlich, dass die Bestimmung (des § 64e PO 1966) verfassungskonform auslegbar sei. Verfassungskonform sei eine Auslegung nur dann, wenn sie nicht zu geschlechtsspezifischen Differenzierungen führe. Die grammatikalische Auslegung des § 64e PO 1966 idF der 14. Novelle ergebe, dass eine Neubemessung nur dann zu erfolgen habe, wenn Erwerbsunfähigkeit und Bedürftigkeit der früheren Ehefrau oder des früheren Ehemannes nicht vorlägen. Verfassungskonform sei eine Unterscheidung zwischen der Witwe und der früheren Ehefrau und dem Witwer oder dem früheren Ehemann, wenn diese jeweils gleich behandelt würden. Dies führe zu dem Ergebnis, dass eine verfassungskonforme Auslegung gebiete, dass ein vor dem 1. Jänner 1995 erworbener Versorgungsanspruch in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung weiterhin auf Witwe und Witwer anzuwenden sei.
Folge man dieser Auffassung nicht, dann verletze der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anwendung des Gesetzes unter Beachtung des Art. 119 des EG-Vertrages (EG-V). Die belangte Behörde hätte die gebotene Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu beachten gehabt, weil (offenbar gemeint:) die Ehegattin des Beschwerdeführers in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden sei, sodass der Pensionsanspruch des Beschwerdeführers als Zahlung des Gehaltes nach Versetzung in den Ruhestand zu qualifizieren sei. Er habe daher Entgeltansprüche in Form von Versorgungsgenüssen, für die Art. 119 EG-V maßgeblich sei. Eine unterschiedliche Behandlung von Witwen und Witwern, soweit letztere nicht erwerbsunfähig oder bedürftig seien, bewirke eine ungleiche Entgeltzahlung für Männer, wenn diese nicht erwerbsunfähig oder bedürftig seien, gegenüber Frauen (Witwen). Damit habe die belangte Behörde eine Bestimmung angewendet, die auf Grund der Auslegung durch das EG-Recht unanwendbar sei, und bewirkt, dass der Bescheid mit Gesetzwidrigkeit, ja Gesetzlosigkeit belastet sei.
Selbst wenn man Art. 119 EG-V nicht als "acte claire" werte und meine, dass dessen Auslegung klärungsbedürftig sei und zu prüfen wäre, ob sein Inhalt die ausgeführte (richtig:) Unanwendbarkeit des § 64e Abs. 1 der Pensionsordnung 1966 idF der 14. Novelle nach sich ziehe, wären die damit aufgetretenen Fragen vom Europäischen Gerichtshof zu beurteilen, der im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen wäre.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Die 7. Novelle zur Pensionsordnung 1966, LGBl. (für Wien)
Nr. 34/1986, lautet auszugsweise:
"Artikel II
(1) Der Witwer hat nur dann Anspruch auf Witwerversorgungsgenuss, wenn seine Ehe nach dem 31. Dezember 1980 durch den Tod des weiblichen Beamten aufgelöst worden ist.
...
(2) Die wiederkehrenden Leistungen, auf die der Witwer und der frühere Ehemann Anspruch haben, gebühren
vom 1. August 1986 an zu einem Drittel,
vom 1. Jänner 1989 an zu zwei Dritteln und
vom 1. Jänner 1995 an im vollen Ausmaß.
Ist der Witwer oder der frühere Ehemann erwerbsunfähig oder
bedürftig, so entfällt die Einschränkung.
...
Artikel IV
Dieses Gesetz tritt mit 1. August 1986 in Kraft.
..."
Das Gesetz, mit dem (u.a.) die Pensionsordnung 1966 (14. Novelle zur Pensionsordnung 1966) geändert wurde, LGBl. Nr. 20/1994, lautet auszugsweise:
"Artikel III
...
10. Nach § 64c werden folgende §§ 64d und 64e samt Überschriften eingefügt:
...
Übergangsbestimmungen für den Versorgungsgenuss, den Übergangsbeitrag,
das Versorgungsgeld und den Unterhaltsbeitrag
§ 64e. (1) Wenn der Versorgungsanspruch vor dem 1. Jänner 1995 erworben worden ist, ist § 15 in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden auf
1. den Versorgungsgenuss und den Unterhaltsbeitrag der Witwe und der früheren Ehefrau,
2.
den Übergangsbeitrag der Witwe,
3.
den Versorgungsgenuss und den Unterhaltsbeitrag des Witwers und des früheren Ehemannes, die erwerbsunfähig und bedürftig sind,
4.
das Versorgungsgeld der Ehefrau und der früheren Ehefrau,
5.
das Versorgungsgeld des Ehemannes und des früheren Ehemannes, die erwerbsunfähig und bedürftig sind.
...
