TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/22 2000/09/0114

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Veröffentlicht am 22.01.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §5 Abs2;
AufG 1992 §6;
AufG 1992 §7;
AuslBG §15 Abs1 Z3;
AuslBG §15 Abs1 Z4;
AuslBG §15 Abs1 Z5;
FrG 1997 §19;
FrG 1997 §24;
FrG 1997 §7;
FrG 1997 §9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Westbahnstraße 35A, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 4. Februar 2000, Zl. 10/13115/1011 651, betreffend Ablehnung der Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der (im Jahr 1966 geborene) Beschwerdeführer, tunesischer Staatsangehöriger, stellte mit formularmäßiger Eingabe vom 14. Dezember 1999, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 15. Dezember 1999, den Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 15 Abs. 1 Z. 5 AuslBG.

Mit Bescheid vom 7. Januar 2000 lehnte die Behörde erster Instanz diesen Antrag mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer sei bisher nicht von den Bestimmungen des AuslBG ausgenommen gewesen, habe im Zeitpunkt der (am 10. Mai 1994) erfolgten Adoption bereits das 21. Lebensjahr überschritten gehabt und habe weder Unterhaltszahlungen noch einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem (in L, Burgenland wohnhaften) Wahlvater nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er behauptete, sein Wahlvater habe ihm bis zu seinem Tod regelmäßig Unterhalt geleistet. Die Tatsache, dass er im Zeitpunkt der Adoption bereits das 21. Lebensjahr überschritten hatte, stehe der Ausnahmeregelung des AuslBG nicht entgegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 1997 wies die belangte Behörde diese Berufung - ohne Einräumung des Parteiengehörs zu den von ihr vorgenommenen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens - gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 5 AuslBG ab.

Sie begründete die Nichtausstellung des beantragten Befreiungsscheines - anders als die Behörde erster Instanz - im Wesentlichen dahin gehend, der Beschwerdeführer besitze seit dem 1. April 1994 keine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet nach dem Fremdengesetz 1997, über ihn sei darüber hinaus mit Bescheid vom 15. Februar 1995 ein Aufenthaltsverbot verhängt worden, weshalb die Voraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 Z. 5 AuslBG nicht erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 5 des AuslBG, BGBl. Nr. 218/75 in der vorliegend anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994, lautet:

"Einem Ausländer ist auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer das 21. Lebensjahr vollendet hat und bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres oder darüber hinaus bis zur Beendigung der Unterhaltsgewährung wegen der Staatsbürgerschaft eines Elternteiles nicht dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterlegen ist, wenn er sich während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat."

Bereits mit seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0279, auf welches im Übrigen zur weiteren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass in § 15 Abs. 1 Z. 5 AuslBG das Wort "rechtmäßig" bei den zeitlichen Voraussetzungen von vornherein nicht aufscheine und dies nur so verstanden werden könne, dass der Gesetzgeber die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzung vom rein faktischen Aufenthalt des Ausländers in Österreich abhängig gemacht hat und nicht die Forderung nach einer Rechtmäßigkeit dieses Aufenthaltes (wie noch in der Gesetzestextierung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 enthalten) aufrecht erhalten habe. Damit habe der Gesetzgeber offenbar in Kauf genommen, dass integrierten Ausländern der zweiten Generation selbst dann, wenn sie keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bzw. nunmehr keine Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1997 oder andere Titel für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet besitzen, Anspruch auf Erlangung eines Befreiungsscheines (bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Z. 3 und 4 AuslBG) und damit freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

Da die belangte Behörde es ausgehend von der unzutreffenden Rechtsansicht, es müsse ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich als Tatbestandsvoraussetzung gegeben sein, unterlassen hat, Feststellungen über den tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers in den erforderlichen Zeiträumen zu treffen und ihm zu den vorliegenden Beweisergebnissen gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gehör einzuräumen, erweist sich der angefochtene Bescheid mit sekundären Verfahrensmängeln behaftet, damit hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001; die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 22. Jänner 2002

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090114.X00

Im RIS seit

11.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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