Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 18. September 1976 geborenen A, vertreten durch Dr. Robert Miklauschina, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 18 und 26, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 4. September 1997, Zl. FR 194/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 4. September 1997 gerichtet, mit dem - in Form der Abweisung einer Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 24. Jänner 1997 - gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsbürger, in Liberia Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu sein bzw. dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 11. Dezember 1995 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, angegeben habe, in Gbanga gelebt zu haben und in Monrovia in die Schule gegangen zu sein. Am 15. Februar 1990 sei er Mitglied der Jugendbewegung "Youth Movement" geworden. Am 10. April 1995 hätte eine Versammlung in Gbanga stattgefunden, an welcher er selbst teilgenommen hätte. Am selben Tag wären Soldaten des Charles Taylor gekommen, hätten den Beschwerdeführer und 30 weitere Personen festgenommen und zu einem Militärlager gebracht. Er wäre beschuldigt worden, geheime Versammlungen gegen die Regierung abzuhalten. Die Versammlung der Jugendbewegung wäre nicht erlaubt gewesen. Ziel der Bewegung wäre es gewesen, Frieden zu bringen und der Beschwerdeführer hätte versucht, andere dazu zu überreden, nicht für Charles Taylor zu kämpfen. Während der Haft hätten die Anhänger des Charles Taylor versucht, den Beschwerdeführer dazu zu bringen, für den Milizführer zu kämpfen. Wenn er dies abgelehnt hätte, wäre er geschlagen worden. Drei Führer seiner Bewegung wären von ihm getrennt worden und er hätte diese nie wieder gesehen, es wäre das Gerücht verbreitet worden, dass alle drei getötet worden wären. Ein Gericht hätte den Beschwerdeführer und andere beschuldigt, geheime Aktivitäten gegen die Regierung zu setzen und für Alahaji Kromah zu sein, welcher die Jugendbewegung, der der Beschwerdeführer angehört hätte, auch finanziell unterstützt hätte. Bei Gericht hätte er sich verteidigen können und erklärt, dass Charles Taylor mit seinen Leuten viel Unglück über das Heimatland gebracht hätte, so wären Leute getötet und Frauen vergewaltigt worden. Schließlich wäre er zu zehn Monaten Haft verurteilt worden, andere hätten einige Jahre Gefängnisstrafe erhalten, danach wäre er wieder nach Gbanga in das Gefängnis zurückgebracht worden. Später wäre der Beschwerdeführer aus diesem geflüchtet, da er ansonsten von Charles Taylor vermutlich nicht freigelassen worden wäre, sein Vater hätte Charles Taylor kritisiert, weshalb dieser den Beschwerdeführer hasste. Der Vater des Beschwerdeführers wäre mit Charles Taylor befreundet gewesen, hätte diesen jedoch bei einem Besuch im März 1992 kritisiert. Nachdem er seither nie wieder zurückgekehrt wäre, wäre zu vermuten, dass man ihn umgebracht hätte. Außerdem hätten Soldaten die Mutter des Beschwerdeführers erhängt. Dies sei deshalb anzunehmen, weil sie Rechtsanwältin gewesen wäre und er, nachdem er die tote Mutter entdeckt hätte, noch Militärangehörige vor dem Haus gesehen hätte. Weitere Gründe für die Flucht hätte der Beschwerdeführer nicht. In der Jugendbewegung wäre er nur Wortführer bei Demonstrationen, nicht aber in einer leitenden Funktion gewesen. Das letzte Mal hätte er 1994 in Gbanga an einer Demonstration teilgenommen, wobei mehrere Demonstranten von Soldaten des Charles Taylor getötet worden wären. Dem Beschwerdeführer wäre nichts geschehen. Aus dem Gefängnis wäre er als Ministrant verkleidet entkommen und wäre beim Verlassen desselben auch kontrolliert worden. Ein Priester hätte mit den Wachen gesprochen und der Beschwerdeführer hätte mit einer Kappe und einer Brille aus dem Gefängnis marschieren können. Im Gefängnis wäre er geschlagen worden, indem er etwa fünf Stockhiebe auf die Schienbeine erhalten hätte. Dies wäre drei Mal pro Woche geschehen. Sichtbare Verletzungen hätte er nicht davongetragen.
