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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E036 EGV Art36;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der P GmbH in Wien, vertreten durch Schneider & Wagesreiter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Seilerstätte 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 9. März 2001, Zl. 928.755/11 - VIII/C/16a/00, betreffend Genehmigung eines Parallelimports, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 11. April 2000 betreffend die Genehmigung eines Parallelimportes zu der im Inland gemäß § 11 des Arzneimittelgesetzes (AMG), BGBl. Nr. 185/1983, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 78/1998, zugelassenen Arzneimittelspezialität Minirin 0,1 mg/ml - Nasenspray abgewiesen.
Hersteller der Arzneispezialität Minirin 0,1 mg/ml-Nasenspray ist die Ferring AB, Malmö, Schweden. Die parallel einzuführende und damit den Gegenstand des Antrags bildende Arzneispezialität wird in Spanien unter der Bezeichnung "Minurin Aerosol 0,1 mg/ml" vertrieben. Zulassungsinhaber in Spanien ist die Ferring SA, Madrid, Spanien. Die antragstellende Beschwerdeführerin wollte die Arzneispezialität in Spanien kaufen, von einer dritten Unternehmung umpacken lassen und in Österreich unter der Bezeichnung "Minirin 0,1 mg/ml-Nasenspray" vertreiben.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass Voraussetzung für die Genehmigung eines Parallelimportes sei, dass die parallelimportierte Arzneimittelspezialität im Inland von einer einem entsprechenden Originalprodukt erteilten Zulassung gedeckt sei. Dafür sei es jedoch erforderlich, dass das Parallelimportprodukt gegenüber der zugelassenen Arzneimittelspezialität keine therapeutischen Unterschiede aufweise. Im vorliegenden Fall enthalte das Originalprodukt bei sonst gleicher Zusammensetzung 0,1 mg/ml Benzalkoniumchlorid (ein Gemisch aromatischer Verbindungen), das Parallelprodukt jedoch 5 mg/ml Chlorbutanol (eine aliphatische Verbindung). Diese Konservierungsmittel aus unterschiedlichen Stoffklassen könnten beim Anwender unterschiedliche Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. Präparate mit identer Bezeichnung aber unterschiedlicher Zusammensetzung stellten eine Gefährdung der Patienten dar, da es durchaus zu schweren Unverträglichkeitsreaktionen kommen könne.
Die beiden Zusammensetzungen von Minirin 0,1 mg/ml - Nasenspray könnten als nicht austauschbar angesehen werden. Es bestünden daher zwischen dem parallelimportierten und dem in Österreich zugelassenen Originalprodukt therapeutische Unterschiede.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
1. Die Beschwerdeführerin bringt gegen den Bescheid der belangten Behörde im Wesentlichen Folgendes vor:
Dem AMG sei zu entnehmen, dass im Bereich von Arzneimittelspezialitäten eine Unterscheidung zwischen den wirksamen Bestandteilen einerseits und den Hilfsstoffen andererseits getroffen werde. Diese Unterscheidung habe auch im Rahmen der Zulassung Relevanz. Weise eine Arzneispezialität, für die die Zulassung beantragt worden sei, unter anderem die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile wie eine im Inland bereits zugelassene Arzneispezialität auf, so könne der Antragsteller gemäß § 15a Abs. 1 AMG in seinem Antrag auf Unterlagen eines früheren Antragstellers verweisen, wobei diesfalls dann auch die therapeutische Äquivalenz beider Präparate geprüft werde.
