TE Vfgh Erkenntnis 1999/2/27 B2243/97

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Veröffentlicht am 27.02.1999
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Wortteiles "Beitrags" im Wort "Beitragsmonat" in §308 Abs3 litb ASVG idF BGBl 31/1973 mit E v 27.02.99, G227/98.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 1. November 1995 wurde die Beschwerdeführerin in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) aufgenommen. Mit Bescheid vom 16. April 1996 wurden ihr von seiten ihres Dienstgebers bestimmte Schul- und Studienzeiten als Ruhegenußvordienstzeiten angerechnet, nicht aber jene Schul- und Hochschulzeiten, für welche sie in den Jahren 1988 und 1989 Beiträge iSd §227 Abs2 ASVG entrichtet hatte.

In weiterer Folge setzte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (im folgenden: PVA) aufgrund eines entsprechenden Antrages der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 19. März 1997 für die angerechneten, von der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung erworbenen Versicherungsmonate (169 Beitragsmonate und 46 Ersatzmonate) den gemäß §308 Abs1 ASVG zu leistenden Überweisungsbetrag in Höhe von insgesamt S 185.824,80 fest. Mit Bescheid vom selben Tag wurde der der Beschwerdeführerin gemäß §308 Abs3 ASVG zu leistende Erstattungsbetrag für die bei der Bemessung des Ruhegenusses nicht berücksichtigten, zur freiwilligen Weiterversicherung geleisteten Beiträge in Höhe von S 4.233,60 festgesetzt.

Gegen den letztgenannten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch und begehrte, diesen dahingehend abzuändern, daß ihr auch die Beiträge für jene von ihr nachgekauften Schul- und Studienzeiten, welche für nicht überweisungsfähig an den Dienstgeber befunden worden seien, unter Anwendung des Aufwertungsfaktors gemäß §108c ASVG auf ihr Konto erstattet würden.

1.2. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22.7.1997 wurde der Einspruch abgewiesen. Dies wurde damit begründet, daß nach §308 Abs3 ASVG in der am 30.6.1996 geltenden Fassung dem Versicherten nur Beiträge für Beitragsmonate der Pflichtversicherung, der freiwilligen Versicherung und Höherversicherung sowie die nach §31 des ersten Sozialversicherungs-Neuregelungsgesetzes entrichteten Beiträge, nicht jedoch die Beiträge, welche für Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z1 ASVG entrichtet wurden, zu erstatten seien.

2. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher mit näherer Begründung die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte infolge der Anwendung verfassungswidriger Gesetze behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

2.1.Der Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher er die angefochtene Entscheidung verteidigt und darauf verweist, daß er nicht zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen befugt sei.

2.2. Die beteiligte PVA hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie auf die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der belangten Behörde verweist und behauptet, daß die angewendeten Rechtsvorschriften sachlich gerechtfertigt seien.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des Wortteiles "Beitrags" im Wort "Beitragsmonat" in §308 Abs3 litb des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 31/1973, von Amts wegen zu prüfen. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G227/98, hat der Verfassungsgerichtshof jene in Prüfung gezogene Vorschrift als verfassungswidrig aufgehoben. Sie ist gem. Art140 Abs7 B-VG im vorliegenden Beschwerdeverfahren als Anlaßfall nicht mehr anzuwenden.

4. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Nach der bereinigten Fassung des §308 Abs3 litb ASVG ist ein Erstattungsbetrag auch für andere Monate der freiwilligen Versicherung, insbesondere auch für jene der freiwilligen Nachentrichtung für Schul- und Studienzeiten im oben erwähnten Sinne zu leisten.

Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, daß die Anwendung des §308 Abs3 litb ASVG in der Fassung vor Aufhebung des Worttteils "Beitrags" für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

Die beschwerdeführende Partei wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B2243.1997

Dokumentnummer

JFT_10009773_97B02243_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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