Vor der Fremdenpolizei habe der Beschwerdeführer hinsichtlich der Verfolgungsgründe gemäß § 54 iVm § 37 FrG im Wesentlichen die gleichen Angaben gemacht wie im Asylverfahren bzw. habe er diese wiederholt. Er habe keinerlei neue Tatsachen für das Vorliegen stichhaltiger Gründe iSd § 37 FrG vorbringen können, denen zufolge die belangte Behörde zu weiteren Ermittlungen gehalten gewesen wäre.
Wenn man zudem noch bedenke, dass der Beschwerdeführer die Hilfe von Schleppern in Anspruch genommen habe und es zu den Dienstleistungen von Schleppern gehöre, auch entsprechende Dokumente und Argumentationshilfen im Bedarfsfall nachzuliefern, schienen seine Angaben noch unglaubwürdiger.
Der Bundesminister für Inneres habe in seinem Bescheid vom 11. Februar 1997 rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG. Es könne davon ausgegangen werden, dass diese Gründe nicht vorlägen, da er im darauf folgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe und, was die Fluchtgründe anbelange, auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. diese wiederholt habe.
Mit seinen auf bloßen Behauptungen beruhenden Angaben dahingehend, dass er angeblich als Mitglied der Jugendbewegung "Youth Movement" am 10. April 1995 bei einer nicht genehmigten Versammlung dieser Gruppierung festgenommen worden wäre und dass er weiters, nachdem man ihn angeblich während der Haft versucht hätte zu überreden, für Charles Taylor zu kämpfen und er dies abgelehnt hätte, von einem Gericht beschuldigt worden wäre, geheime Aktivitäten gegen die Regierung zu setzen und für Alahaji Kromah zu sein, und man ihn deshalb zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten verurteilt habe, sei es ihm nicht gelungen, für die belangte Behörde konkret nachvollziehbar und glaubhaft das Bestehen einer aktuellen, subjektiv gegen seine Person gerichteten, von den Behörden des Heimatstaates zumindest gebilligten Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne von § 37 Abs. 1 und 2 FrG für den Fall seiner Rückkehr nach Liberia glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer sei es schuldig geblieben, der erstinstanzlichen und auch der belangten Behörde glaubhaft zu machen, dass er überhaupt je Mitglied der Jugendbewegung "Youth Movement" gewesen wäre. Hierfür sei der Beschwerdeführer der Behörde die Glaubhaftmachung durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel schuldig geblieben. Des Weiteren sei er nicht in der Lage, hinreichende Kenntnis über die Zielsetzung, örtliche Struktur und Arbeitsweise dieser Organisation nachzuweisen und seinen Beitritt, seine Motive und Tätigkeiten im Einzelnen in zeitlich und örtlich nachvollziehbarer Weise darzulegen. Aus diesem Grund seien seine bloßen Behauptungen über eine angebliche Mitgliedschaft bei der Jugendbewegung "Youth Movement", in der er laut Eigenangabe keine leitende Funktion, sondern nur die eines Wortführers bei Demonstrationen gehabt habe, nicht belegbar und kaum nachprüfbar und daher auch nicht als glaubhaft anzusehen.
Aber auch die auf bloßen Behauptungen beruhenden Angaben des Beschwerdeführers über seine angebliche Verurteilung zu einer Haftstrafe von zehn Monaten und seine angebliche Flucht aus dem Gefängnis seien ebenfalls für die belangte Behörde kaum nachprüfbar und auch mangels Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel hierfür als nicht besonders glaubhaft anzusehen.