Die Regelung des § 15a AMG sei zwar für die Zulassung von parallelimportierten Arzneispezialitäten nicht unmittelbar anwendbar; sie zeige jedoch, dass selbst bei regulärer Zulassung von Arzneispezialitäten die Gleichheit der wirksamen Bestandteile und die therapeutische Äquivalenz relevant seien und zu einer Erleichterung der Zulassung führten. Wenn keine Unterschiede in den wirksamen Bestandteilen vorlägen und therapeutische Äquivalenz vorliege, ermögliche das Gesetz eine Zulassung, ohne dass dabei für die betreffende Arzneispezialität eigene (aufwändige) Versuche durchgeführt werden müssten. In der Literatur werde dabei vertreten, dass es dabei auf eine wesentliche Gleichartigkeit der beiden Arzneispezialitäten ankomme (die Beschwerdeführerin verweist auf Michtner/Schuster/Wrbka, AMG (1996), 116 f, wobei es sich dabei um die Kommentierung des § 15a AMG handelt, der basierend auf dem durch die Änderungsrichtlinie 87/21/EWG zur
"1. Pharmazeutischen EG-Richtlinie" 65/65/EWG eingeführten Art. 4 Abs. 8 lit. a der RL 65/65/EWG die Möglichkeit einer bezugnehmenden Antragstellung auch für Kopien bereits zugelassener Arzneispezialitäten vorsieht).
Weiter führt die Beschwerdeführerin aus, dass mangels spezieller gesetzlicher Regelungen für die Genehmigung der Zulassung eines Parallelimportes von Arzneispezialitäten auf die Rechtsprechung des EuGH zurückzugreifen sei, die grundlegend durch das Urteil in der Rechtssache de Peijper (EuGH vom 20. Mai 1976, Rs 104/75, Slg. 1976, 613) geprägt worden sei.
Varianten von Arzneimitteln seien nach der (in der Beschwerde näher dargestellten) Rechtsprechung des EuGH nur dann als verschiedene Arzneimittel zu behandeln, wenn es sich um Unterschiede bei den therapeutischen Wirkungen handle. Dieser Zugang werde auch von der Kommission der Europäischen Union bestätigt, die ausdrücklich auch auf die Frage der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile hinweise (Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über Parallelimporte vom 6. Mai 1982, 5).
Genau diese Grundsätze seien aber auch im gegenständlichen Fall im Rahmen der Genehmigung des Parallelimportes der Arzneispezialität Minirin 0,1 mg/ml - Nasenspray aus Spanien relevant. Eine Nichtstattgebung des Antrages der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde wäre nur möglich gewesen, wenn die belangte Behörde in der Lage gewesen wäre, nachzuweisen, dass zwischen dem Parallelimportprodukt und dem Direktprodukt Unterschiede bestünden, die therapeutisch relevant seien. Derartige therapeutisch relevante Unterschiede bestünden jedoch tatsächlich nicht und seien von der belangten Behörde auch nicht nachgewiesen worden.
Im gegenständlichen Fall sei das Parallelimportprodukt mit dem Direktprodukt im Bereich der wirksamen Bestandteile völlig identisch. Unterschiede bestünden lediglich im Bereich der Hilfsstoffe, nämlich beim Konservierungsmittel. Diese Unterschiede seien jedoch nicht therapeutisch relevant, weil sie keinerlei Auswirkung auf die Therapiewirkung und die Wirkungsweise der Arzneispezialität hätten.
Im Übrigen weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die belangte Behörde bei der Frage der Zulassung im gegenständlichen Fall verpflichtet gewesen wäre, eine Maßnahme zu ergreifen, die den innergemeinschaftlichen Handel möglichst wenig hemme. Eine derartige, den innergemeinschaftlichen Handel möglichst wenig hemmende Maßnahme sei aber vom Arzneimittelgesetz selbst vorgegeben: Gemäß § 22 Abs. 2 AMG sei die Zulassung einer Arzneispezialität erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Auflagen zu erteilen, deren Erfüllung den Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier, die Arzneimittelsicherheit oder eine wirksame Seuchenbekämpfung gewährleisten solle.
Die belangte Behörde hätte nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der Zulassung des Parallelimportes die Auflage zu erteilen, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, auf der äußeren Verpackung und allenfalls auch auf dem Beipacktext auf die Unterschiedlichkeit des Konservierungsstoffes unter genauer Angabe von Art und Menge des Konservierungsstoffes hinzuweisen. Genau dazu habe sich die Beschwerdeführerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens auch bereit erklärt.
