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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Dr. L in W, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Foglar-Deinhardstein & Brandstätter KEG in 1015 Wien, Plankengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. März 1999, Zl. UVS- 07/A/20/00358/98, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. März 1999 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R-Fachspedition Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin von 1. Juli 1992 bis 26. September 1996 den slowakischen Staatsangehörigen P V an einem näher bezeichneten Tatort ohne die erforderliche arbeitsmarktbehördliche Genehmigung beschäftigt habe.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über den Beschwerdeführer - in Stattgebung seiner Berufung gegen die Strafhöhe - nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 35.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) und ein Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren von S 3.500,-- verhängt.
In der Begründung ihrer Entscheidung wiederholte die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Verfahrens und stellte das Berufungsvorbringen dar. Danach (Seiten 4 bis 15 der Bescheidausfertigung) wurden die "im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ergangenen Aussagen" wörtlich wiedergegeben. Nach Wiedergabe des Wortlautes der §§ 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG führte die belangte Behörde aus, sie gehe bei ihrer Entscheidung "von den Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz aus". Daran schließen sich als dafür "maßgebende Überlegungen" der belangten Behörde eine Darstellung des Inhaltes der Anzeige an die Behörde erster Instanz, eine wörtliche Wiedergabe der in der zur Anzeige führenden Amtshandlung zeugenschaftlichen Angaben des W und einzelner Angaben des P V in seinem Personenblatt. Die belangte Behörde setzte sich danach damit auseinander, inwieweit sich die Rechtfertigung des Beschwerdeführers auf die Zeugenaussage W und auf den Werkvertrag zwischen der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft und dem A V stützen könne. In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde nach Darstellung von Judikaturgrundsätzen zum arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zu dem Ergebnis, im vorliegenden Fall sei "auf Grund der aufgenommenen Beweise und ihrer Würdigung davon auszugehen, dass der an der Arbeitsstelle angetroffene P V als Arbeitnehmer der Firma R-Fachspedition GesmbH tätig war". Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft das Verschulden und die Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden bzw. auch in dem Recht auf fehlerfreie Handhabung des auszuübenden Ermessens bei der Strafbemessung. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 VwGG kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, erklärte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und beantragte, die Beschwerde unter Zuerkennung des verzeichneten Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Beweiswürdigung der belangten Behörde als Scheinbegründung. Die belangte Behörde sei auf die verschiedenen Aussagen nicht eingegangen und habe sich mit diesen nicht auseinander gesetzt. Wie die belangte Behörde zur Feststellung des Tatzeitraumes gekommen sei, könne nicht nachvollzogen werden. Dieser Begründungsmangel schlage auch auf die Strafbemessung durch. In rechtlicher Hinsicht habe die belangte Behörde verkannt, dass kein arbeitnehmerähnliches Verhältnis des P V zu der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft bestanden habe. Dieser Ausländer sei niemals von der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft herangezogen worden. P V sei im Auftrag von A V eingeschritten und daher - wenn überhaupt - zu diesem in einem Arbeitsverhältnis gestanden.
Nach den §§ 58 Abs. 2 und 60 in Verbindung mit 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete. Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt.
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu überprüfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser durch die genannte Bestimmung auf eine Schlüssigkeitsprüfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung beschränkt; da der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass einer Bescheidbeschwerde nur eine nachprüfende Kontrolle auszuüben, nicht aber eine Sachentscheidung zu fällen hat, kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Denkvorgang der Behörde zu einem den Denkgesetzen entsprechenden Ergebnis geführt hat bzw. ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Schlüssig sind solche Erwägungen, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 2001, Zl. 99/09/0180, und die darin angegebene Judikatur).