Auf Grund des Umstandes, dass er nicht im Besitz eines gültigen nationalen Reisedokuments sei - der Beschwerdeführer habe das Dokument eines anderen, ihm nicht bekannten Schwarzafrikaners benützt - und dass auch im Hinblick auf seine Identität nicht unberechtigte Zweifel bestünden, seien seine Angaben über die angebliche Verhaftung und darauf folgende Verurteilung und angebliche Flucht aus dem Gefängnis kaum nachvollziehbar und daher auch durch nichts belegbar. Wenn dann noch die eigenartigen Umstände der Flucht hinzukämen, nämlich dass der Beschwerdeführer angeblich mit Hilfe eines Priesters als Ministrant verkleidet aus dem Gefängnis entkommen hätte können, wobei er angeblich auch von Wachen kontrolliert worden wäre, der Priester mit diesen gesprochen hätte, und er mit Kappe und Brille aus dem Gefängnis marschieren hätte können, seien die Angaben über den Gefängnisaufenthalt und die angebliche Flucht nicht besonders glaubwürdig. Es sei für die belangte Behörde nicht konkret nachvollziehbar und widerspreche auch den allgemeinen Erfahrungsberichten und logischen Denkgesetzen dahingehend, dass er in einer für einen Ministranten unüblichen Aufmachung, nämlich mit Kappe und Brille, aus dem Gefängnis hätte gehen können, nachdem der Priester mit den Wachen gesprochen hätte, ohne dass diesen dieser bemerkenswerte Umstand aufgefallen wäre. Diese Angaben des Fremden seien von der Behörde als absolut unglaubwürdig zu bewerten.
Auch mit den Angaben dahingehend, dass er angeblich im Gefängnis ca. drei Mal pro Woche mit fünf Stockschlägen auf die Schienbeine geschlagen worden wäre, habe er nicht vermocht, das Vorliegen einer aktuellen, subjektiv gegen seine Person gerichteten Verfolgungsgefahr iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Falle seiner Rückkehr in die Heimat glaubhaft zumachen, zumal die bloße Behauptung, angeblich während der Haft misshandelt worden zu sein, keinerlei Rückschlüsse auf eine aktuelle Bedrohung zulasse, selbst wenn diese Misshandlungen Spuren hinterlassen hätten, was der Beschwerdeführer aber ausdrücklich verneint habe.
Mit seinem angeblichen regimekritischen Verhalten im Jahre 1995 habe er ebenfalls keine stichhaltigen Gründe dafür glaubhaft machen können, dass ihm im Falle der Abschiebung in den Heimatstaat eine subjektiv gegen seine Person gerichtete, aktuelle Verfolgungsgefahr iSd § 37 FrG drohen würde, zumal ein regimekritisches Verhalten alleine nicht ausreiche, um damit eine aktuelle, subjektiv gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsgefahr nach § 37 FrG glaubhaft darzutun. Ebenso wenig habe der Beschwerdeführer mit seinen Hinweisen darauf, dass sein Vater seinerzeit Charles Taylor kritisiert und dieser den Beschwerdeführer gehasst hätte und dass der Vater von einem Gespräch mit Taylor nicht zurückgekehrt wäre, weshalb der Beschwerdeführer annehme, dass er ermordet worden, bzw. mit den Vermutungen, dass seine Mutter von Militärangehörigen erhängt worden wäre, eine aktuelle, subjektiv gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft machen können.
Selbst wenn man diesen Vorfällen Glauben schenken wollte, seien diese nicht ausreichend, so bedauerlich sie auch sein mögen, um damit das Bestehen einer aktuellen, subjektiv gegen die Person des Beschwerdeführers gerichteten, durch staatliche Stellen seines Heimatstaates zumindest gebilligten Bedrohung gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen, zumal es sich um Vermutungen handle, die aus Vorfällen abgeleitet würden, an denen der Beschwerdeführer nicht beteiligt gewesen sei.
Auch die Angabe, er sei geflüchtet, weil Charles Taylor ihn nicht freigelassen hätte, sei nicht geeignet, um eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Die geschilderten Vorfälle seien als Auswüchse der seinerzeitigen Bürgerkriegshandlungen anzusehen.
Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren gemäß § 54 FrG nicht nachgekommen und würden sich die Verfolgungsgründe auf bloße Behauptungen und Vermutungen seitens des Beschwerdeführers stützen. Weil er rechtsfreundlich vertreten sei, sei eine erhöhte Mitwirkungspflicht "zuzubilligen".
Eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers hinsichtlich der Frage, dass auch sein Bruder Mitglied des "Youth Movement" gewesen wäre, eine Kontaktaufnahme zu ihm seitens des Beschwerdeführers, nachdem er aus dem Gefängnis entkommen wäre, nicht möglich gewesen und daher zu befürchten wäre, dass auch der Bruder des Beschwerdeführers von Angehörigen des Charles Taylor getötet worden wäre, sei nicht erforderlich, da er in der Erstasylniederschrift angegeben habe, keine weiteren Fluchtgründe zu haben. Es wäre dem Beschwerdeführer unbenommen gewesen, spätestens in der Berufungsschrift konkretes Tatsachenvorbringen für das Vorliegen stichhaltiger Gründe iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG anzuführen und diese durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen bzw. solche anzubieten. Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, sondern er berufe sich auf Einzelschicksale anderer Personen, wie etwa seines Bruders, zu dem es ihm bis heute nicht gelungen sei, Kontakt aufzunehmen. Auch die Befürchtungen dahingehend, dass sein Bruder auf Grund der bekannten politischen Ansichten der Familie von Angehörigen des Charles Taylor getötet worden sei, und die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass auf Grund der Erfahrungen und des als wahrscheinlich anzunehmenden Schicksals des Bruders auch der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, im Falle seiner Rückkehr nicht nur die ungerechtfertigte Gefängnisstrafe weiter abdienen zu müssen, sondern sogar getötet zu werden, sei nicht mehr als eine Vermutung des Beschwerdeführers, der jegliche Glaubhaftmachung fehle. Aus bloßen Vermutungen, mögen sie auch auf andere Personen betreffende Vorfälle Bezug nehmen, könne keine Bedrohung nach § 37 Abs. 1 oder 2 abgeleitet werden.
Die bloße Behauptung, der Beschwerdeführer müsse im Falle seiner Rückkehr nach Liberia mit einer ungerechtfertigten Gefängnisstrafe oder sogar mit dem Tod rechnen, sei nicht ausreichend, um das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen.
Ein allgemeiner Hinweis auf die unsichere politische Situation in Liberia sei keinesfalls ausreichend, um das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung iSd § 37 Abs. 1 oder 2 glaubhaft zu machen. Auch die Bezugnahme auf Länderberichte sei nicht geeignet, eine Bedrohungs- oder Gefährdungssituation glaubhaft zu machen, weil gar nicht behauptet werde, dass sich dieser Bericht auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers beziehe.
Die Berichte betreffend die allgemeine Lage in Liberia, auf die der Beschwerdeführer Bezug nehme, gäben keinesfalls mehr die aktuelle politische Lage wieder, da sie sich auf die Monate April, Juni und Juli 1996 bezögen. "Mittlerweile" gebe es ein von allen Bürgerkriegsparteien unterzeichnetes Friedensabkommen vom 20. August 1995. Am 1. September 1995 sei ein sechsköpfiger Staatsrat gebildet worden, der aus drei Zivilisten und den drei Milizchefs bestanden habe, dessen Vorsitz sei bis zu den Ende Mai 1997, Anfang Juni 1997 stattgefundenen Wahlen von der ehemaligen Senatorin Ruth Perry geführt worden. Dieser Staatsrat habe eine Übergangsregierung gebildet. Ende Mai 1997 sei Charles Taylor zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden, wobei die UNO-Wahlbeobachter den Urnengang als fair beurteilt hätten. Nunmehr sei der Machtkampf in Liberia letztendlich durch demokratische und faire Wahlen einer endgültigen Entscheidung zugeführt worden, sodass Charles Taylor seinen Kampf um die Macht im Land beendet habe.
