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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des LF in Wien, vertreten durch Hule & Heinke, Rechtsanwälte KEG in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. Mai 2001, Zl. UVS-03/P/52/137/1999-15, betreffend Übertretungen des Führerscheingesetzes, der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 27,33 und dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 13,67 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. November 1998 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 15. März 1998 1.) um 5.15 Uhr in Wien ... einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung sei, da ihm diese bescheidmäßig unter der Zl. E-495/98 entzogen worden sei, 2.) um 6.00 Uhr in Wien ... die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl hätte vermutet werden können, dass er am 15. März 1998 um 5.15 Uhr in Wien ... einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, 3.) um 6.00 Uhr in Wien ... als Lenker des genannten Pkw's einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Zulassungsschein auf Verlangen nicht ausgehändigt.
Er habe dadurch 1.) § 1 Abs. 3 Führerscheingesetz (FSG),
2.) § 5 Abs. 2 StVO, 3.) § 102 Abs. 5 lit. b KFG verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer folgende Strafen verhängt:
1.) S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Wochen) zuzüglich sechs Wochen Primärarrest gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 FSG
2.) S 25.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Wochen) gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO
3.) S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) gemäß § 134 KFG.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde am 13. Juli 1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser schränkte der Vertreter des Beschwerdeführers die Berufung zu allen Punkten auf die Bekämpfung der Strafhöhe ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2001, der zu den Punkten 1 und 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Kammerbesetzung, zu Punkt 3 durch ein Einzelmitglied erging, wurde der auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkten Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, dass die Strafsanktionsnorm zu Punkt 1 "mit § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FSG zu zitieren" sei.
Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, zu Punkt 1 seien sechs einschlägige Vormerkungen, zu Punkt 2 eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vormerkung wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 5 Abs. 1 StVO (die rechtskräftigen Strafbescheide wurden jeweils dem Datum nach angeführt) heranzuziehen. Somit handle es sich beim Beschwerdeführer offensichtlich um einen unbelehrbaren Lenker von Kraftfahrzeugen ohne Lenkberechtigung, der einerseits ein Fahrzeug in einem Fall auch in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe und andererseits durch die genannten Verwaltungsstrafen nicht von der Begehung der hier gegenständlichen Verwaltungsübertretungen habe abgehalten werden können. Die vorliegenden Taten schädigten in erheblichem Maße das Interesse am Ausschluss nicht lenkberechtigter Personen von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Kraftfahrzeuglenker (Punkt 1), an der raschen Aufklärung von Alkoholdelikten (Punkt 2) und an der sofortigen Überprüfbarkeit der Zulassungsdaten (Punkt 3), weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Taten an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, als beträchtlich zu werten sei. Das Verschulden zu den Punkten 1 und 2 sei ebenfalls als erheblich anzusehen. Der Beschwerdeführer habe auf Grund der persönlichen Übernahme den Inhalt des Feststellungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Jänner 1997 gekannt, wonach er seinen - im Übrigen gefälschten - ungarischen Führerschein in Österreich nicht verwenden dürfe, andererseits ergebe sich aus der Anzeige, dass er den Alkomattest vorsätzlich verweigert habe. In beiden Fällen habe er deutlich eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung dokumentiert. Zu Punkt 3 liege ihm zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last.
Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren von besonderen Milderungsgründen im Sinne des § 34 StGB "weit entfernt" gewesen sei. Die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse seien für sich alleine nicht geeignet, eine Herabsetzung der Geldstrafen herbeizuführen. In Ansehung des § 11 VStG müsse auf Grund des bisher uneinsichtigen Verhaltens des Beschwerdeführers aus spezialpräventiver Sicht davon ausgegangen werden, dass es des Vollzuges einer Primärarreststrafe neben der gesetzlich vorgesehenen geldmäßigen Höchststrafe "unbedingt" bedürfe, um den gewünschten Besserungserfolg herbeizuführen. Deswegen sei kumulativ neben der höchsten Geldstrafe eine Arreststrafe zu verhängen gewesen, weil diese Maßnahme das einzig taugliche Mittel darstelle, den Beschwerdeführer von einer neuerlichen Wiederholung der Tat abzuschrecken.
Unter Berücksichtigung dessen, dass bereits ab der dritten Tatbegehung eine Primärarreststrafe von bis zu sechs Wochen verhängt werden könne und bei der letzten rechtskräftigen Bestrafung wegen Fahrens ohne gültige Lenkberechtigung (Straferkenntnis vom 2. Juli 1997) ein Primärarrest von zwei Wochen verhängt worden sei, der den Beschwerdeführer ebenfalls nicht von einer weiteren Tatbegehung habe abhalten können, sei die von der Erstbehörde nunmehr im Höchstausmaß festgesetzte Freiheitsstrafe geboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, "verwaltungsstrafrechtlich vorbestraft zu sein". Er argumentiert unter Hinweis auf den Wortlaut des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FSG aber damit, das Beweisverfahren habe nicht ergeben, dass er eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung auf Grund eines Verstoßes gegen das Führerscheingesetz, den auf Grund des genannten Gesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen aufweise. Deshalb sei die Subsumtion unter den Tatbestand des § 37 Abs. 2 FSG rechtswidrig.
Die belangte Behörde habe sich nicht mit der Bestimmung des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG auseinandergesetzt, wonach eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen nur verhängt werden dürfe, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten sei.
Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe unterlassen, in ausreichend konkreter Weise darzulegen, welche Umstände sie als Grund für das Vorliegen der einzelnen, dem Beschwerdeführer zur Last gelegten, Verwaltungsübertretungen ansehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Sollten sich Ausführungen des Beschwerdeführers auch gegen den Schuldspruch richten, so ist er daran zu erinnern, dass sich die belangte Behörde auf Grund der Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1999 nur mehr mit der Höhe der verhängten Strafe zu befassen hatte, da der erstinstanzliche Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 2/1998, lauten:
"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für das Lenken von Kraftfahrzeugen und das Ziehen von Anhängern entsprechend den Begriffsbestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr.
...
(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt ...
...
§ 37. (1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 500 S bis zu 30 000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.
(2) Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.
(3) Eine Mindeststrafe von 5 000 S ist zu verhängen für das Lenken
1.
eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 3,
2.
eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Führerschein gemäß § 39 wegen Beeinträchtigung durch Alkohol oder Suchtmittel vorläufig abgenommen wurde oder
3. eines Kraftfahrzeuges der Klasse D entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 3, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt.
(4) Eine Mindeststrafe von 10 000 S ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl
1.
die Lenkberechtigung entzogen wurde oder
2.
gemäß § 30 Abs. 1 ein Lenkverbot ausgesprochen wurde.
..."
Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 FSG entspricht inhaltlich in dem für den gegenständlichen Fall wesentlichen Inhalt der gemäß § 43 Abs. 3 mit Ablauf des 31. Oktober 1997 außer Kraft getretenen Bestimmung des § 64 Abs. 1 KFG.
Dass § 37 Abs. 1 FSG nur Zuwiderhandeln gegen das FSG, die auf Grund des FSG erlassenen Verordnungen, Bescheide oder sonstige Anordnungen unter Strafe stellt, ist nicht nur auf Grund seines Wortlautes, sondern auch der für den gegenständlichen Fall wesentlichen Übergangsbestimmung des § 41 Abs. 1 FSG klar. Denn danach sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FSG anhängigen Verfahren auf Grund ua. des § 64 KFG nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen, jedenfalls nach dem Inkrafttreten gesetzte Übertretungen sind daher nach der neuen Rechtslage zu bestrafen. Hingegen verwendet § 37 Abs. 2 FSG bewusst eine andere Wortwahl als § 37 Abs. 1 FSG. Unter der "gleichen" Zuwiderhandlung ist demnach nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - nur eine unter § 37 Abs. 1 FSG fallende, nach dem Inkrafttreten des FSG begangene Verwaltungsübertretung zu verstehen, sondern - darüber hinaus - jede vor Inkrafttreten des FSG begangene Zuwiderhandlung gegen eine inhaltlich "gleiche" Vorgängerbestimmung (so des KFG's). Von diesem Verständnis des § 37 Abs. 2 FSG ging der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. Jänner 2000, Zl. 99/02/0264, aus, ohne dies dort explicit auszuführen.
Wie im angefochtenen Bescheid enthalten und durch die Verwaltungsakten bestätigt, wurde der Beschwerdeführer im Hinblick zu Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Zeitraum 1994 bis 1997 mehrfach wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft, wobei diese Vormerkungen (das älteste Straferkenntnis datiert vom 28. Juli 1994, der angefochtene Bescheid wurde am 13. Juli 1999 mündlich verkündet) gemäß § 55 Abs. 1 VStG nicht getilgt sind. Daher liegt ein Fall nach § 37 Abs. 2 zweiter und dritter Satz FSG vor, was die Behörden des Verwaltungsstrafverfahren richtig erkannt haben. Auch die Korrektur der Strafnorm durch die belangte Behörde von § 37 Abs. 4 auf § 37 Abs. 2 FSG erweist sich demnach als rechtmäßig.
Dass aus den von der belangten Behörde dargelegten spezialpräventiven Gründen auch die Verhängung einer primären Freiheitsstrafe erforderlich war, ist schon aus dem diesbezüglich wiederholt uneinsichtigen Verhalten des Beschwerdeführers zu ersehen. Aufgrund des Umstandes, dass die letzte von der belangten Behörde als erschwerend herangezogene einschlägige Bestrafung mit Straferkenntnis vom 2. Juli 1997 im Ausmaß der Verhängung einer Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Wochen) zuzüglich einer primären Freiheitsstrafe von zwei Wochen nicht ausreichte, den Beschwerdeführer von der Begehung der gegenständlichen Übertretung abzuhalten, und angesichts des von der belangten Behörde hervorgehobenen raschen Rückfalls ist es auch im Hinblick auf § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass im gegenständlichen Fall zusätzlich zur höchsten Geldstrafe auch eine primäre Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen verhängt wurde.
Gegen die Strafbemessung zu den Punkten 2 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthält die Beschwerde kein Vorbringen, das eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in diesen Punkten aufzeigen könnte.
Sollten sich die Ausführungen des Beschwerdeführers zur vermissten Zuordnung, welche "Umstände" die belangte Behörde "als Grund für das Vorliegen der einzelnen ...
Verwaltungsübertretungen" ansehe, auf die Zuordnung der Strafbemessungsgründe zu den jeweiligen Übertretungen beziehen, so ist er lediglich auf die im angefochtenen Bescheid zu den einzelnen Strafbemessungsgründen vorgenommene eindeutige Zuordnung zum jeweiligen Punkt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufmerksam zu machen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 96/09/0120).
Wien, am 25. Jänner 2002
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001020138.X00Im RIS seit
23.04.2002