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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des G in Graz, geboren am 11. Juni 1957, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hans-Sachs-Gasse 14/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29. Oktober 2001, Zl. Fr 536/2001, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des mit Bescheid vom 15. November 1991 unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.
Die belangte Behörde ging dabei von folgendem, in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Sachverhalt aus: Der Beschwerdeführer wurde am 19. April 1990 nach den §§ 15, 127 StGB und am 20. April 1990 nach den §§ 15, 127 und 12 StGB rechtskräftig verurteilt. Eine weitere rechtskräftige Verurteilung erfolgte am 25. September 1990 wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch, des Vergehens der Urkundenunterdrückung, des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Auf Grund dieser Verurteilungen erließ die Bundespolizeidirektion Graz mit Bescheid vom 15. November 1991 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot; weiters wurde das Asylrecht gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 aberkannt.
Am 7. März 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen Einbruchsdiebstahls, Hehlerei und Übertretung nach dem Waffengesetz zu einer weiteren Freiheitsstrafe in Ausmaß von viereinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt. Weitere Verurteilungen erfolgten am 15. November 1996 nach § 83 Abs. 1 StGB und vor allem am 12. Februar 1998 zu einer Freiheitsstrafe von 25 Monaten u.a. wegen Unzucht mit Unmündigen, geschlechtlicher Nötigung, Schändung und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses gegenüber seinen "Stiefkindern". Der Beschwerdeführer ist seit 1995 ununterbrochen in gerichtlicher Verwahrung und verbüßt derzeit die gegen ihn verhängten Haftstrafen.
Die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes begründete die belangte Behörde im Wesentlichen unter Hinweis auf die vom Beschwerdeführer auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes verübten Straftaten und darauf, dass sich trotz der in der Strafhaft abgeschlossenen Berufsausbildung und des beabsichtigten Kontakts zur Lebensgefährtin und deren beiden Kindern die private und familiäre Interessenlage seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht in rechtserheblicher Weise zu seinen Gunsten geändert hätte. Selbst die Verhängung mehrerer Freiheitsstrafen und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes hätten den Beschwerdeführer nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Da der Beschwerdeführer den seit der Begehung neuerlicher Straftaten verstrichenen Zeitraum von ca. sechs Jahren und vier Monaten nahezu zur Gänze in Strafhaft verbracht habe, könnten die von ihm behauptete innere Einstellungsänderung und die Sicherung eines zukünftigen redlichen Fortkommens in Österreich den Wegfall der Gefährdung noch nicht rechtfertigen, zumal es sich bei seinen Stiefkindern um die Opfer seines Verbrechens gegen die Sittlichkeit handle. Seine weiteren Verwandten wie Nichten, Neffen und Cousine gehörten nicht zum engsten Kreis der Verwandtschaft und lebten nicht im gemeinsamen Haushalt, weshalb sie vom Schutzbereich des § 37 Abs. 1 FrG nicht umfasst seien. Da sich der Beschwerdeführer seit 1995 ununterbrochen in gerichtlicher Strafhaft befinde, könne nicht von einem tatsächlichen Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK gesprochen werden. Die im Grund des § 36 Abs. 1 FrG für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen seien nicht nur gleich groß geblieben, sondern hätten noch an Gewicht gewonnen, sodass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund treten müssten. Mögliche Gründe für eine Verfolgung in Rumänien seien für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes unbeachtlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 114 Abs. 3 FrG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht hätten erlassen werden können. Demnach kommt es also darauf an, ob der von der Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme gerechtfertigt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 2000/18/0213). Angesichts der beiden Verurteilungen wegen Straftaten gegen fremdes Vermögen und der weiteren Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch, des Vergehens der Urkundenunterdrückung, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten wäre im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt gewesen und es wäre auch wegen der Verurteilung nach einer der in § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 FrG genannten strafbaren Handlungen zu einer dort angeführten unbedingten Freiheitsstrafe das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch unter dem Blickwinkel des der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens eindeutig gewesen (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis Zl. 2000/18/0213 unter Hinweis auf den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Schließlich zeigt die Beschwerde keinen Umstand auf, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unter Berücksichtigung allfälliger damals gegebener privater oder familiärer Interessen nach § 37 FrG unzulässig gewesen wäre.
Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG zulässig ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 2000/18/0213).
In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zwar vorzuwerfen, dass sie die vom Beschwerdeführer verübten strafbaren Handlungen sachverhaltsmäßig nicht konkretisiert hat; unter Berücksichtigung der Art dieser strafbaren Handlungen und der deswegen verhängten Strafen bestehen jedoch keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin gerechtfertigt.
Im Blick auf die von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommene Interessenabwägung bringt die Beschwerde vor, dass es sich bei einem der beiden Kinder seiner Lebensgefährtin um eine leibliche Tochter des Beschwerdeführers handle. Angesichts einer "Verwurzelung im Familienverband mit seiner Lebensgefährtin und seiner leiblichen Tochter sowie der Stieftochter" und der beruflichen Ausbildung bestünde eine soziale Integration. Mit diesen Ausführungen vermag die Beschwerde in keiner Weise Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu erwecken. Da der Beschwerdeführer nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes in massiver Weise straffällig geworden ist, sich die Straftaten auch gegen seine Stieftöchter (nach Ansicht der Beschwerde: gegen seine Tochter und seine Stieftochter) richteten und der Beschwerdeführer seit 1995 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in Strafhaft war - die in Haft verbrachte Zeit ist für die Frage eines allfälligen Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 2000/18/0213) -, kann von einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Beschwerdeführers in keiner Weise gesprochen werden. Unter den genannten Umständen ist das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes derart gewichtig, dass das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers zurückzutreten hat.
Soweit die Beschwerde der belangten Behörde Ermittlungsfehler vorwirft, legt sie nicht dar, zu welchen Feststellungen die belangte Behörde hätte gelangen können, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis geführt hätten.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2002
Schlagworte
Ermessen Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001210189.X00Im RIS seit
23.04.2002