In der fremdenpolizeilichen Niederschrift vom 21. Juli 1997 habe der Beschwerdeführer angegeben, nicht nach Liberia zurück zu können, solange Charles Taylor um die Macht kämpfe; diese Bedingung für eine Rückkehr sei nunmehr offensichtlich erfüllt. Nachdem Charles Taylor nunmehr demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt sei, gebe es keine konkret nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer wegen seinerzeitiger angeblicher oppositioneller Haltung seiner Familienangehörigen einer aktuellen Verfolgungsgefahr im Sinne von § 37 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt wäre. Eine derartige Verfolgungsmotivation sei für die Behörde mangels eines konkreten Tatsachenvorbringens nicht objektivierbar.
Selbst unter Annahme der seinerzeitigen Mitgliedschaft beim "Youth Movement" sei der Beschwerdeführer auf Grund der mangelnden Publizitätswirkung seiner damaligen Funktion die Glaubhaftmachung einer konkret nachvollziehbaren staatlichen Verfolgungsmotivation schuldig geblieben, zumal eine solche erfahrungsgemäß auch einem gewissen Kosten-Nutzen-Kalkül unterliege. Auf Grund der derzeitigen politischen Situation sei auch einigermaßen sichergestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Liberia die Möglichkeit habe, sich unter den Schutz der im Wesentlichen dennoch existierenden staatlichen Autorität zu stellen, sodass nicht davon gesprochen werden könne, dass sein Heimatstaat nicht in der Lage wäre, ihn vor bewaffneten Rebellengruppen, sollten diese noch existieren, zu schützen.
Von der Aufnahme weitere Beweise habe die Behörde Abstand genommen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt erschienen sei.
Gegen diesen, dem Vertreter des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren am 3. September 1997 zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Im vorliegenden Fall war mit der Beschwerde zunächst eine Kopie des angefochtenen Bescheides in ab dessen Seite 3 unrichtiger Fassung vorgelegt worden. Nach Anhörung der Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof (im Verfahren zur hg. Zl. 2001/21/0112) konnte eruiert werden, dass die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung mit der in dem Verwaltungsakt einliegenden Urschrift übereinstimmt und den oben dargestellten Inhalt aufweist. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch diese nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0905, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgesprochen, dass im Rahmen eines Antrages gemäß § 54 FrG beachtlich wäre, wenn eine in einem Land gegebene Bürgerkriegssituation dazu führt, dass keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden und damit zu rechnen ist, dass ein dorthin abgeschobener Fremder - auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bürgerkriegspartei oder verfolgten Bevölkerungsgruppe - mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der im § 37 Abs. 1 umschriebenen Gefahr (im gesamten Staatsgebiet) unmittelbar ausgesetzt sein würde. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn auf Grund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage besteht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahren für Leib und Leben in einem Maß drohen, dass die Abschiebung im Licht des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Abs. 1 des § 37 FrG der Konkretisierung des durch Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes diene. Ansatzpunkt im Sinn des Art. 3 EMRK sei die konkrete Gefahr für den Fremden, in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0528, mwN).
Der Beschwerdeführer behauptet zwar das Vorliegen einer solchen Bürgerkriegssituation bzw. extremen Gefahrenlage. Das Land leide mehr oder weniger an völliger Anarchie, bewaffnete Gruppen zögen plündernd durch die Hauptstadt und würden die Beute mit gestohlenen UN-Fahrzeugen abtransportieren. Der Bürgerkrieg in Liberia sei laut Presseberichten der mit Abstand grausamste der Welt, wobei die Situation durch das Fehlen klarer Fronten noch verschärft werde. Im Hinblick auf die Lage im Land verweist er auf einen Bericht des UNHCR, Regionalbüro Wien vom 23. Juni 1996. Die humanitäre Situation in Monrovia habe sich durch den ständigen Zustrom von Flüchtlingen sehr verschlechtert, wobei sich in der für eine Infrastruktur von 300.000 Personen ausgerichteten Stadt mehr als 1,3 Millionen Menschen aufgehalten hätten.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde ging nämlich - und dem hat der Beschwerdeführer auch nicht konkret widersprochen - davon aus, dass sich die Lage in Liberia im Zeitpunkt der Bescheiderlassung so weit beruhigt und verbessert habe, dass von einer extremen Gefahrenlage im Sinne der obgenannten Judikatur nicht ausgegangen werde könne. Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt allerdings nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl. 97/21/0712, mwN).