(4) Der bestehende Versorgungsgenuss oder Unterhaltsbeitrag des Witwers und des früheren Ehemannes sowie das bestehende Versorgungsgeld des (früheren) Ehemannes, auf die Abs. 1 nicht anzuwenden ist, sind mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 gemäß §§ 15 bis 15c und § 50 Abs. 4 in der am 1. Jänner 1995 geltenden Fassung neu zu bemessen. Dabei tritt bei Anwendung des § 15a, § 15b und § 50 Abs. 4 an die Stelle des Sterbetages der Beamtin der 1. Jänner 1995. § 15d ist anzuwenden.
Artikel VII
(1) Es treten in Kraft:
...
4. Art. III und Art. V Z. ... mit 1. Jänner 1995.
(2) Es treten außer Kraft:
1. Mit Ablauf des 31. Dezember 1993
...
2. Mit Ablauf des 31. Dezember 1994
a) Art. II und III des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 34/1986,
..."
Die Beschwerde zielt vorerst darauf ab, ihr - unter Hinweis auf die schon vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemachte Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des § 64e Abs. 1 der Pensionsordnung 1966 idF LGBl. Nr. 20/1994 - im Wege der "verfassungskonformen" Interpretation die Bedeutung beizumessen, dass ein vor dem 1. Jänner 1995 erworbener Versorgungsanspruch Witwen und Witwer - ohne Unterscheidung - "in der am 31.12.1994 geltenden Fassung", daher in dem zu diesem Zeitpunkt sich nach Art. II Abs. 2 der 7. Novelle zur Pensionsordnung 1966 bestimmenden Ausmaß zu bemessen ist.
Vorweg ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeausführungen nicht geeignet sind, Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des § 64e der Pensionsordnung 1966 zu erwecken, nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1997, B 3649/95 u.a. (Slg. 14960), durch die vergleichbare Bestimmung des § 62a Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965 idF des Pensionsreform-Gesetzes 1993, BGBl. 334 - die ebenfalls eine Neubemessung der Versorgungsgenüsse und Versorgungsgenusszulagen von Witwern und früheren Ehemännern mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 vorsieht, sofern sie nicht erwerbsunfähig und bedürftig sind - den Gleichheitsgrundsatz, insbesondere unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes, nicht als verletzt erachtete.
Andererseits vermag sich der Verwaltungsgerichtshof der vom Beschwerdeführer ins Auge gefassten Auslegung des § 64e der Pensionsordnung 1966 idF LGBl. Nr. 20/1994 aus folgenden Gründen nicht anzuschließen: Die sogenannte "verfassungskonforme Interpretation" ist nur ein Ausdruck der allgemeinen Interpretationsmaxime, dass im Zweifel kein Rechtsakt so zu verstehen ist, dass er fehlerhaft erscheint: Scheint zunächst ein Gesetzestext in verschiedener Weise auslegbar, so engt sich die Wahl auf jene Auslegung (oder Auslegungen) ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen lassen (vgl. etwa Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht, 9. Auflage, Rz 135, mwN.). Lässt allerdings der eindeutige und klare Wortlaut einer Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen, dann ist eine Untersuchung, ob nicht etwa die historische oder teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich. Auch die verfassungskonforme Auslegung hat dann zurückzutreten, denn nur im Zweifelsfalle gilt die Regel, der verfassungskonformen Auslegung den Vorzug zu geben; ist der Wortlaut einer Regelung eindeutig, liegt ein solcher Zweifelsfall nicht vor (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 104f, mwN., VwSlg. 7677/A sowie VwSlg. 9213/A).
Das vom Beschwerdeführer erzielte Interpretationsergebnis würde jedoch die Tatbestandsvoraussetzung des § 64e Abs. 1 Z. 3 zweiter Halbsatz der Pensionsordnung 1966 idF LGBl. Nr. 20/1994 schlichtweg negieren, wonach auf den Versorgungsanspruch des Witwers § 15 in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung weiterhin nur dann anzuwenden ist, wenn dieser erwerbsunfähig und bedürftig ist. Die Auslegung des Beschwerdeführers setzt sich über den eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung hinweg, weshalb ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen kann. Vielmehr ist der Auslegung der belangten Behörde der Bestimmung des § 64e Abs. 1 leg. cit. - ob des eindeutigen Wortlautes der Ausnahmebestimmung - nicht entgegenzutreten.
