TE Vwgh Erkenntnis 2002/1/29 99/01/0371

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Veröffentlicht am 29.01.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des N I in Elsenau, geboren am 25. Juni 1978, vertreten durch Dr. Gerald Carli, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. März 1999, Zl. 205.160/0-XII/36/98, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe zugehöriger jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo, reiste am 5. Mai 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Bei seiner Vernehmung am 6. Mai 1998 gab er an, er stamme aus Dumnice Lluges und habe den Kosovo wegen der serbischen Polizei verlassen. Er sei vor seiner Flucht zwei Mal verprügelt worden. Polizisten seien gekommen und hätten nach Waffen gesucht. Sein Heimatdorf sei nur durch einen Hügel von Drenica getrennt, wo es zu kriegerischen Auseinandersetzung gekommen sei. Weiters sei er mit dem Bus in die Stadt Vustri unterwegs gewesen, als es dort Proteste gegeben habe. Polizisten hätten ihn zum Aussteigen gezwungen, seine Personalien aufgenommen und ihn geschlagen.

Mit Bescheid vom 28. August 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag unter anderem mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe in keinem Stadium des Verfahrens glaubhaft machen können, konkreter und individueller sowie aktueller Verfolgung aus Konventionsgründen, ausgehend von staatlichen Behörden oder Organen, deren Handlungsweise diesen Behörden zurechenbar seien, im gesamten Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien, ausgesetzt gewesen zu sein.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass ein staatliches Verfolgungsprogramm, das die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo zum Ziel habe, vorliege. Praktisch jeder Albaner sei - auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit - gefährdet, Opfer von Übergriffen und Misshandlungen der serbischen Polizei oder von militärischen Übergriffen zu werden. Bei einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien sei es wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werde oder eine Haftstrafe oder die Todesstrafe zu erwarten habe.

In einem Schreiben vom 17. Februar 1999 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, von welchen Tatsachen sie bei ihrer Berufungsentscheidung auszugehen beabsichtige. Von der ihm von der belangten Behörde eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Sie begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, auch unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer behaupteten persönlichen Bedrohungssituation im Kosovo sei der Asylantrag nicht berechtigt. Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet hätten, seien in der Regel nicht mehr beachtlich. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er eineinhalb Monate vor seiner Flucht im Zuge einer Waffensuche misshandelt und wegen der von den Behörden vermuteten Fahrt zu einer Protestdemonstration geschlagen worden sei, sei entgegenzuhalten, dass er sich danach noch sechs Wochen zu Hause aufgehalten habe und von den serbischen Behörden in keiner Weise behelligt worden sei. Eine individuell-konkret und aktuell gegen die Person des Asylwerbers gerichtete Verfolgung durch staatliche Organe des Heimatstaates habe nicht glaubhaft gemacht werden können und auch die in der Berufung behauptete Gruppenverfolgung der gesamten kosovo-albanischen Bevölkerung, die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Gesamtheit der im betreffenden Gebiet lebenden ethnischen Albaner zur Voraussetzung hätte, habe nicht festgestellt werden können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nach der Sachlage bei seiner Erlassung zu prüfen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei behaupteter Zerstörung des Heimatdorfes eines albanisch-stämmigen Asylwerbers aus dem Kosovo bereits im Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566, (auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) ausgesprochen, in einer solchen Situation könne asylrelevante Verfolgung aller Angehörigen der albanischen Volksgruppe im betreffenden Gebiet des Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt erkannt, er sehe es insbesondere auf Grund von Medienberichten als notorisch an, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen habe. Diese Auseinandersetzungen gingen auch mit vermehrten Übergriffen, insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung einher. Es ist gleichfalls allgemein bekannt, dass sich die Kampfhandlungen und die damit verbundenen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung nicht auf das gesamte Gebiet des Kosovo, sondern zunächst im Wesentlichen auf das Gebiet Zentralkosovo (Region Drenica bzw. "Drenica-Dreieck", wobei sich die Vorfälle von Srbica und Logovac bis Klina ausgedehnt haben) sowie westlich davon auf die Verwaltungsbezirke an der albanischen Grenze, vor allem Decani und Dakovica erstreckten, wobei eine gebietsmäßige Ausdehnung der Kampfhandlungen im September 1998 in Richtung Nordosten (Podujevo, Kosovska Mitrovica und Vucitrn sowie Richtung Suva Reka) erfolgte (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0332).

Der Beschwerdeführer stammt nach seinen als glaubwürdig erachteten Angaben aus einem Gebiet (Region Drenica), das von den genannten Vorfällen betroffen war. Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, asylrelevante Verfolgung hätte der Beschwerdeführer somit nur dann nicht zu befürchten gehabt, wenn eine derartige Verfolgung bei ihm auf Grund besonderer Umstände ausgeschlossen werden könnte (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1999, Zl. 98/01/0378). Solche Umstände sind aber in Bezug auf den Beschwerdeführer weder behauptet worden noch sonst hervorgekommen. Ergibt sich schon aus der Herkunft des Beschwerdeführers aus einer der bedrohten Regionen eine asylrelevante Verfolgung muss auf die Verschärfung der Lage im gesamten Kosovo ab Mitte März 1999 (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0329) und auf die behauptete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers nicht mehr eingegangen werden.

Der angefochtene Bescheid ist nach dem Gesagten mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. Jänner 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999010371.X00

Im RIS seit

11.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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