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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 15. August 1969 geborenen A in Basel, Schweiz, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. November 1999, Zl. Fr-298/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 1999 wurde über den Beschwerdeführer, einen in der Schweiz wohnhaften jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 sowie Abs. 2 Z 1 iVm §§ 37 und 39 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen. Dabei ging die belangte Behörde im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Der Beschwerdeführer habe am 2. März 1999 einen von unbekannten Tätern in Deutschland gestohlenen Pkw der Marke Ford Galaxy ins östliche Ausland zu überstellen versucht. Er sei bei der Grenzübergangsstelle Nickelsdorf bei der versuchten Ausreise nach Ungarn kontrolliert worden und habe einen (gefälschten) Schweizer Zulassungsschein, lautend auf D. S., sowie eine von diesem (angeblich) erteilte Vollmacht zum Lenken des Kraftfahrzeuges vorgewiesen. Der Beschwerdeführer sei wegen dieses Sachverhaltes mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 28. Mai 1999 wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, 3 und 4 zweiter Satz StGB und wegen des Vergehens der Urkundenfälschung (Gebrauch einer falschen Urkunde) nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, wovon ein Teil der Strafe, nämlich sieben Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei (richtig: zwei) Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt worden. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde aus, entgegen den Berufungsausführungen sei die Behörde nicht an die Erwägungen des Gerichtes (der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft werde den Beschwerdeführer in Hinkunft von der Begehung weiterer Straftaten abhalten) gebunden, sondern sie könne ihre Entscheidung "frei nach fremdenrechtlichen Aspekten beurteilen". Gerade beim Delikt der Hehlerei liege es in der Natur der Sache, dass dieses wiederholt und üblicherweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen begangen werde. Derartige Vermögensdelikte stellten eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, weshalb eine Prognoseentscheidung zugunsten des Beschwerdeführers nicht getroffen werden könne. Dem Argument des Beschwerdeführers, das Aufenthaltsverbot hätte die Auswirkung, dass er als Fernfahrer Österreich und die "Schengener Staaten" nicht mehr durchqueren dürfe, wodurch sein Arbeitsplatz gefährdet wäre, hielt die belangte Behörde entgegen, die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wiege schwerer als die aufgezeigten Auswirkungen auf seine Lebenssituation, gelte es doch, gesetzlich verpönten Verhaltensweisen, wie den vom Beschwerdeführer gezeigten, wirksam entgegenzutreten. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich, mit seinem Arbeitgeber andere Fahrtrouten festzulegen bzw. die Arbeitsstelle in der Schweiz zu wechseln. Aus diesen Erwägungen sehe sich die belangte Behörde nicht veranlasst, eine Ermessensentscheidung zugunsten des Beschwerdeführers zu treffen.
Unter Bedachtnahme auf die schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, welche von Hehlereidelikten ausgehe, sowie angesichts des (schon erwähnten) Umstandes, dass das Delikt der Hehlerei wiederholt und üblicherweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen begangen werden, erscheine - so die belangte Behörde abschließend - die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von zehn Jahren durchaus angemessen, weil mit dem Wegfall der durch § 36 FrG angesprochenen Gefährdung nicht früher gerechnet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 36 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall FrG).
Die Beschwerde bestreitet nicht die - auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandende - Annahme der belangten Behörde, im Hinblick auf die erwähnte rechtskräftige Verurteilung sei der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt. Der Beschwerdeführer führt jedoch ins Treffen, es handle sich um seinen ersten Verstoß gegen die Rechtsordnung und er habe bei seinem "allerersten Kontakt mit einem Gericht eine zweimonatige Haft zu verbüßen gehabt". Der dadurch bewirkte Abschreckungseffekt sei so groß, dass er weitere strafbare Handlungen schon deshalb nicht mehr begehen würde.
