TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/22 99/10/0163

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Veröffentlicht am 22.01.2002
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Index

L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;

Norm

NatSchG OÖ 1982 §11 Abs2 impl;
NatSchG Tir 1997 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §41 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde 1.) des Karl-Heinz T und

2.) des Robert T, beide in O und vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 10, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. Februar 1998, Zl. U-11.230/15, betreffend Zurückweisung eines Antrages und Entfernungsauftrag nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insofern, als damit dem Zweitbeschwerdeführer die Entfernung der bereits bestehenden Teile des Steinkunstwerkes bis 31. Oktober 1998 aufgetragen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Land Tirol hat dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. August 1988 erteilte die Tiroler Landesregierung dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 3 lit. a und Abs. 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Errichtung eines Steinkunstwerkes ("Apollotempel") im Gewässerschutzbereich des Hundstalsees. Die naturschutzrechtliche Bewilligung wurde auf die Dauer von fünf Jahren (bis zum 10. August 1993) erteilt.

Mit einem bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) am 26. August 1993 eingelangten Schreiben ersuchten die beiden Beschwerdeführer um Verlängerung der naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.

Auf Grund dieses Antrages wurden die Beschwerdeführer mehrmals von der BH aufgefordert (27. August und 26. November 1993 sowie 6. November 1996), die für die Durchführung eines naturschutzrechtlichen Verfahrens erforderliche Zustimmungserklärung des Grundeigentümers (hier: Österreichische Bundesforste) beizubringen. Eine solche Zustimmungserklärung wurde von den Beschwerdeführern nicht vorgelegt.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 1996 wies die BH den Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit den § 27 Abs. 2 lit. a sowie § 41 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29/1991 (Tir NatSchG 1991), als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.).

Mit Spruchpunkt II. wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, den bereits bestehenden Teil des Steinkunstwerkes bis 31. Oktober 1997 abzutragen und die Steine im Gelände in der Weise zu verteilen, dass keine deutlich sichtbaren Spuren verblieben.

Nach der Begründung sei die mit Bescheid vom 11. August 1988 erteilte befristete naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung mit 10. August 1993 abgelaufen. Die nach § 41 Abs. 2 zweiter Satz des Tir NatSchG 1991 erforderliche Zustimmungserklärung des Grundeigentümers sei von den Beschwerdeführern nicht beigebracht worden.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die Leistungsfrist des Entfernungsauftrages wurde nunmehr mit 31. Oktober 1998 terminisiert.

Nach der Begründung habe die BH auf den Antrag der Beschwerdeführer das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 anzuwenden gehabt. Mit 1. Juni 1997 sei das Tiroler Naturschutzgesetz 1997, LGBl. Nr. 33 (Tir NatSchG 1997), in Kraft getreten. Da für das gegenständliche Verfahren keine Übergangsbestimmungen vorhanden seien, habe die belangte Behörde die derzeit gültige Rechtslage in Form des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 anzuwenden. Hinsichtlich der Bestimmungen für den Gewässerschutz bzw. die Abwicklung von Naturschutzverfahren hätten sich keine inhaltlichen Änderungen ergeben. Demnach bedürfe nach wie vor gemäß § 7 Abs. 2 lit. b Z. 1 Tir NatSchG 1997 die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt würden, innerhalb eines 500 m breiten vom Ufer stehender Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 landeinwärts zu messenden Geländestreifens einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Gemäß § 41 Tir NatSchG 1997 sei einem Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung unter anderem der Nachweis des Eigentums am Grundstück, auf dem das Vorhaben ausgeführt werden solle, oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer sei, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen.

Bei dem geplanten bzw. bereits teilweise errichteten Kunstwerk handle es sich ohne Zweifel um eine bewilligungspflichtige Anlage im Uferschutzbereich eines stehenden Gewässers mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2, nämlich des Hundstalsees. Jeder See sei sowohl nach den naturkundefachlichen Grundsätzen wie auch der allgemeinen Verkehrsauffassung als stehendes Gewässer zu bezeichnen, auch wenn er - wie der überwiegende Teil aller stehenden Gewässer - einen oder mehrere Zuflüsse bzw. Abflüsse besitze. Bei der gegenständlichen Anhäufung von Steinen durch Menschenhand handle es sich auch um eine bewilligungspflichtige Anlage im Sinne des Naturschutzgesetzes. Zum Begriff einer Anlage zähle nämlich alles, was durch die Hand des Menschen angelegt worden sei. Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass etwa auch durch Steinlawinen die Landschaft ständig verändert würde, so sei ihnen zu erwidern, dass es sich dabei - im Gegensatz zum verfahrensgegenständlichen Steinkunstwerk - nicht um eine durch Menschenhand angelegte Anlage handle. Das gegenständliche Steinkunstwerk befinde sich im Uferschutzbereich eines stehenden Gewässers auf einem fremden Grundstück; die notwendige Zustimmungserklärung des Grundeigentümers liege nicht vor.