Die Behörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - unter in gleicher Weise vorzunehmender Berücksichtigung der den Beschuldigten entlastenden und belastenden Umständen (vgl. § 25 Abs. 2 VStG) - nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Liegen widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde dazu in der Begründung im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig, das heißt sie haben die gleiche abstrakte Beweiskraft; allein der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse des Beweisverfahrens hat dafür ausschlaggebend zu sein, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage 2000, Seite 510, E 67 bis 69 wiedergegebene Judikatur).
Im vorliegenden Fall sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die zur Beweiswürdigung in der Bescheidbegründung dargelegten Erwägungen unzureichend. Die belangte Behörde gibt den Verlauf der von ihr durchgeführten mündlichen Verhandlung wörtlich (in Protokollform) wieder, sie trifft allerdings danach keine eigenständigen auf diesen Beweisergebnissen beruhende Sachverhaltsfeststellungen, sondern die belangte Behörde führte aus, sie "geht bei ihrer Entscheidung von den Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz aus". Dabei hat die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, dass bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in der Verhandlung (vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) vorgekommen ist (vgl. § 51i VStG).
Es war demnach rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zwar eine Verhandlung durchführte, die dabei vorgekommenen Beweisergebnisse nach dem oben wiedergegebenen Wortlaut ihrer Entscheidung aber nicht zur Grundlage ihrer Sachverhaltsfeststellung machte. Sollte die belangte Behörde gemeint haben, dass sie sich aufgrund der in ihrer Verhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse den in erster Instanz getroffenen Sachverhaltsfeststellungen "anschließe", dann ist dazu zu bemerken, dass die Bescheidbegründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im angefochtenen Bescheid gar nicht dargestellt ist und derart nicht erkennbar ist, welche Teile dieser Bescheidbegründung die belangte Behörde als Sachverhalt feststellen wollte. Desweiteren hat die belangte Behörde in dieser Hinsicht außer Acht gelassen, dass im erstinstanzlichen Straferkenntnis hinreichende (schlüssige) Sachverhaltsfeststellungen gar nicht getroffen wurden, hat die Behörde erster Instanz doch unter anderem angenommen, der slowakische Staatsangehörige P V "ist nach dem äußeren Erscheinungsbild als Erfüllungsgehilfe des A V tätig geworden". Weitere Sachverhaltsfeststellungen, die zu dem Ergebnis führen könnten, P V sei zu der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gestanden, fehlen im erstinstanzlichen Straferkenntnis.
Die belangte Behörde ist auf die für die Beurteilung des Arbeitgebers des P V erhebliche Tatfrage insoweit nicht nachvollziehbar eingegangen, ob dabei der ins Treffen geführte Werkvertrag mit A V maßgebend ist, oder ob dieser Vertrag als ein Scheinvertrag zu beurteilen ist. Desweiteren fehlt etwa eine Auseinandersetzung mit dem Schreiben des A V vom 14. Juli 1992, in welchem P V als Dienstnehmer des A V nominiert wurde.
Die belangte Behörde hat den angelasteten Tatzeitraum (1. Juli 1992 bis 26. September 1996) nicht begründet. In diesem Zusammenhang ist auf die von der belangten Behörde als glaubwürdig erachtete niederschriftliche Aussage des W vom 26. September 1996 zu verweisen, wonach P V seit ca. 2 Jahren hier als Lagerarbeiter arbeite.
Die Tatfrage, von wem P V entlohnt wurde, hat die belangte Behörde ebenfalls nicht behandelt. Der belangten Behörde ist es auch nicht gelungen, hinreichend zu begründen, weshalb P V Arbeitsleistungen nicht für seinen Vater, sondern für die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft erbracht habe.
Da sich die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen als mangelhaft (und unvollständig) erweisen und der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare und vollständige (hinreichend begründete) Beweiswürdigung enthält, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Der zuerkannte Betrag setzt sich aus dem Schriftsatzaufwand (908 EUR) und der Pauschalgebühr in der tatsächlich entrichteten Höhe von S 2.500-- (das sind 181,68 EUR) zusammen.
Wien, am 22. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999090162.X00Im RIS seit
11.04.2002