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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der am 29. August 1977 geborenen I I in L, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1999, Zl. 118.773/30- III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin richtete am 15. Dezember 1995 ein Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz, in dem dargelegt wird, der Ehemann der Beschwerdeführerin sei nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des auf Grund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert. Die Beschwerdeführerin sei im Besitz eines am 14. September 1995 ausgestellten "Schengen-Visums". Sie sei weiter im Besitz eines Touristenvisums der Republik Österreich, ausgestellt vom Generalkonsulat in Zürich am 16. Juni 1995, gültig bis 15. September 1995. Nach Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 in Verbindung mit dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei sei sie demnach in Österreich aufenthaltsberechtigt. Es werde "daher beantragt, festzustellen, dass sie in Österreich aufenthaltsberechtigt ist; in eventu, ihr eine gebührenfreie Aufenthaltsberechtigung nach dem Assoziations-Abkommen, dem EWG-Vertrag, dem EWR-Vertrag, dem EU-Beitrittsvertrag und dem Fremdengesetz zu erteilen".
Zur weiteren Vorgeschichte wird auf die die Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/2048, vom 26. Juni 1998, Zl. 97/19/1670, und vom 13. Dezember 2001, Zl. 2001/21/0174, verwiesen.
Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz wies mit Bescheid vom 10. September 1999 namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg den als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten Eventualantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 19. Oktober 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 10 Abs. 1 Z. 2 und 14 Abs. 2 FrG 1997 ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres nach Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens aus, die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe mit Bescheid vom 10. September 1999 den Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach den Bestimmungen des mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen FrG 1997 abgewiesen. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin mit einem bis 15. September 1995 gültigen Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist sei. Seither halte sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Diese Tatsache werde von ihr in keiner Weise bestritten. Demnach liege ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vor. Da die Beschwerdeführerin noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich gewesen sei, sei ihr Antrag als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten, den sie gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus hätte stellen müssen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. September 1995 habe sich die Beschwerdeführerin jedoch im Inland aufgehalten. Ein Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen der Beschwerdeführerin erübrige sich, weil das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 "einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Grundrecht darstellt".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Wie der Verwaltungsgerichtshof ua. im bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997 dargelegt hat, liegt die Besonderheit eines Eventualantrages, wie ihn die Beschwerdeführerin gestellt hat, darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, so belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0114, und vom 12. September 1997, Zl. 96/19/1468).
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Auf Grund dieser (Rück)Wirkung seiner Erkenntnisse hat der Verwaltungsgerichtshofes bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides davon auszugehen, dass jedenfalls seit der durch das erwähnte hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 2001/21/0174, erfolgten Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 2. September 1999 im Zeitpunkt der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 10. September 1999 über den in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 113 FrG 1997 als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2001, Zlen. 2000/19/0054, 0065) gewerteten Eventualantrag der Beschwerdeführerin kein rechtskräftiger Abspruch über deren primären Antrag auf Feststellung ihrer Aufenthaltsberechtigung mehr vorlag. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz hat ihren Bescheid vom 10. September 1999 daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin, welche die aufgezeigte Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht beseitigt, ist jener mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet. Die Beschwerdeführerin wurde dadurch in ihrem Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung verletzt. Diese Verletzung der Behördenzuständigkeit war vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. hiezu ebenfalls das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/2048, mwN).
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 21. Dezember 2001
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Besondere Rechtsgebiete Inhalt der Berufungsentscheidung KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000190030.X00Im RIS seit
03.04.2002