TE Vfgh Erkenntnis 1999/2/23 B1593/98

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Veröffentlicht am 23.02.1999
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Wendung im §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG mit E v 05.10.98, G117/98.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer, der ein Taschengeld nach dem Bundespflegegeldgesetz bezieht, wird in einem Heim unter Kostenbeteiligung des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger betreut. Mit Bescheid vom 22.1.1998 bestätigte die Salzburger Landesregierung den Bescheid erster Instanz, mit welchem bis auf weiteres die Aufenthaltskosten in dem Heim aus Sozialhilfemitteln abzüglich einer - ziffernmäßig bestimmten - Eigenleistung unter gemäß §8 Abs5 und 6 des Salzburger Sozialhilfegesetzes erfolgender Anrechnung von 80 % des ihm gemäß §13 Abs1 des Bundespflegegeldgesetzes zufließenden Pflegegeldtaschengeldes als Einkommen zugesprochen worden waren.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz infolge der Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §8 Abs6 SSHG behauptet und mit näherer Begründung die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

3. Mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1998, G117/98, hob der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß eines anderen Beschwerdeverfahrens die Wendung "bundes- oder" in §8 Abs6 des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Salzburg Nr. 19/1975 idF LGBl. Nr. 49/1996, als verfassungswidrig auf.

4. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 5. Oktober 1998 statt. Die vorliegende Beschwerde war beim Verfassungsgerichtshof zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist S 4.500,-- an USt. enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1593.1998

Dokumentnummer

JFT_10009777_98B01593_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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