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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der am 11. Oktober 1980 geborenen LP, vertreten durch Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1999, Zl. 309.391/2-III/11/99 betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 11. Oktober 1980 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Jugoslawiens, beantragte am 7. Mai 1998 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privat". Als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer des Aufenthaltes berief sie sich auf einen ihr "gemäß § 140 ABGB" gegenüber ihren in Österreich lebenden Eltern zustehenden Unterhaltsanspruch, die nach den beiliegenden Gehaltsbestätigungen jeweils ca. S 14.500,-- mtl. netto verdienten.0
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 6. August 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, es sei festzuhalten, dass auf Grund des Einwanderungsstromes in das österreichische Bundesgebiet durch die jeweiligen Behörden eine genaue und umfassende Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, die vonnöten seien, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, zu erfolgen habe. Sei der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht als gesichert bzw. gedeckt zu qualifizieren, könne gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 bzw. § 10 Abs. 3 FrG 1997 ein derartiges Aufenthaltsrecht nicht erteilt werden. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag als Aufenthaltszweck "Privat" angegeben. Als Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes verweise sie jedoch auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern. Sie beabsichtige weiters bei ihren Eltern Unterkunft zu nehmen. Laut Auskunft der Salzburger Gebietskrankenkasse sei sie als Angehörige anspruchsberechtigt. Allein aus diesen Umständen gehe eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin beabsichtige, zu ihrer Familie zu ziehen.
Nach Wiedergabe des § 21 Abs. 3 FrG 1997 führte die belangte Behörde aus, diese Regelungen sollten jenen Fremden, die sich bereits in Österreich auf Dauer niedergelassen haben, den Nachzug ihrer Ehegatten und Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres innerhalb der Quote ermöglichen. Die Eltern der Beschwerdeführerin seien jugoslawische Staatsangehörige und somit im Sinne des FrG 1997 Drittstaatsangehörige; dies bedeute, dass auf Grund des Alters der Beschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" ausgeschlossen sei. Für die belangte Behörde ergebe sich aus den genannten Umständen, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich versucht habe, den eigentlichen Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" zu umgehen. Es entspreche keinesfalls den Intentionen des Gesetzgebers, einerseits den Familiennachzug Drittstaatsangehöriger auf Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu beschränken und andererseits diese Bestimmung wieder aufzuheben, indem älteren Kindern eine Erstniederlassungsbewilligung mit Zweck "Privat" erteilt werde. Durch diese Sichtweise unterstelle man dem Gesetzgeber, nicht nur widersprüchliche, sondern dem Normzweck zuwiderlaufende Bestimmungen erlassen zu haben. Auch eine "Argumentationswicklung", dass in solchen Fällen eine echte Lücke vorläge, gehe ins Leere, da der Wille des Gesetzgebers - Familiennachzug bis 14 Jahre - mehr als eindeutig zum Ausdruck komme. Zum gleichen (widersprüchlichen) Ergebnis führte die Ansicht der Beschwerdeführerin, Kinder bis zum 14. Lebensjahr könnten wahlweise "Privat" oder "Familienzusammenführung" beantragen, was bei Ausschöpfung der Quoten bedeutsam sein könne. Auch hier sei daher abermals auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers abzustellen. Es stehe außer Zweifel, dass die Beschwerdeführerin über keine eigenen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes im Bundesgebiet verfüge. Mangels einer arbeitsrechtlichen Bewilligung habe sie auch nicht die Möglichkeit, im Bundesgebiet einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, trotz des (behaupteten) Unterhaltsanspruches und der Behörde nachgewiesenen Krankenversicherungsschutzes. Sie sei ledig und habe zuletzt nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern gelebt.
Die belangte Behörde habe bei der Ausübung des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessens, jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend, auf seine persönlichen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen. Zu den öffentlichen Interessen sei zu sagen, dass ein öffentliches Interesse an einer geordneten Handhabung der fremdenrechtlichen Bestimmungen bestehe. Bei Abwägung der privaten Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK sei festgestellt worden, dass im Falle der Beschwerdeführerin die öffentlichen Interessen überwögen, zumal sie zuletzt nicht gemeinsam mit ihren Eltern im Bundesgebiet lebte und auch aus Art. 8 MRK kein Recht auf Zuwanderung abgeleitet werden könne. Auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes (VfSlg. 13.336/1993), das zwar eine Abwägung gebiete, jedoch um "... einen Rechtsmissbrauch hintanzuhalten", der jedoch - wie aufgezeigt - eindeutig im vorliegenden Fall beabsichtigt sei, sei für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, vielmehr sei im Gegenteil die Abweisung ihres (im Zweck verfehlten) Antrages "nahezu zwingend geboten".
