Index
41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger-Heis, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2000, Zl. 600.539/4- II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde St. Michael im Burgenland, 2. Elfriede Jandrisits in 7535 St. Michael im Burgenland, Lenzhäuser 152), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die am 27. Februar 1966 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit 14. November 1995 in St. Michael im Burgenland (Bezirk Güssing) mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetztes 1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; MeldeG), in Wien mit einem weiteren Wohnsitz gemeldet. Vom 4. Juni 1985 bis 14. November 1995 hatte sie in Wien ihren Hauptwohnsitz.
Die Zweitmitbeteiligte ist am Flughafen Wien-Schwechat (somit in der Gemeinde Schwechat) beschäftigt und tritt ihren Arbeitsweg überwiegend von ihrem weiteren (Wiener) Wohnsitz aus an. Sie bewohnt montags bis freitags an diesem weiteren Wohnsitz - ohne Mitbewohner - eine nach den Angaben der zweitmitbeteiligten Partei nur 25 m2 große Eigentumswohnung.
In St. Michael im Burgenland lebt die Zweitmitbeteiligte mit ihren Eltern in einem Eigenheim mit 120 m2 Nutzfläche und bewirtschaftet teils selbst, teils durch Verpachtung eine Landwirtschaft von rd. 9 ha.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass ihre "Hauptinteressen" in St. Michael lägen, aus beruflichen Gründen hätte sie einen "Zweitwohnsitz" in Wien.
Der beschwerdeführende Bürgermeister beantragt mit Eingabe vom 9. November 1999 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zur Entscheidung darüber, ob die Zweitmitbeteiligte, die in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat. Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass im Hinblick auf die qualifizierte (berufliche) Anwesenheit der Zweitmitbeteiligten in Wien (250 Tage) und "die selbständige Lebensführung der 33-jährigen, ledigen Frau ..... ihr Mittelpunkt der Lebensbeziehungen trotz gegenteiliger Angabe nicht am Wohnort ihrer Eltern (Anm.: St. Michael im Burgenland) sondern in Wien gelegen" sei.
Der erstmitbeteiligte Bürgermeister führte in einer Stellungnahme aus, dass die Zweitmitbeteiligte aus beruflichen Gründen ihre Unterkunft von Montag bis Freitag benütze. Am Wochenende komme sie nach St. Michael im Burgenland zu ihrer Familie zurück. Der erstmitbeteiligte Bürgermeister legte gleichzeitig eine mit der Zweitmitbeteiligten am 18. Dezember 1999 aufgenommene "Niederschrift zur Feststellung des ordentlichen Wohnsitzes" vor, aus welcher sich die bereits wiedergegebenen Eigentums- und Wirtschaftsverhältnisse der Zweitmitbeteiligten ergeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters ab. Das Ermittlungsverfahren habe gezeigt, dass es sich bei der Zweitmitbeteiligten "um eine so genannte 'Wochenpendlerin' handle, die in Wien-Schwechat ihren Arbeitsplatz hat, ihre Freizeit jedoch in St. Michael verbringt".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Der erstmitbeteiligte Bürgermeister erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung 34-jährige Zweitmitbeteiligte geht von ihrer Wiener Eigentumswohnung aus ihrer Beschäftigung nach. Sie macht gesellschaftliche, insbesondere familiäre und - durch ihre landwirtschaftliche Tätigkeit - wirtschaftliche Beziehungen zu St. Michael im Burgenland geltend, die in Wien nicht bestünden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930, ausgesprochen hat, stellt zwar grundsätzlich die mit der Anschaffung einer Eigentumswohnung erfolgte Kapitalbindung eine massive wirtschaftliche Beziehung dar, zumal wenn die Eigentumswohnung am Ort der Berufsausübung und nicht etwa am gemeldeten (vom Ort der Berufsausübung verschiedenen) Hauptwohnsitz erworben wurde.
Im vorliegenden Fall ist jedoch auch zu beachten, dass die Zweitmitbeteiligte durch Bewirtschaftung und Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen auch in St. Michael im Burgenland eine gewisse, in der Gesamtbetrachtung keineswegs unbeachtliche wirtschaftliche Beziehung hat. Diese vermag die durch die Anschaffung einer Wohnung erfolgte Kapitalbindung an den für die Berufsausübung entscheidenden Wohnort im vorliegenden Fall aufwiegen, zumal die genannte Kapitalbindung wegen der behaupteten Größe der Wiener Wohnung (25 m2) eher gering zu veranschlagen ist.
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, die Zweitmitbeteiligte habe an beiden gemeldeten Wohnsitzen Mittelpunkte ihrer Lebensbeziehungen, und es liege daher - entsprechend der von der Zweitmitbeteiligten vorgenommenen, im Entscheidungszeitpunkt aufrechten Meldung - ihr Hauptwohnsitz in St. Michael im Burgenland.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seinem Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930, dem Umstand, dass der Hauptwohnsitz am Heimatort bereits einmal abgemeldet und der Ort der Berufsausübung als neuer Hauptwohnsitz deklariert wurde, als Hinweis auf eine Reduktion der gesellschaftlichen Beziehungen zum Heimatort durchaus Bedeutung beigemessen, sodass ohne Hinzutreten neuer Lebensbeziehungen am Heimatort (neue Lebensgemeinschaft, Berufstätigkeit etc.) dort nicht wieder ein Mittelpunkt von Lebensbeziehungen entstehen kann und die Bezeichnung als Hauptwohnsitz nach § 1 Abs. 7 MeldeG unzulässig wäre.
Im vorliegenden Fall werden aber derartige Veränderungen (unwidersprochen) behauptet: Nach den Angaben in der Gegenschrift der erstmitbeteiligten Gemeinde hat die Zweitbeschwerdeführerin im Jahre der Hauptwohnsitzmeldung in St. Michael (1995) die Landwirtschaft ihrer Eltern in Pacht übernommen und sie muss ihre betagten Eltern verstärkt betreuen.
Die berufliche und wirtschaftliche Bindung in Wien einerseits sowie die wirtschaftliche, nebenberufliche und gesellschaftliche Bindung an St. Michael andererseits muss dazu führen, beiden Orten Mittelpunktcharakter zuzubilligen. Entscheidend ist daher, wie die belangten Behörde richtig erkannt hat, jener Ort, zu dem ein überwiegendes Naheverhältnis vom Bürger behauptet wird.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. Jänner 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001050940.X00Im RIS seit
11.04.2002