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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Ing. R in S, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien XIII, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 22. Juni 1999, Zl. MA 2/242/96, betreffend Abweisung einer Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung und Bezahlung von Überstunden, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1940 geborene Beschwerdeführer steht als Stadtgartenamtsrat i. R. seit 1996 in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien.
Bereits mit Schreiben vom 23. September 1994 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er laufend Überstunden zu erbringen gehabt habe, die ihm nicht bezahlt worden seien. Er beantragte:
"1. Feststellung, dass ich seit meiner Versetzung in die MA 43 am 1. März 1982 regelmäßig Überstunden erbracht habe und
2. rückwirkende Bezahlung dieser Überstunden seit 1. 3. 1982."
Mangels Reaktion der Behörde in dieser Sache beantragte der Beschwerdeführer am 12. September 1995 den Übergang der Entscheidungspflicht.
Bei den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens findet sich dann ein Schreiben des dem Beschwerdeführer vorgesetzten Abteilungsleiters vom 10. Oktober 1995, dem zu entnehmen ist, dass durch die Erweiterung des Aufgabenbereiches des Beschwerdeführers mit 1. April 1993 zwangsläufig die Erbringung von Mehrdienstleistungen erforderlich gewesen wäre, die auch zu einem Antrag auf Zuerkennung von "25 Überstunden" geführt hätte. Mit 4. Oktober 1993 sei der Beschwerdeführer aber auf sein Ersuchen von den Aufgaben eines Referatsleiters entbunden worden, was sich auch auf die Mehrdienstleistungen ausgewirkt habe.
Mit Schreiben vom 28. November 1995 beantragte der Vorgesetzte des Beschwerdeführers die Abgeltung der vom Beschwerdeführer erbrachten Mehrdienstleistungen in der Zeit von März bis Juli 1993 (insgesamt 196 Stunden); ab 4. Oktober 1993 - wie schon ausgeführt - sei die Erbringung "von weiteren Überstunden" nicht mehr notwendig gewesen.
Einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 22. Jänner 1996 ist zu entnehmen, dass ihm die Überstunden für den vorgenannten Zeitraum nachbezahlt worden sind. Da er aber auch vorher und nachher Überstunden erbracht habe (wird unter Hinweis auf erfolgte Überstundenmeldungen und die gegebene Personalsituation eingehend ausgeführt), halte er seine Anträge aufrecht.
Mit Eingabe vom 8. Februar 1996 zog der Beschwerdeführer dann seinen Devolutionsantrag zurück.
Einer weiteren Stellungnahme des Vorgesetzten des Beschwerdeführers vom 20. Februar 1996 ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer außer den vorher angegebenen Überstunden angeblich keine angeordnet worden seien; er habe Mehrdienstleistungen allenfalls aus unbekannten Gründen freiwillig erbracht.
Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 3. Juni 1996 wurde schließlich wie folgt entschieden:
"1. Der Antrag des Herrn Stadtgartenamtsrat Ing. R... U... (= Beschwerdeführer) vom 23. September 1994 auf Feststellung, dass er seit seiner Versetzung in die Magistratsabteilung 43 am 1. März 1982 regelmäßig Überstunden erbracht habe, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Herrn Stadtgartenamtsrat Ing. R... U... (= Beschwerdeführer) vom 23. September 1994 auf rückwirkende Bezahlung der im Punkt 1 umschriebenen Überstunden wird als unzulässig zurückgewiesen."
Die unter Punkt 1. erfolgte Zurückweisung wurde damit begründet, dass die Feststellung von Tatsachen, sofern dies nicht gesetzlich vorgesehen sei, unzulässig sei.
Zu Punkt 2. verwies die Behörde erster Instanz auf § 26 Abs. 5 DO 1994, der die Anordnung und Abgeltung von Überstunden regle, sowie darauf, dass dem Begehren des Beschwerdeführers durch die Abgeltung der Überstunden von März bis Juli 1993 ohnehin entsprochen worden sei. Der Beschwerdeführer habe aber die Auszahlung eines besoldungsrechtlichen Anspruches begehrt; dieser Antrag sei aber als Liquidierungsantrag unzulässig.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er insbesondere darauf hinwies, dass er ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Erledigung seines Feststellungsbegehrens gehabt habe, was auch die teilweise Anerkennung gezeigt habe. Insoweit die Behörde erster Instanz der Auffassung gewesen sei, er habe keinen Anspruch auf Vergütung von Mehrdienstleistungen, hätte sie seinen Antrag abweisen müssen.
Mit Schreiben vom 16. Jänner 1997 "präzisierte" der Beschwerdeführer seinen ursprünglichen Antrag dahingehend, dass ihm seit 1. März 1982 bis zu seiner Pension am 1. August 1996 ein Anspruch auf Mehrdienstleistungsvergütung zustehe.
Nach umfangreichen Erhebungen in der Sache und weiterer Anerkennung von erbrachten Mehrdienstleistungen des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. September 1991 bis 30. Juni 1995 fragte die Behörde erster Instanz beim Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. November 1998 unter Hinweis auf die gemäß § 9 BO 1994 mangels rechtzeitiger Geltendmachung für die Zeit vor dem 1. September 1991 eingetretene Verjährung an, ob er seine Berufung einschließlich der erfolgten "Präzisierung" noch aufrecht erhalte.