Weiters verweist die Beschwerdeführerin auf eine bevorstehende Novellierung des AMG (sie hat dazu einen nicht näher bezeichneten Entwurf für eine Novelle zum Arzneimittelgesetz vorgelegt). Aus dieser beabsichtigten Regelung ergebe sich, dass es zunächst auf eine Übereinstimmung der wirksamen Bestandteile des parallelimportierten Produktes mit der Bezugszulassung ankomme. Wenn lediglich Hilfsstoffe nicht übereinstimmten, sei eine Untersagung des Parallelimportes der Arzneispezialität nur dann möglich, wenn dies tatsächlich Auswirkungen auf die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit habe. Entscheidend sei daher, dass derartige Auswirkungen nachgewiesen werden könnten. Ein derartiger Nachweis obliege der Behörde. Es sei jedoch nicht ausreichend, dass allenfalls vielleicht die Möglichkeit bestünde, es könnten derartige Auswirkungen bestehen.
2. Der Beschwerdeführerin ist grundsätzlich darin zu folgen, dass nach dem Gemeinschaftsrecht entsprechend der Rechtsprechung des EuGH die nationale Behörde im Fall der Bewilligung eines Parallelimports lediglich bestimmte Fragen zu prüfen hat (vgl. EuGH 28. 1. 1981, Rs 32/80, Kortmann, oder 16. 12. 1999, Rs C- 94/98, Rhone-Poulenc Rorer Ltd, Slg. 1999, I-8789).
Die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Genehmigung eines Parallelimports gestellt.
3. Eine ausdrückliche Vorschrift für die Genehmigung von Parallelimporten im Verständnis der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt das Urteil vom 16. Dezember 1999, Rs C-94/98, Rhone-Poulenc Rorer Ltd) ist im Arzneimittelgesetz in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (noch) nicht enthalten (vgl. jetzt § 20a AMG idF BGBl. I Nr. 33/2002, der am 1. März 2002 in Kraft tritt). Das Arzneimittelgesetz kannte in dieser Fassung nur die Zulassung nach den §§ 11 ff AMG, sowie einzelne Sondervorschriften, wie etwa jene des § 15a AMG oder § 21a AMG, die eigene Bewilligungsverfahren für die darin genannten Sachverhalte regeln. Letztere sind jedoch im Fall der Antragstellung auf Genehmigung eines Parallelimports nicht anwendbar.
4. Eine sog. "Paralleleinfuhr" liegt nach der Rechtsprechung des EuGH vor, wenn ein Arzneimittel, welches einem im betreffenden Mitgliedsland bereits zugelassenen Arzneimittel ähnlich ist, in diesem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden soll und die fraglichen Arzneimittel (das Originalmittel und das parallel zu importierende Mittel) zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt werden, die gleichen therapeutischen Wirkungen und den selben Ursprung haben, wobei der EuGH darauf abstellt, ob die Mittel von Herstellern stammen, die derselben Unternehmensgruppe angehören (EuGH 16. Dezember 1999, Rs C-94/98, Rhone-Poulenc Rorer Ltd, Rdnr. 29).