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits im Sinn des § 20 Abs. 2 FrG 1997 i.V.m. § 21 ABGB volljährige Beschwerdeführerin hat sich in der Begründung ihres Antrages unter dem Aufenthaltszweck "Privat" auf die Anwesenheit ihrer Eltern im Bundesgebiet hingewiesen und sich auf ihren Unterhaltsanspruch ihnen gegenüber gestützt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist es nach dem Fremdengesetz 1997 auch für volljährige Fremde nicht ausgeschlossen, die Anwesenheit von Familienangehörigen im Bundesgebiet als Grund für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ins Treffen zu führen. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass sich der Gesetzgeber des FrG 1997 bewusst dazu entschlossen hat, einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug im Rahmen der dafür festgelegten Quote ausschließlich den in den §§ 20, 21 FrG 1997 umschriebenen Personen einzuräumen. Die Berücksichtigung von Verwandten in absteigender Linie, welche die in den vorzitierten Bestimmungen genannten Altersgrenzen bereits überschritten haben, ist jedoch im Zuge einer Ermessensentscheidung im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote auch im Regelungssystem des FrG 1997 möglich. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde führt nicht die von der Beschwerdeführerin vertretene Auslegung zu Widersprüchen, vielmehr jene im angefochtenen Bescheid: Danach könnte nämlich jeder erdenkliche private Zweck als Grund für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung herangezogen werden, der nahe liegende Grund der Familiengemeinschaft einer (gerade eben) volljährig gewordenen Tochter mit ihren in Österreich lebenden Eltern hingegen unter keinen Umständen. Die belangte Behörde war daher gehalten, in Anwendung der §§ 8, 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Quote eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Bezug auf die öffentlichen Interessen im Sinne des § 8 FrG 1997 die Auffassung vertreten, dass ein öffentliches Interesse an einer geordneten Handhabung der fremdenrechtlichen Bestimmungen bestehe. Dieses Argument vermag aber die gebotene Ermessensentscheidung schon deshalb nicht zu tragen, weil der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Zweck ihres Aufenthaltes nach dem Vorgesagten im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote durchaus zur Erteilung einer Bewilligung hätte führen können.
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte und der Bestimmung des § 19 Abs. 5 FrG 1997 einen unrichtigen Inhalt unterstellte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aber auch der weiters herangezogene Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG 1997 vermag die Abweisung des angefochtenen Bescheides nicht zu tragen:
Die Beschwerdeführerin hat ihrer Berufung nicht nur auf das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen ihre Eltern hingewiesen, sondern auch unter Vorlage der entsprechenden schriftlichen Vereinbarung das Bestehen eines vertraglichen Unterhaltsanspruches behauptet. Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid lediglich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin über keine eigenen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verfüge.
Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch in seinem Erkenntnis vom 20. August 1999, Zl. 99/19/0071), mit näherer Begründung dargelegt hat, verschafft (bereits) das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches gegen eine Person, die in der Lage ist, diesen zu erfüllen, einem Fremden eigene Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997. Die belangte Behörde hat sich daher - in Verkennung der Rechtslage - nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob (in welcher Form auch immer und in welcher Höhe) der Beschwerdeführerin Unterhaltsansprüche gegen ihre Eltern zustehen, deren Bestehen (in ausreichender Höhe) der Heranziehung des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 entgegenstünde.
Die belangte Behörde ist weiters, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, nicht auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin und das im Akt erliegende Schreiben der Salzburger Gebietskrankenkasse eingegangen, wonach für die Beschwerdeführerin bei letzterer eine Anspruchsberechtigung auf Leistungen für Angehörige besteht. In Ansehung des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 2 Z. 2 FrG 1997 liegt der belangten Behörde daher ein Begründungsmangel zur Last.
Da die Aufhebung eines Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit jener wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Dezember 2001
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999190066.X00Im RIS seit
22.03.2002