Schließlich vermag sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht der in der Beschwerde vorgenommenen Auslegung des Art. 119 EG-Vertrag anzuschließen. Art. 119 EG-Vertrag (nunmehr Art. 141 EG) gebietet die Gleichbehandlung von Personen verschiedenen Geschlechts in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer und stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgeltes für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. Unter den Begriff des "Entgeltes" können auch Leistungen aus einer Altersversorgung, insbesondere auch Hinterbliebenenrenten und vom öffentlichen Arbeitgeber gezahlte Pensionen fallen. Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-7/93, Beune, Slg. 1994, S. I- 4471, zur Altersversorgung durch einen Versorgungsfonds für den öffentlichen Dienst ausgeführt, dass als solches Versorgungssystem, das im Wesentlichen von der Beschäftigung abhänge, die der Betroffene ausgeübt habe, in dem Sinn, dass es, obwohl durch Gesetz geregelt, dem Beamten einen Schutz für den Fall des Alters gewährleiste und eine Vergütung darstelle, die der öffentliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses zahle, vergleichbar mit derjenigen, die ein privater Arbeitgeber auf Grund eines betrieblichen Systems zahle, in den Anwendungsbereich des Art. 119 EG-Vertrag mit der Folge falle, dass es dem in diesem Artikel niedergelegten Verbot der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts unterworfen sei. Für die Frage, ob ein Versorgungssystem in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 oder in den des Art. 119 des Vertrages falle, könne nämlich nur das Kriterium entscheidend sein, dass die Rente dem Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber bezahlt werde. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Rentensystem unter die Richtlinie 79/7 oder unter Art. 119 EG-Vertrag falle, sei die jeweilige Bedeutung der Kriterien zu analysieren, die der Gerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung herangezogen habe. Nach Maßgabe der ihm vorgelegten Sachverhalte habe der Gerichtshof insbesondere folgende Kriterien aufgestellt: Tätigwerden des Gesetzgebers bei der Festlegung eines Rentensystems, Absprache zwischen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretern, komplementärer Charakter der den Arbeitnehmern gewährten Vorteile im Verhältnis zu den Leistungen der sozialen Sicherheit, Modalitäten der Finanzierung des Rentensystems, seine Anwendbarkeit auf allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern, schließlich ein Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers (Rz 22 und 23). Die Feststellung, dass das Rentensystem unmittelbar durch Gesetz geregelt sei, stelle zweifellos einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass die von diesem System gewährten Leistungen solche der sozialen Sicherheit seien. Nach ständiger Rechtsprechung (unter Hinweis auf die Urteile in den Rechtssachen 80/70, Defrenne I, Slg. 1971, S. 445, sowie Ten Över, Slg. 1993, I-4879), seien zwar Vergütungen, die ihrer Natur nach Leistungen der sozialen Sicherheit seien, grundsätzlich nicht vom Entgeltbegriff auszuschließen, doch könnten unmittelbar durch Gesetz geregelte, keinerlei vertragliche Vereinbarungen innerhalb des Unternehmens oder in dem betroffenen Gewerbezweig zulassende Systeme oder Leistungen der sozialen Sicherheit, insbesondere Altersrenten, die zwingend für allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gälten, nicht in den Entgeltbegriff einbezogen werden, wie er in Art. 119 EG-Vertrag abgegrenzt sei. Denn diese Systeme sicherten den Arbeitnehmern Ansprüche aus gesetzlichen Systemen, an deren Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und gegebenenfalls die öffentliche Hand in einem Maße beteiligt seien, das weniger vom Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von sozialpolitischen Erwägungen abhänge (Rz 24).
Aus dem Gesagten folgt, dass Hinterbliebenenrenten nur dann unter den Begriff des "Entgeltes" im Sinn des Art. 119 EG-Vertrag (jetzt Art. 141 EG) fallen, wenn es sich um Leistungen handelt, die jenen eines Betriebsrentensystems vergleichbar sind. Dagegen fallen sie nicht unter diesen Begriff, wenn sie ausschließlich einer gesetzlichen Regelung entspringen und ganzen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen, ohne dass irgendeine Vereinbarung, ob einzeln oder kollektiv, vorliegt und wenn die Leistung Ausdruck eines sozialen Bedürfnisses ist; hierunter fallen hauptsächlich Leistungen der gesetzlichen System sozialer Sicherheit, die von einer öffentlichen Körperschaft direkt und in ihrem Namen erbracht werden (vgl. Julian Currall in Groeben-Thiesing-Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Auflage, Band 3, Rz 89f zu Art. 119 EG-V; Geiger, EUV/EGV, 3. Auflage, Rz 6 zu Art. 141 EG, je mwN.).
Bei den verfahrensgegenständlichen Witwerversorgungsgenüssen handelt es sich um Leistungen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit für Hinterbliebene, die von einer öffentlichen Körperschaft direkt erbracht werden. Die in Rede stehenden Versorgungsgenüsse des Beschwerdeführers fallen daher nicht unter den Entgeltbegriff des Art. 119 EG-Vertrag (nunmehr Art. 141 EG), sodass die Bestimmung des § 64e Abs. 1 der Pensionsordnung 1966 idF LGBl. Nr. 20/1994 mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang steht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2001
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Hinterbliebenenrente EntgeltAuslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998120012.X00Im RIS seit
03.04.2002Zuletzt aktualisiert am
16.12.2011