5. Mangels einer ausdrücklichen innerstaatlichen Regelung für das Verfahren bei der Genehmigung von Parallelimporten ist zunächst zu klären, wie die Behörde im Falle eines Genehmigungsantrages wie im Beschwerdefall vorzugehen hat. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass sich sowohl aus dem Gemeinschaftsrecht (vgl. Art. 3 der Richtlinie 65/65/EWG) als auch aus dem innerstaatlichen Recht ableiten lässt, dass das Inverkehrbringen einer Arzneispezialität im Sinne des § 1 Abs. 5 AMG einer Zulassung bedarf. Von diesem gemeinschaftsrechtlichen Gebot (Art. 3 der Richtlinie 65/65/EWG) ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH zum sog. "Parallelimport" keine Ausnahme. Aus dieser Rechtsprechung ist vielmehr abzuleiten, dass bei der Zulassung unter den Voraussetzungen, die zum Vorliegen eines sog. "Parallelimports" führen, das Inverkehrbringen des betreffenden Produkts nicht behindert werden darf, indem der Parallelimporteur verpflichtet werde, denselben Erfordernissen wie denen zu genügen, die für Unternehmen gelten, die für ein Arzneimittel erstmals eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragen, sofern eine solche Ausnahme von den Vorschriften, die normalerweise auf Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln anwendbar sind, nicht den Gesundheitsschutz beeinträchtigt (vgl. EuGH 16. Dezember 1999, Rhone-Poulence Rorer Ltd, a.a.O., Rdnr. 40 mwH). Die Systematik des österreichischen Arzneimittelgesetzes führt nun dazu, dass auch bei der unmittelbaren Anwendung der vom EuGH in seiner Rechtsprechung zum Parallelimport entwickelten Grundsätze bei Vorliegen der dort angeführten Voraussetzungen eine Zulassung wie nach § 11 AMG zu erteilen ist. So ist etwa nach § 7 Abs. 1 Z 2 AMG beim Inverkehrbringen die Angabe des Zulassungsinhabers erforderlich; ein solcher ist, solange keine Zulassung für das parallel einzuführende Arzneimittel erteilt ist, nicht vorhanden; wollte man davon ausgehen, dass im Falle eines sog. Parallelimports die Einfuhr gegebenenfalls auch ohne ausdrückliche Zulassung möglich wäre, wäre auch hinsichtlich § 7 iVm § 83 AMG vom Gebot der Angabe eines Zulassungsinhabers bzw. der Strafbarkeit im Falle der Nichtangabe des Zulassungsinhabers abzusehen (oder eine sonstige geeignete modifizierte Anwendung dieser Bestimmungen vorzunehmen, die darin bestehen könnte, dass an Stelle des Zulassungsinhabers für das einzuführende Produkt auf den Umstand eines Parallelimports hingewiesen wird und der Zulassungsinhaber des Originalprodukts angeführt wird). Zutreffend gehen die Parteien des Beschwerdeverfahrens daher - insoweit im Ergebnis übereinstimmend - davon aus, dass die Entscheidung im vorliegenden, durch den Antrag, "einen Parallelimport zu genehmigen", ausgelösten Verfahren über die Zulassung jener Arzneispezialität, deren Inverkehrbringen die Beschwerdeführerin beabsichtigt, davon abhängt, ob dem in Rede stehenden Produkt im Verhältnis zu einer im Inland zugelassenen Arzneispezialität jene Eigenschaften zukommen, die nach der dargestellten Rechtsprechung des EuGH einen "Parallelimport" ausmachen.
6. Eine Auseinandersetzung mit künftigen innerstaatlichen Normen (vgl. den erwähnten § 20a AMG idF BGBl. I Nr. 33/2002) erübrigt sich.
7. Die Beschwerdeführerin stellt sich, bezugnehmend auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache de Peijper, auf den Standpunkt, dass Varianten eines Arzneimittels nur dann als verschiedene Arzneimittel zu behandeln seien, wenn es sich bei den Unterschieden um Unterschiede bei den therapeutischen Wirkungen handle. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin bestehen zwischen dem Parallelimportprodukt und dem Direktprodukt keine Unterschiede, die therapeutisch relevant sind, es würden lediglich im Bereich der Hilfsstoffe, namentlich beim Konservierungsmittel, Unterschiede bestehen. Diese seien jedoch therapeutisch nicht relevant, weil sie keinerlei Auswirkungen auf die Therapiewirkung und die Wirkungsweise der Arzneispezialität hätten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin komme es nicht auf eine völlige Identität der parallelimportierten Arzneispezialität mit der Bezugszulassung an, sondern auf ein Entsprechen. Relevant seien die wirksamen Bestandteile.