Die mit Bescheid der Landesregierung vom 11. August 1988 erteilte Bewilligung sei mit 10. August 1993 erloschen. Eine neue Bewilligung hätte nicht erteilt werden können. Mangels einer naturschutzrechtlichen Bewilligung seien die Beschwerdeführer daher von der BH zu Recht aufgefordert worden, die bereits errichteten Anlageteile des Steinkunstwerkes zu entfernen bzw. auf die bestehenden Steinhalden zu verteilen, dass die durch Menschenhand angelegten Steinschlichtungen möglichst nicht mehr erkennbar seien und zudem keine Gefährdung von Menschen oder Tieren durch die bestehenden Anlagenteile zu befürchten sei. Ob jeder Stein, wie die Beschwerdeführer in ihrer Berufung vorgebracht hätten, genauso situiert werden könne wie vor 10 Jahren, bleibe dabei bedeutungslos.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Juni 1999, B 866/98, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Abs. 2 lit. b Z. 1 Tir NatSchG 1997 bedürfen außerhalb geschlossener Ortschaften im Bereich eines 500 m breiten, vom Ufer stehender Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 landeinwärts zu messenden Geländestreifens die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Gemäß § 27 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG 1997 darf eine naturschutzrechtliche Bewilligung für eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage nach dem § 7 Abs. 2 unter anderem nur erteilt werden,

1.) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder 2.) wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

Einem Antrag um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung sind nach § 41 Abs. 2 Tir NatSchG 1997 unter anderem der Nachweis des Eigentums am Grundstück, auf dem das Vorhaben ausgeführt werden soll, oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, es sei denn, dass auf Grund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften für das Vorhaben eine Enteignung oder die Einräumung von Zwangsrechten möglich ist.

Das Erfordernis des Nachweises der Zustimmung des Grundstückseigentümers dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem verwaltungsökonomischen Ziel, landschaftsschutzrechtliche Bewilligungsverfahren nur in den Fällen durchzuführen, in denen es sicher gestellt erscheint, dass das geplante Vorhaben nicht allein schon wegen der fehlenden Zustimmung des Grundeigentümers zum Scheitern verurteilt ist (vgl. etwa das zum Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 72/1988 ergangene Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 90/10/0145).

Von den Beschwerdeführern wird nicht in Abrede gestellt, dass sie eine Zustimmungserklärung des Grundeigentümers nicht vorlegen konnten. Sie vertreten jedoch unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 lit. b Z. 1 Tir NatSchG 1997 die Auffassung, dass eine naturschutzrechtliche Bewilligung im Beschwerdefall nicht erforderlich sei, da Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht berührt würden.

Dabei übersehen die Beschwerdeführer jedoch, dass für die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen im Uferschutzbereich jedenfalls eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist. Lediglich die Änderung von Anlagen, durch die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht berührt werden, erfordern keine Bewilligung.

Ist eine naturschutzrechtliche Bewilligung erloschen, so hat nach § 27 Abs. 8 Tir NatSchG 1997 der ehemalige Inhaber der Bewilligung eine auf Grund der Bewilligung errichtete, aufgestellte oder angebrachte Anlage unverzüglich zu entfernen und alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 so weit wie möglich zu beseitigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat ihm die Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid die Durchführung dieser Maßnahmen aufzutragen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer fehle es dem Entfernungsauftrag an der gesetzlichen Grundlage, da eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht gegeben sei. Für diese Auffassung führen sie im Wesentlichen die Begründung des Bescheides der Tiroler Landesregierung vom 11. August 1988 ins Treffen, wonach das Steinkunstwerk "im Landschaftsbild kaum in Erscheinung treten werde und bei dessen Errichtung keine touristischen oder wirtschaftlichen Zielsetzungen verfolgt" würden. Die Behörde habe sich auch anlässlich einer Verhandlung an Ort und Stelle selbst davon überzeugen können, dass das Steinkunstwerk in keiner Weise zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Erholungswertes der Landschaft führe und die Aufeinanderschlichtung von Steinen auch keinesfalls eine Störung des Naturhaushaltes hervorrufen könne.

Auf dieses Vorbringen ist den Beschwerdeführern zu erwidern, dass nach dem oben wieder gegebenen § 27 Abs. 8 Tir NatSchG 1997 der ehemalige Inhaber einer Bewilligung im Falle des Erlöschens der Bewilligung die errichtete Anlage unverzüglich zu entfernen hat. Ferner sind alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 so weit wie möglich zu beseitigen. Dass der diesbezüglich erteilte (weitere) Auftrag, die Steine im Gelände in der Weise zu verteilen, dass keine deutlich sichtbaren Spuren verblieben, mit § 27 Abs. 8 Tir NatSchG 1997 in Widerspruch stünde, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gesagt werden.

Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass der ehemalige Inhaber der Bewilligung lediglich der Erstbeschwerdeführer gewesen sei, kommt der Beschwerde allerdings Berechtigung zu:

Mit Bescheid vom 11. August 1988 hat die Tiroler Landesregierung dem Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung zur Errichtung des streitgegenständlichen Steinkunstwerkes Folge gegeben. Die im § 27 Abs. 8 Tir NatSchG 1997 umschriebene Verpflichtung trifft nur den ehemaligen Inhaber der Bewilligung. Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, so hat (nur) ihm die Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen aufzutragen.

Der an beide Beschwerdeführer gerichtete Bescheid der belangten Behörde erweist sich daher insofern als rechtswidrig, als damit auch dem Zweitbeschwerdeführer die Entfernung des Steinkunstwerkes aufgetragen worden ist. Ob der Zweitbeschwerdeführer auch zu den Proponenten gehörte, die für die ursprüngliche Errichtung des Steinkunstwerkes eintraten, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift verweist, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde jedoch gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Jänner 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999100163.X00

Im RIS seit

11.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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