Diesen Ausführungen, die sich gegen die Prognosebeurteilung im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG richten, kann nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass Erwägungen des Strafgerichtes für die Beurteilung der Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nicht bindend sind. Das Fehlverhalten ist unabhängig von den die bedingte Strafnachsicht begründenden Erwägungen des Gerichtes von der Behörde eigenständig unter dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0142, und vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0253). Die belangte Behörde hat daher in diesem Zusammenhang zu Recht auf die besondere Natur des begangenen Deliktes hingewiesen, das "wiederholt und üblicherweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen begangen" werde. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass der Diebstahl und die nachfolgende Überstellung von Fahrzeugen in ost- und südosteuropäische Länder regelmäßig von bandenmäßig organisierten, kriminellen Vereinigungen mehrerer Personen durchgeführt werden. Diese Annahme einer planmäßigen Ausführung im Zusammenwirken mehrerer Personen bestätigt sich auch im vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer hat - nach den von der Erstbehörde (der Aussage des Beschwerdeführers folgend) getroffenen und in der Berufung unbestrittenen Feststellungen - die Überstellungsfahrt für einen ihm vorher (angeblich) unbekannten Mann (über dessen Auftrag) gegen Bezahlung durchgeführt. Ihm ist auch aufgefallen, dass es sich (bei dem verabredungsgemäß in Deutschland übernommenen Pkw) um ein ganz neues Fahrzeug handelt und dass damit "etwas nicht in Ordnung sein könnte". Außerdem hat der Beschwerdeführer die Überstellung eines zweiten gestohlenen Fahrzeuges durch einen (gemeinsam mit ihm bei der Grenzkontrolle festgenommenen) jugoslawischen Staatsangehörigen organisiert. Darüber hinaus ist die Überstellung von zwei weiteren Fahrzeugen (noch in derselben Woche) geplant gewesen.
In Ansehung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass er in seiner Niederschrift am 2. März 1999 zugestand, keiner "offiziellen" Beschäftigung nachzugehen und in der Schweiz keine soziale Unterstützung zu bekommen, sondern lediglich am Wochenende als Buschauffeur von Basel nach Belgrad zu fahren. Er habe Schulden in Höhe von 30.000,-- Schweizer Franken. In dieses Bild passt, dass sich der Beschwerdeführer nach seinen Angaben in der Stellungnahme gegenüber der Erstbehörde am 17. Juni 1999 mit den Überstellungsfahrten "ein entsprechendes Zubrot verdienen wollte". Unter diesen Umständen kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Annahme für gerechtfertigt hielt, dass durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers (gemeint: durch die Möglichkeit seiner Durchreise durch Österreich) die öffentliche Sicherheit gefährdet wäre, aber auch dass dies dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen zuwiderläuft.
Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist dessen Erlassung gemäß § 37 Abs. 1 FrG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 37 Abs. 2 FrG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen.
Gegen die im Grunde des § 37 FrG vorgenommene Beurteilung durch die belangte Behörde wenden sich die weiteren Beschwerdeausführungen. Durch das Aufenthaltsverbot werde in die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in so gravierender Form eingegriffen, dass es denkbar sei, es werde hierdurch seine gesamte Existenz gefährdet. Er sei in der Schweiz als Fernfahrer "bereits seit Jahren" tätig, was naturgemäß den Grenzübertritt durch sämtliche Länder der Europäischen Union "beinhalte". Auf Grund des verhängten Aufenthaltsverbotes sei es ihm nicht nur unmöglich, "im Wege des Güterverkehrs" Österreich zu durchfahren, sondern er habe auch in den anderen Staaten des Schengener Abkommens mit Folgen zu rechnen, "da das über mich verhängte Aufenthaltsverbot auch in diesen Ländern gilt". Das bedeute, dass ihn sein Arbeitgeber nicht mehr einsetzen könne, was zwingend den Verlust seines Arbeitsplatzes zur Folge habe. In Anbetracht der Arbeitsmarktsituation in der Schweiz sei es wohl nicht anzunehmen, dass ein "Dienstnehmer" (wohl gemeint: Arbeitgeber) auf derart private Umstände, wie das Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes, in irgendeiner Form Rücksicht nehme. Es könne daher nur als "zynisch" betrachtet werden, wenn die belangte Behörde meint, es sei ihm möglich, mit seinem Arbeitgeber andere Fahrtrouten festzulegen oder die Arbeitsstelle zu wechseln. Es wäre auch rein technisch gar nicht möglich, eine andere Fahrtroute zu wählen, wenn er beispielsweise Waren aus der Schweiz in einen östlich Österreichs gelegenen Staat zu transportieren habe, was zwangsläufig durch einen Staat des Schengener Abkommens erfolgen müsse. Der Wechsel des Arbeitsplatzes sei zweifellos eine theoretische Möglichkeit. Er verfüge jedoch als Fernfahrer über eine jahrelange Praxis, die er in keinem anderen Beruf aufzuweisen habe, sodass ihm "günstigenfalls" nur Hilfsarbeitertätigkeiten zur Verfügung stünden, was eine erheblichen Einkommensminderung und somit bereits aus diesem Grund eine Existenzgefährdung seiner Familie bedeuten würde.