Zu diesem Vorbringen genügt es, auf das Urteil des EuGH vom 16. 12. 1999, Rs C-94/98, Rhone-Poulenc Rorer Ltd, Rdnr. 43, hinzuweisen. Es kommt nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Genehmigungsfähigkeit im vereinfachten Verfahren für Parallelimporte nicht allein auf die Wirkstoffe des Arzneimittels an, sondern auch auf andere für die Sicherheit relevante Aspekte wie das Herstellungsverfahren oder die Hilfsstoffe. Der EuGH ist in diesem Urteil zum Ergebnis gekommen, dass trotz insofern relevanten Unterschieden zwischen den betreffenden Arzneimitteln die Behörden der Mitgliedstaaten das vereinfachte Verfahren bei der Erteilung von Genehmigungen für Paralleleinfuhren anwenden könnten. Die Behörden seien nämlich verpflichtet, ein parallel importiertes Arzneimittel nach den Vorschriften über Paralleleinfuhren dann zuzulassen, wenn sie davon überzeugt seien, dass dieses Arzneimittel trotz des Bestehens von Unterschieden bei den Hilfsstoffen keine Probleme für die Volksgesundheit aufwerfe.
8. Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht, dass zwischen dem Parallelimportprodukt und dem zugelassenen Produkt "therapeutische Unterschiede" bestünden, auf ein Gutachten eines Sachverständigen, in welchem jener zum Schluss kommt, dass die unterschiedliche Zusammensetzung unterschiedliche Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen könne.
Der Sachverständige vertritt in seinem Gutachten die Ansicht, dass die beiden Zusammensetzungen von Minirin-Nasenspray als nicht austauschbar angesehen werden sollten.
Die belangte Behörde ist damit zum Schluss gekommen, dass die vom EuGH geforderte Freiheit von Bedenken hier nicht gegeben ist. Es kann ihr daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Genehmigung in einem vereinfachten Verfahren (als "Parallelimport") nicht als gegeben erachtete. Daran ändert auch die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Entscheidung der schwedischen Gesundheitsbehörde (in der die Zulassung für das parallel importierte Produkt empfohlen wird, weil die Unterschiede gegenüber dem Originalprodukt als "acceptable" einzustufen seien) nichts, zumal die Stellungnahme in ihrer knappen (nur ein Ergebnis zum Ausdruck bringenden) Form auch nicht geeignet ist, eine ausreichend begründete fachliche Stellungnahme abzugeben, welche geeignet wäre, das Gutachten des von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.
9. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, eine Maßnahme zu ergreifen, die den innergemeinschaftlichen Handel möglichst wenig hemme, wie die Vorschreibung von Auflagen entsprechend der Bestimmung des § 22 Abs. 2 AMG, ist darauf hinzuweisen, dass im Falle eines Parallelimports, bei dem es um die erleichterte Erteilung der Zulassung für ein bereits im Inland zugelassenes Arzneimittel geht, die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen anders zu beurteilen ist als bei der Erteilung der erstmaligen Zulassung.
Es darf nicht verkannt werden, dass es sich beim Verfahren der Zulassung eines Parallelimportes um ein aufgrund der Rechtsprechung des EuGH stark vereinfachtes Zulassungsverfahren handelt, in dem primär zu prüfen ist, ob das parallel zu importierende Arzneimittel mit dem schon zugelassenen Arzneimittel im Wesentlichen (im Sinn der Rechtsprechung des EuGH) übereinstimmt.
Der EuGH hat zu den Rechtsfolgen der Feststellung derartiger Unterschiede, die dazu führen, dass kein Parallelimport mehr vorliegt, ausgeführt, dass die nationale Behörde dann "die neue Verkehrsgenehmigung, die dann für das Inverkehrbringen der einzuführenden Spezialität erforderlich ist, nur unter den Voraussetzungen der Richtlinie 65/65 in der durch die Richtlinie 87/21 geänderten Fassung erteilen" dürfe (EuGH 12. 11. 1996, Rs C-201/94, Smith & Nephew, Rdnr. 30).
Wenn die Beschwerdeführerin aus der Aussage des EuGH im Urteil de Peijper vom 20. Mai 1976, dass eine nationale Regelung oder Praxis nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Art. 36 EGV (jetzt: Art. 30 EG) falle, wenn die Gesundheit oder das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränkten, ableitet, dass ein Parallelimport unter Auflagen im gegenständlichen Fall zulässig wäre, missversteht sie diese Aussage des EuGH. Daraus ergibt sich, dass der EuGH den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als verletzt ansähe, wollte man vom Parallelimporteur die selben Angaben verlangen, über die die Behörde auf Grund der Zulassung des ursprünglichen Arzneimittels bereits verfügt. Genau dies ist aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die beiden Präparate einander nicht völlig entsprechen, nicht der Fall. Der EuGH geht vielmehr wie dargestellt davon aus, dass dann, wenn nicht alle Kriterien für einen Parallelimport erfüllt sind, das (volle) Verfahren nach der RL 65/65 durchzuführen ist (vgl. das Urteil in der Rechtssache Smith & Nephew).
10. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr das Gutachten des Sachverständigen betreffend die therapeutischen Unterschiede nur zusammengefasst und nicht im Wortlaut zur Kenntnis gebracht worden sei. Sie habe daher keine Möglichkeit gehabt, auf die Argumente des Sachverständigen näher einzugehen und allenfalls ein weiteres (Privat-)Gutachten vorzulegen. Dies wiege im vorliegenden Fall umso schwerer, als die Beschwerdeführerin der belangten Behörde die Stellungnahme der schwedischen Gesundheitsbehörde vorgelegt habe, in der zum Ausdruck gebracht werde, dass keine Unterschiede in der therapeutischen Wirkung vorhanden seien.
Auch dieses Vorbringen zeigt im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, da sich die belangte Behörde durch die nochmalige Einholung einer sachverständigen Äußerung zu der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahme der schwedischen Behörde mit dieser Stellungnahme auseinandergesetzt hat und im Hinblick auf die in dieser Stellungnahme nicht berücksichtigten möglichen Unverträglichkeitsreaktionen die Auffassung vertreten hat, dass eine Genehmigung als Parallelimport nicht in Betracht komme. Selbst bei Vermeidung des darin gelegenen Verfahrensmangels, dass das von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegte Gutachten der Beschwerdeführerin tatsächlich nicht im Wortlaut zur Verfügung gestellt wurde (im Verwaltungsakt ist keine formelle Übermittlung des Gutachtens ausgewiesen), hätte die belangte Behörde somit zu keinem anderen Ergebnis kommen können. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde der vom Sachverständigen geäußerten Auffassung nicht widersprochen und dem Sicherheitsargument materiell nichts entgegengehalten. Die Auffassung der Beschwerdeführerin betreffend die Nachweispflicht der Behörde, dass eine Version einer Arzneispezialität bestimmte (unerwünschte) Wirkungen hätte, liefe darauf hinaus, bei solchen Versionen die Beweislast für die Unbedenklichkeit der Arzneispezialität auf die Behörde zu verlagern.
Wie sich schließlich aus dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten ergibt, wurden von der Beschwerdeführerin zwei Stellungnahmen zum gegenständlichen Verfahren, nämlich eine am 21. November 2000 und eine am 12. Oktober 2000 abgegeben. Aus der Stellungnahme vom 21. November 2000 ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin über die Aktenlage zumindest bezüglich der sich aus der Verwendung unterschiedlicher Hilfsstoffe ergebenden Probleme unterrichtet war, da sie in dieser Stellungnahme vorbringt, dass ihrer Ansicht nach der Unterschied in den verwendeten Konservierungsstoffen therapeutisch nicht relevant sei. Zur Untermauerung dieses Standpunktes legte die Beschwerdeführerin mit Stellungnahme vom 12. Oktober 2000 die genannte Stellungnahme der schwedischen Gesundheitsbehörde "Läkemedelsverket" vor.
11. Auch der Einwand der Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit der Feststellung, dass eine Gefährdung vorliege, weil es zu Unverträglichkeitsreaktionen kommen könne, verfängt nicht. Auch in der Beschwerde wird zugestanden, dass der Sachverständige festgestellt habe, dass es zu unterschiedlichen Überempfindlichkeitsreaktionen kommen könne. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluss gezogen hat, dass die darin begründete Gefahr das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Parallelimport ausschließe, kann ihr nicht entgegengetreten werden und liegt darin auch keine aktenwidrige Sachverhaltsannahme.
12. Die vorliegende Beschwerde ist somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
13. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. Jänner 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61980J0032 Kortmann VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001100083.X00Im RIS seit
07.05.2002Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011