Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der H in K, vertreten durch Dr. Klaus Messiner und Dr. Ute Messiner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Burggasse 25/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 27. Jänner 1999, Zl. KUVS-K1-904-905/13/98, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 29. Juni 1998 wurde die Beschwerdeführerin der Begehung von zwei Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wie folgt schuldig erkannt:
"Sie haben zumindest am 20. März 1998 als Arbeitgeber
1) den Ausländer C, geb. am 21.3.1966, slowenischer Staatsangehöriger und
2) den Ausländer S, geb. am 16.11. 1970, slowenischer Staatsangehöriger
in Ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in M, X-Straße 6A mit Holzschlägerungsarbeiten beschäftigt, obwohl Ihnen für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder die Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besaßen."
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Beschwerdeführerin nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je drei Tage) und ein Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren von insgesamt S 3.000,-- verhängt.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie ausdrücklich die ihr angelastete Tatzeit (20. März 1998) bestritt und unter anderem auch geltend machte, dass sie keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb besitze.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 1999 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit folgender Maßgabe bestätigt:
"daß im Spruch anstatt der Wortfolge 'Sie haben zumindest am 20.3.1998' die Wortfolge 'Sie haben vom 23.2.1998 bis 28.2.1998 sowie vom 16.3.1998 bis 19.3.1998' sowie anstatt der Wortfolge 'in Ihrem' das Wort 'im' zu setzen ist. Desweiteren lautet die verletzte Rechtsvorschrift § 28 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG, BGBl. 218/1975 idgF.
Darüberhinaus bleibt der Spruch der angefochtenen Entscheidung unverändert."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, nicht der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht unter anderem geltend, die belangte Behörde habe den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in erheblichem Umfang abgeändert und dabei in unzulässiger Weise ihre Befugnis (als Berufungsbehörde) überschritten. Mit keinem Wort sei erwähnt worden, dass sie am 20. März 1998 keine Verwaltungsübertretungen begangen habe. Die nach dem abgeänderten Spruch angelasteten Tatzeiträume (23. Februar 1998 bis 28. Februar 1998 und 16. März 1998 bis 19. März 1998) seien ihr im Berufungsverfahren nie vorgeworfen worden.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Dies bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, dass die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt, sodass sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist. Hingegen ist es grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als die Behörde erster Instanz, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt. In diesem Rahmen ist die Berufungsbehörde auch zu sonstigen Modifikationen und Präzisierungen des Spruches der Behörde erster Instanz berechtigt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss im Fall einer Berichtigung auch offenkundig sein, dass der unterlaufene Fehler auf einem bloßen Versehen beruhte, welches einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhalten ist. § 62 Abs. 4 AVG gestattet auch nur die Bereinigung textlicher Unstimmigkeiten, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen dürfen. Nachträgliche Auswechslungen der Tat sind jedenfalls unzulässig (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 15. November 1999, Zl. 96/10/0185, und die darin angegebene Judikatur, sowie die hg. Erkenntnisse vom 7. März 1996, Zl. 95/09/0298, vom 17. Mai 1991, Zl. 89/06/0093, und vom 4. Juli 1983, Zl. 81/10/0137 in VwSlg. NF Nr. 11116/A).
Die Berufungsbehörde hat die Tatzeit von "zumindest 20.3.1998" auf zwei näher bezeichnete Tatzeiträume geändert. Das zeitlich völlig unbestimmte Wort "zumindest" darf nicht so verstanden werden, dass damit ein nach jeder Richtung offener Tatzeitrum "Sache" des Berufungsverfahrens war. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Änderung stellt sich somit nicht als Einschränkung sondern als Auswechslung der Tatzeit dar. Dazu war die belangte Behörde aber - gleich, ob in Form einer "Berichtigung" gemäß § 62 Abs. 4 AVG oder in Wahrnehmung ihrer Befugnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG - nicht berechtigt.
Denn im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen einer Berichtigung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis mit dem 20. März 1998 (sohin einem Kalendertag konkret) umschriebenen Tatzeit durch die Berufungsbehörde auf zwei andere konkrete Tatzeiträume (23. Februar bis 28. Februar 1998 und 16. März bis 19. März 1998) nicht vor, weil der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in dieser Hinsicht kein Versehen unterlaufen ist. Die vor Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Beschwerdeführerin gegenüber von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gesetzte Verfolgungshandlung (der Ladungsbescheid vom 3. Juni 1998) bezog sich gleichlautend wie das Straferkenntnis auf eine mit 20. März 1998 umschriebene Tatzeit. Dass diese Tatzeitumschreibung auf einem Versehen der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz beruhte, ist nicht offenkundig. Die belangte Behörde beruft sich vorliegend auch gar nicht auf eine Berichtigung der Tatzeit, führte sie in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Beschwerdevobringen erstatteten Gegenschrift doch ausdrücklich aus, sie habe mit der abgeänderten Tatzeit "innerhalb der Verjährungsfrist eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt und war daher die Abänderung des Spruches rechtens". Der angefochtene Bescheid selbst enthält zur Abänderung der Tatzeit keine Begründung. Die belangte Behörde übersieht, dass sie über die Berufung nur im Rahmen der von der erstinstanzlichen Behörde vorgeworfenen Sache zu einer Spruchänderung berechtigt ist. Eine rechtzeitig von der Berufungsbehörde gesetzte, aber eine andere Sache beinhaltende Verfolgungshandlung kann zwar taugliche Grundlage für einen neuen erstinstanzlichen Bescheid sein, jedoch nicht Grundlage für eine Spruchänderung durch die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
Mangels Zulässigkeit einer Berichtigung des Tatzeitpunktes liegt somit eine Auswechslung der Tat vor. Die belangte Behörde hat demnach die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 VStG, über welche sie zu entscheiden hatte, überschritten.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund, ohne dass auf die weiteren Begründungselemente und die darauf bezogenen Beschwerdegründe näher einzugehen wäre, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Der
zuerkannte Betrag setzt sich aus dem Schriftsatzaufwand (908 EUR) und der Pauschalgebühr in der tatsächlich entrichteten Höhe von S 2.500-- (das sind 181,68 EUR) zusammen.
Wien, am 22. Jänner 2002
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides) Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999090050.X00Im RIS seit
11.04.2002