Auch diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, er sei als Fernfahrer "seit Jahren" tätig und er habe keine andere Berufserfahrung, handelt es sich um unzulässige Neuerungen (§ 41 Abs. 1 VwGG). Der Beschwerdeführer hat in seiner Vernehmung am 2. März 1999 - wie erwähnt - angegeben, er gehe derzeit keiner "offiziellen" Beschäftigung nach, bekomme keine soziale Unterstützung in der Schweiz und arbeite nur am Wochenende als Buschauffeur. Erstmals in der Stellungnahme vom 17. Juni 1999 wurde behauptet, dass ihm "in Zukunft als Fernfahrer" die Durchreise durch Österreich verwehrt wäre, was "de facto" einem Verbot der Ausübung seines erlernten Berufes gleich komme. Eine konkrete Behauptung, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als Fernfahrer beschäftigt ist, geschweige denn ein Nachweis dafür liegt nicht vor. Auch in der Berufung vom 14. Juli 1999 finden sich keine konkreten Angaben oder Nachweise zu einem bestimmten Arbeitgeber, sondern es wird lediglich allgemein behauptet, durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wäre sein Arbeitsplatz gefährdet, weil er "des öfteren" Österreich im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit als Fernfahrer "sozusagen im Transit" durchqueren müsse. Dem widerspricht allerdings die Behauptung im Schreiben vom 10. November 1999, wonach er das österreichische Bundesgebiet gar nicht mehr betreten möchte. Entgegen der Meinung in der Beschwerde kann unter diesen Umständen - selbst wenn man (wie offenbar die belangte Behörde) von einer Beschäftigung als Fernfahrer im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgeht - nicht von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten, die gesamte Existenz des Beschwerdeführers gefährdenden Eingriff in seine berufliche Tätigkeit gesprochen werden. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die - bereits oben näher erörterte - Art des begangenen Deliktes und der daraus zu treffenden negativen Prognose kein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere an der Verhinderung strafbarer Handlungen infolge einer dem Beschwerdeführer möglichen Durchreise durch Österreich, angenommen hat. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die sich für ihn aus dem Aufenthaltsverbot ergebenden Konsequenzen, einschließlich allfälliger Schwierigkeiten bei der Bewilligung der Durchreise durch andere Staaten, im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. das auch eine "KFZ-Hehlerei" betreffende hg. Erkenntnis vom 26. November 1999, Zl. 98/21/0304; siehe zu einem ähnlichen Sachverhalt auch das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0148). Der Beschwerde ist es somit nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in Ansehung der Voraussetzungen des verhängten Aufenthaltsverbotes aufzuzeigen.
Aber auch dessen festgesetzte Dauer von zehn Jahren ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, wenn man die oben erörterten Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und den Umstand berücksichtigt, dass ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG auch unbefristet erlassen werden kann (§ 39 Abs. 1 FrG). Auch die Beschwerde vermag nicht konkret darzutun, dass zu einem früheren Zeitpunkt mit einem Wegfall der angenommenen Gefährdung zu rechnen sei. Der bloße Hinweis auf die gesetzliche Tilgungsfrist ist dazu nicht geeignet.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. II 501/2001.
Wien, am 24. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000210006.X00Im RIS seit
17.04.2002