Mit dem dazu ergangenen Schreiben vom 26. Februar 1999 begehrte der Beschwerdeführer die Fortsetzung des Verfahrens, insbesondere unter Hinweis darauf, dass die angebliche Verjährung wegen verschiedener von ihm bereits seinerzeit gestellter Anträge nicht habe eintreten können.
Die belangte Behörde wies daraufhin die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der Berufung im Wesentlichen weiter aus, die Ausführungen des Beschwerdeführers über die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden seien an sich zutreffend, er übersehe jedoch, dass diese Ausführungen nur insoweit richtig seien, als es sich bei den diesen Feststellungsbescheiden zu Grunde liegenden Feststellungsbegehren um die Feststellung eines Rechtes oder eines Rechtsverhältnisses handle. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer jedoch die Feststellung begehrt, dass er seit seiner Versetzung in die MA 43 am 1. März 1982 regelmäßig Überstunden erbracht habe. Dabei habe es sich aber eindeutig um eine Feststellung im Tatsachenbereich gehandelt. Die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sei jedoch nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nur auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (VfSlg. 6050, VwSlg. N. F. Nr. 6223/A, 9035/A). Eine solche ausdrückliche gesetzliche Regelung finde sich weder in der Besoldungsordnung 1994 noch in den anderen, die dienst- und besoldungsrechtlichen Belange des Beschwerdeführers regelnden gesetzlichen Bestimmungen. Die erstinstanzliche Behörde habe somit den Antrag des Beschwerdeführers unter Punkt 1. des Spruches zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Auch zum Antrag des Beschwerdeführers auf rückwirkende Bezahlung seiner seit seiner Versetzung in die MA 43 geleisteten Überstunden habe die erstinstanzliche Behörde richtig ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Auszahlung eines besoldungsrechtlichen Anspruches eines Beamten (Liquidierung) einen technischen Vorgang darstelle, der nicht durch Bescheid zu erledigen sei. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Erledigung sei daher auch in diesem Punkt zutreffend als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Zu den vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Jänner 1997 und 25. Februar 1999 gestellten Feststellungsanträgen sei festzuhalten, dass es sich dabei - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht um bloße Präzisierungen des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungsbegehrens, sondern im Vergleich zum Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides und somit der gegenständlichen Berufungsentscheidung um ein "aliud" handle, über das die erstinstanzliche Behörde zu entscheiden haben werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich nach seinem gesamten Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Sachentscheidung über von ihm erbrachte Mehrdienstleistungen verletzt.
Ausgehend vom vorher dargestellten Sachverhalt ist der Dienstbehörde einzuräumen, dass die in der ursprünglichen Eingabe des Beschwerdeführers vom 23. September 1994 zum Schluss formulierten Antragspunkte - wörtlich genommen - die von der Behörde erster Instanz gewählte Erledigung durch Zurückweisung vertretbar erscheinen lassen. Abgesehen vom Wortlaut der in dieser Eingabe enthaltenen Anträge ist aber auf Grund des sonstigen Inhaltes und auch im Hinblick auf das von der Behörde selbst weitergeführte Verfahren wohl klar gewesen, dass der Beschwerdeführer dem Sinn nach die Bezahlung der von ihm im angegebenen Zeitraum angeblich erbrachten Mehrdienstleistungen bzw. einen bescheidmäßigen Abspruch darüber verlangte. Die Berechtigung dazu ist nicht in Abrede zu stellen (vgl. beispielsweise hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 95/12/0270, m.w.H.).
Bei einer solchen Sachlage hätte aber bereits die Behörde erster Instanz nicht ohne weiteres eine Interpretation des Antrages des Beschwerdeführers wählen dürfen, die zu einer Zurückweisung des dem Grunde nach gerechtfertigten Begehrens des Beschwerdeführers geführt hätte. Sie wäre vielmehr vor dem Hintergrund des § 8 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer nach Aufklärung über seine rechtlichen Möglichkeiten zumindest Gelegenheit zur Klarstellung seines Antrages zu geben. Die vom Beschwerdeführer als "Präzisierung" bezeichnete Klarstellung ist durch ihn erst im zweitinstanzlichen Verfahren erfolgt. Zutreffend hat die belangte Behörde diesbezüglich erkannt, dass hinsichtlich des für ihr Verfahren durch den erstinstanzlichen Abspruch bestimmten Verfahrensgegenstandes dadurch ein "aliud" vorliegt. Dieser Umstand trägt aber unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen zur Verpflichtung der Dienstbehörde, um eine sinnvolle Interpretation eines solchen Antrages bemüht zu sein, jedenfalls nicht die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde wäre vielmehr vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen verpflichtet gewesen, auf Grund des nun zweifelsfrei feststehenden, aber schon ursprünglich erkennbar gewesenen Begehrens des Beschwerdeführers, den erstinstanzlichen Bescheid, und zwar wegen des sachlichen Zusammenhanges der beiden Spruchpunkte, zur Gänze ersatzlos zu beheben.
Da die belangte Behörde dies ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung über die Verpflichtung der Dienstbehörde im Dienstrechtsverfahren unterließ, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu beheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999120228.X00Im RIS seit
03.04.2002Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008