Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Z in B, geboren am 5. Jänner 1969, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 21. Juli 1999, Zl. Fr-4250a-58/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 sowie § 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei (nach früheren inländischen Aufenthalten) Mitte Jänner 1997 von Slowenien nach Österreich eingereist und habe sich bis zur Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen am 19. März 1997 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Auf Grund der Eheschließung seien ihm eine Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und ein Sichtvermerk erteilt worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe vor der Bezirkshauptmannschaft Bludenz am 22. Oktober 1998 zu Protokoll gegeben: Der Beschwerdeführer hätte ihr vor der Ehe einen Betrag von S 60.000,-- in Aussicht gestellt, wenn sie ihn heirate. Zahlungen wären auch geleistet worden. Sie hätte sich damals in einer finanziellen Notsituation befunden und wäre psychisch angeschlagen gewesen. Ihr Freund hätte ihr gedankt, dass sie den Beschwerdeführer durch die Heirat vor einer Abschiebung oder Ausweisung bewahrt hätte. Sie wäre jetzt froh und erleichtert und bitte, wegen der eingegangenen Scheinehe nicht bestraft zu werden. Sie wünschte eine sofortige Scheidung, damit sie von dem Ganzen loskomme. Sie hoffte nur, dass sie von Seiten der Leute, die diese Scheinehe angebahnt hätten, keine Repressalien zu erwarten hätte.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - habe bestätigt, dass er Geld gezahlt hätte, damit die österreichische Staatsbürgerin ihn heirate. Es stehe somit für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen lediglich deshalb eingegangen sei, um eine Aufenthaltsberechtigung sowie eine Arbeitserlaubnis für Österreich zu erlangen. Ein gemeinsames Familienleben sei zwischen den Ehegatten nie geführt worden und es sei Geld für die Zustimmung zur Eheschließung gezahlt worden. Auf die beantragte neuerliche Vernehmung der "Ehegatten" könne verzichtet werden. Der widersprüchlichen Aussage der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers könne kein Glauben geschenkt werden; sie habe u. a. angegeben, dass sie erst später von der Hochzeit erfahren habe und habe erst über Vorhalt der gegenteiligen Aussagen zugegeben, dass sie bei dieser Hochzeit Trauzeugin gewesen sei.
Das Eingehen einer Ehe gegen Leistung eines Vermögensvorteils unter den angeführten Umständen erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG und stelle ein Verhalten dar, welches die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Wegen des schweren Rechtsmissbrauchs werde von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht. Da sich der Beschwerdeführer eine Ausnahme vom Ausländerbeschäftigungsgesetz erschlichen habe, könne seine nunmehrige Beschäftigung nicht zu seinen Gunsten geltend gemacht werden. Mit seiner Ehefrau bestünde keine eheliche Beziehung. Im Bundesgebiet lebe seine Freundin, mit der er ein gemeinsames Kind habe. Nach eigenen Angaben habe er diese Beziehung nach Eingehung der Ehe beendet. Mangels familiärer Bindungen im Bundesgebiet sei nicht von einem wesentlichen Eingriff in sein Familienleben auszugehen. Der (erstmals) im Februar 1991 nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer habe vom Februar 1992 bis Juli 1992 und vom Februar 1993 bis Juni 1994 über Sichtvermerke verfügt, sich anschließend über ein Jahr unrechtmäßig in Österreich aufgehalten und dann mehrere Monate in Jugoslawien verbracht. Nach einem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich vom Jänner 1997 bis Ende Mai 1997 (an anderer Stelle der Bescheidbegründung: bis zur Eheschließung am 19. März 1997) sei ihm am 25. August 1997 auf Grund der Heirat ein Sichtvermerk ausgestellt worden. Zu seinen Gunsten könne nur die während eines legalen Aufenthalts gewonnene Integration gewertet werden. Da der einzige rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers schon ca. sieben Jahre zurückliege, könne dieser nicht dazu führen, dass nunmehr durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich in sein Privatleben eingegriffen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde bekämpft vorerst die behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine "Scheinehe" eingegangen sei. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsangehörige aus Liebe geheiratet und diese habe plötzlich kein Interesse mehr an der Ehe gehabt. Das Scheidungsverfahren sei nicht abgeschlossen. Die belangte Behörde hätte jedenfalls den Ausgang des Scheidungsverfahrens abwarten müssen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe im Scheidungsverfahren sogar Unterhalt verlangt. Auf all diese Argumente sei die belangte Behörde überhaupt nicht eingegangen und sie habe auch die beantragte Vernehmung des Ehepaares unterlassen.
Entgegen der Beschwerdeansicht vermag der Gerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen. Bei dieser Beweiswürdigung durfte sich die belangte Behörde auf die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers stützen, die das Eingehen einer "Scheinehe" und den Erhalt einer Gegenleistung zugegeben hat. Sie durfte auch die Widersprüche in der Aussage der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers berücksichtigen. Es kann weiters in der Abstandnahme von einer neuerlichen Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau kein Verfahrensmangel gesehen werden, weil im Verwaltungsverfahren grundsätzlich - eine gegenteilige Bestimmung wurde für das fremdenrechtliche Verfahren nicht getroffen - eine unmittelbare Beweisaufnahme nicht gefordert wird (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz. 330). Im Recht auf Parteiengehör wurde der Beschwerdeführer nicht verletzt.
Da im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen (noch) aufrecht war, ist das Aufenthaltsverbot nur aus dem in § 48 Abs. 1 erster Satz FrG genannten Grund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig. Bei dieser Beurteilung sind die von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Bestimmungen insoweit von Bedeutung, als gegen einen EWR-Bürger oder - wie im Fall des Beschwerdeführers - gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. Der Beschwerdeführer wurde daher in subjektiven Rechten nicht dadurch verletzt, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot nicht formell (auch) auf § 48 Abs. 1 erster Satz FrG gestützt, sondern (nur) mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. und des (als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden) § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. begründet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0335). Durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers wurde der hier wie erwähnt als Orientierungsmaßstab heranzuziehende Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG erfüllt und erweist sich das Aufenthaltsverbot auch als nach § 48 Abs. 1 erster Satz FrG zulässig.
Die Beschwerde verweist an sich zutreffend auf die hg. Rechtsprechung, wonach die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung, nach einem Zeitraum des Wohlverhaltens in Österreich nicht mehr gerechtfertigt sei. Dieser mit etwa fünf Jahren zu bemessende Zeitraum (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 98/21/0335) liegt hier aber nicht vor.
Letztlich verweist die Beschwerde auf den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, der in Lebensgemeinschaft lebe, ein achtjähriges Kind habe und seit Herbst 1997 einer geregelten Arbeit nachgehe.
Wenn auch der Ansicht der belangten Behörde nicht gefolgt werden kann, dass mit dem Aufenthaltsverbot kein wesentlicher Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, so steht dem Aufenthaltsverbot die Schutzbestimmung des § 37 FrG doch nicht entgegen. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid war der von Auslandsaufenthalten unterbrochene inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers teilweise unrechtmäßig. Der im August 1997 ausgestellte Sichtvermerk beruht auf der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung. Diesen persönlichen Umständen steht das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber, das der Beschwerdeführer sowohl durch die Eingehung einer Ehe nur zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als auch durch den wiederholten unrechtmäßigen Aufenthalt erheblich beeinträchtigt hat. Das Aufenthaltsverbot erweist sich somit auch als nach § 37 FrG zulässig.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Jänner 2002
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999210238.X00Im RIS seit
17.04.2002