Auf Grund der Feststellungen der Behörde betreffend die Wahlen 1997, die Kontrolle des Landes durch die ECOMOG-Truppe und die zumindest fallweise Bestrafung von Menschenrechtsverletzungen hat sie sich auch in ausreichendem Maße mit der allgemeinen Situation in Liberia auseinander gesetzt.
Was die Ausführungen der Behörde betrifft, der Beschwerdeführer habe für seine Angaben über seine Haft und jene Umstände, die seiner Familie zugestoßen seien, keinerlei Bescheinigungsmittel beigebracht, und es sei ihm die Glaubhaftmachung einer Bedrohung iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG somit keinesfalls gelungen, da bloße Behauptungen dafür nicht ausreichen würden, ist diese Argumentation insofern verfehlt, als es keine Grundlage dafür gibt, "bloßen Behauptungen" schon abstrakt die Tauglichkeit für die Dartuung einer Bedrohungssituation im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG abzusprechen. Wenn das Gesetz "stichhaltige Gründe" fordert, so soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass, wie erwähnt, die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. In diesem Sinn ist die Wortfolge "stichhaltige Gründe für die Annahme" in § 37 Abs. 1 und 2 FrG zu verstehen. Das Fehlen von Bescheinigungsmitteln ist allein für die Frage der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens von Bedeutung. Demgemäss hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die auch von ihm - in Bezug auf die behördliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens - geforderte Bescheinigung von Angaben im Verfahren nach § 54 FrG naturgemäß nur dann verlangt werden kann, wenn eine solche nach Lage der Dinge realistisch in Betracht kommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. August 2000, Zl. 97/21/0845, mwN).
Ferner reicht es nicht aus, wenn die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit der Ausführungen des Beschwerdeführers mit dem schlichten Argument anzweifelt, der Beschwerdeführer sei mit Hilfe von Schleppern nach Österreich gekommen, die, wenn nötig, auch Dokumente und "Argumentationshilfen" beistellen würden. Aus der Art und Weise der Einreise eines Fremden kann nämlich nicht ohne Weiteres auf die Glaubwürdigkeit seiner Angaben hinsichtlich ihm im Fall seiner Abschiebung in einen bestimmten Staat dort drohender Gefahren geschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 97/21/0831).
Dennoch ist im Ergebnis die Schlussfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe im vorliegenden Fall nicht glaubhaft und konkret nachvollziehbar darzustellen vermocht, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Liberia einer Bedrohung oder Verfolgung iSd § 37 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt wäre, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Insgesamt kann nämlich der Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden; dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, die Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzeigen. Diese ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit, also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, oder darum handelt, ob die Beweise, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung). Der belangten Behörde kann nicht widersprochen werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers einerseits so wenig substanziiert und anderseits in jenen Punkten, in welchen es konkrete Situationen beschreibt, etwa seine Flucht aus dem Gefängnis, so wenig plausibel erscheint, dass seinem Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zukommt.
Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen und hat hiebei auch Feststellungen zur allgemeinen aktuellen Situation in Liberia getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die belangte Behörde im Fall einer zusätzlichen Einvernahme des Beschwerdeführers zu einem für diesen günstigeren Bescheid hätte kommen können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Jänner 2002
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ParteienvernehmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001210175.X00Im RIS seit
17.04.2002