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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in H, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 10, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. Jänner 1996, Zl. 3/01-22.908/25-1996, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 2 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- ( EUR 908,41) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 10. März 1995 wurde der Beschwerdeführerin unter Berufung auf die §§ 6, 11, 12 und 29 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (Slbg. SHG) für die Monate Februar und März 1995 als Wohnkostenzuschuss eine einmalige Geldleistung in der Höhe von S 3.859,60 gewährt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, diesem Bescheid sei kein Berechnungsbogen beigeschlossen, weshalb eine Überprüfungsmöglichkeit nicht gegeben sei. Ferner habe der Sozialhilferichtsatz für 1995 keine Berücksichtigung gefunden.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12. Juli 1995 wurde die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Schreiben der Behörde erster Instanz vom 17. Februar 1995 ersucht, die für die Neuberechnung ihres Sozialhilfeanspruches für das Jahr 1995 benötigten Unterlagen vorzulegen. (In dem erwähnten Schreiben der Behörde erster Instanz vom 17. Februar 1995 war die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Stromkosten aufgefordert worden, gesondert auszuführen, weshalb das von der Behörde errechnete Strompauschale in Höhe von S 450,-- nicht ausreiche.)
Von der Beschwerdeführerin wurde daraufhin lediglich eine Stromteilrechnung für den Monat August 1995 in Höhe von S 768,-- vorgelegt.
Mit (einem weiteren) Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 12. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführerin ab April 1995 ein monatlicher Wohnkostenzuschuss in der Höhe von S 1.953,23 gewährt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Strombedarf sei zu gering bemessen worden. Sie müsse ärztlich angeordnete Bäder nehmen und wegen ihrer Depressionen eine Lichttherapie absolvieren.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde (zunächst) der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 10. März 1995 Folge gegeben und der Spruch dieses Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Februar und März 1995 Sozialhilfe in der Höhe von monatlich S 1.953,23 gewährt wurde (Spruchpunkt 1).
Der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 12. Dezember 1995 wurde hingegen keine Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt (Spruchpunkt 2).
In der Begründung wurde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gewährung von Stromkosten im Rahmen der Sozialhilfe im Bundesland Salzburg durch sogenannte Stromkostenpauschalen erfolge. Die Stromkostenpauschale, ermittelt anhand von Richtwerten, betrage derzeit für eine Person S 300,--. Auf Grund des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin sei eine Erhöhung dieser Pauschale um 50 % auf S 450,-- gewährt worden. Die Beschwerdeführerin sei trotz mehrmaliger Aufforderung ihrer Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Entsprechende Unterlagen zur Ermittlung ihres tatsächlichen Lebensbedarfes bzw. ihrer tatsächlich vorhandenen eigenen Mittel für das laufende Jahr 1995 seien der Behörde erst im Monat Dezember 1995 zur Verfügung gestanden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird lediglich auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (vom 12. Dezember 1995) Bezug genommen, mit dem der Beschwerdeführerin ein monatlicher Wohnkostenzuschuss in Höhe von S 1.953,53 zuerkannt worden ist. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung an die belangte Behörde erhoben, der mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben worden sei.
Es ist daher davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Beschwerde, lediglich der Spruchpunkt 2 des Bescheides der belangten Behörde angefochten wird.
Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, dass die belangte Behörde lediglich einen Stromkostenbeitrag in der Höhe von S 450,--
berücksichtigt habe. Nach § 12 Abs. 5 Slbg. SHG könne der Richtsatz im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf bestünde. Dies gelte insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. Auf Grund der ärztlichen Verschreibungen von Heilbädern und Lichttherapien stehe fest, dass die Beschwerdeführerin als kranker Mensch im Sinne des Gesetzes anzusehen sei.
Der angefochtene Bescheid vertrat dazu im Wesentlichen die Auffassung, dass ein erhöhter Strombedarf der Beschwerdeführerin wegen ihrer mangelnden Mitwirkung im Verwaltungsverfahren nicht habe zuerkannt werden können.
In der Gegenschrift führt die belangte Behörde näher aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ärztlich verordneter Bäder und empfohlener Lichttherapie werde zwar als glaubwürdig erachtet, mangels entsprechender Nachweise, etwa über die Häufigkeit der aufgezeigten Anwendungen bzw. des konkreten Stromverbrauches von hiezu benötigten Geräten, habe jedoch lediglich eine erhöhte Stromkostenpauschale in Höhe von S 450,-- gewährt werden können. Die angeführten Strompauschalen stellten lediglich Richtwerte dar. Bei nach den Erfordernissen des einzelnen Falles tatsächlich nachgewiesenem Mehrbedarf bestünden keinerlei rechtliche Hindernisse, den tatsächlich nachgewiesenen Mehrbedarf aus Mitteln der Sozialhilfe abzudecken. Auf diese Vorgangsweise bestünde bei entsprechender Antragseinbringung und Mitwirkung des Hilfesuchenden im Ermittlungsverfahren gemäß § 12 Abs. 6 Slbg. SHG ein Rechtsanspruch. Mangels entsprechender Mitwirkung der Beschwerdeführerin habe jedoch lediglich ein krankheitsbedingter Stromkostenmehrverbrauch in Höhe von monatlich S 150,-- als angemessen erachtet werden können. Die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 17. Februar 1995 unter anderem aufgefordert worden, gesondert auszuführen, warum die für sie errechnete Stromkostenpauschale nicht ausreiche. Auf dieses Schreiben sei auch im Schreiben der belangten Behörde vom 12. Juli 1995 verwiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe in diesem Zusammenhang lediglich eine Stromteilrechnung für den Monat August 1995 in Höhe von S 768,-- vorgelegt.
Hinsichtlich des Ausmaßes der Mitwirkungspflicht der Partei bei der Darlegung der Interessen an der Gewährung von Sozialhilfe darf die Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers weder überspannt noch so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat die Partei nicht nur ganz allgemeine, sondern konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich oder unschlüssig sind, so hat sie die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens und zur entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es der Behörde nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens ermöglichen, zu beurteilen, ob die von der Partei aufgestellten Behauptungen zutreffen. Die Formulierung des Interesses und das Vorbringen dafür erforderlicher Behauptungen muss als Sache der Partei angesehen werden; Aufgabe der Behörde hingegen ist es, von sich aus von der Partei Informationen zum Beweis dieser behaupteten Tatsachen zu verlangen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. April 2001, Zl. 99/10/0055, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Berechtigung zu.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin lediglich in dem Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides betreffenden Verfahren aufgefordert worden ist, gesondert auszuführen, warum die für sie errechnete Stromkostenpauschale nicht ausreiche. In diesem Verfahren wurde die Beschwerdeführerin auch von der belangten Behörde mit Schreiben vom 12. Juli 1995 (unter Hinweis auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 17. Februar 1995) aufgefordert, die benötigten Unterlagen vorzulegen. Entsprechende Ausführungen hat die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren nicht erstattet. Der diesbezügliche Ausspruch des Bescheide der belangten Behörde ist allerdings vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht angefochten.
Im gegenständlichen, Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides betreffenden Beschwerdeverfahren hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin nicht zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert. Die Beschwerdeführerin hat allerdings in ihrer Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 12. Dezember 1995 vorgebracht, dass die Stromkostenpauschale wegen ärztlich verordneter Bäder und der wegen Depressionen verordneten Lichttherapie nicht ausreiche. Im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung wäre es daher an der belangten Behörde gelegen, die Beschwerdeführerin zu einer weiteren Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern. In dieser Unterlassung liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt 2 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Dezember 2001
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080211.X00Im RIS seit
07.05.2002