TE Vfgh Erkenntnis 2007/12/5 B1086/06

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Veröffentlicht am 05.12.2007
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

StGG Art5
ÄrzteG 1998 §91 Abs4 idF BGBl I 179/2004
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 §3
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für die Jahre 2005 und 2006 §5

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung eines Säumniszuschlages zur Kammerumlage der Ärztekammer mangels Rechtsgrundlage für den in Betracht kommenden Zeitraum 2001 bis 2003

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2002 bis 2003 betrifft, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 1.260,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

In diesem Umfang wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer ist als Arzt in Wien tätig. Mit gesonderten Bescheiden setzte der Präsident der Ärztekammer für Wien die für die Jahre 2002 und 2003 bestimmten Kammerumlagen der Ärztekammer für Wien und zur Österreichischen Ärztekammer zuzüglich eines Säumniszuschlages in der Höhe von 10% der aushaftenden Umlagenverpflichtung fest. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Vorstand der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 31. Mai 2006 in einem abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet, durch diesen in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums als auch Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt worden zu sein.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Zur Rechtslage wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2007, B1083/06, verwiesen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung eines Säumniszuschlages bestätigt, begründet:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Wien vom 31. Mai 2006 werden Beschwerden gegen die Schätzbescheide für die Kammerumlagen für die Jahre 2002 bis einschließlich 2003 und die Erhöhung der jeweiligen aushaftenden Kammerumlagen um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10% abgewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist der Behörde bei Erlassung des Bescheides vorzuwerfen:

Bei dem Säumniszuschlag handelt es sich nicht um eine Folge der Säumigkeit mit der Zahlung, sondern um eine Sanktion des Verstoßes gegen die Meldepflichten.

Durch den Säumniszuschlag sollte eine öffentlich-rechtliche Belastung eigener Art für einen bestimmten Zeitraum geschaffen werden, um die Folgen mangelnder Pflichterfüllung zu sanktionieren.

Wenn die Behörde davon ausgeht, dass die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2002 bis 2003 zulässig wäre, übersieht sie, dass keine Grundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlages für den in Betracht kommenden Zeitraum, nämlich für die Jahre 2002 bis 2003, existiert. Daran mag auch der Umstand nichts zu ändern, dass seit 1. Jänner 2005 für Pflichtverletzungen iSd §91 Abs4 ÄrzteG 1998 sowohl das Gesetz als auch die Umlagenordnung die Festlegung eines Säumniszuschlages erlauben.

Dadurch, dass die Behörde jedoch für die Jahre 2002 bis 2003 - und somit für einen Zeitraum, in welchem keine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorhanden war - einen Säumniszuschlag erhob, hat sie einen derart schweren Fehler begangen, dass der angefochtene Bescheid schon deswegen im Umfang des Säumniszuschlages aufzuheben war.

B. Insoweit die Beschwerde sich gegen die Vorschreibung der Kammerumlage an sich wendet, hat sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; auch ist die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zur Zulässigkeit der Vorschreibung der Kammerumlage VfSlg. 16.908/2003 mwH) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, insoweit von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

IV. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und §19 Abs3 Z1 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Da der angefochtene Bescheid nicht zur Gänze aufgehoben wird, sind dem Beschwerdeführer nur die Hälfte der Kosten sowie der Ersatz der Eingabengebühr in der Höhe von € 180,- zuzusprechen; der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in der Höhe von € 180,-.

Schlagworte

Ärztekammer, Säumniszuschlag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Rückwirkung, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1086.2006

Dokumentnummer

JFT_09928795_06B01086_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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