Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des A P in G, vertreten durch Treuhand-Union Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 23. September 1999, Zl. RV/299/1-7/1999, betreffend Umsatzsteuer 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einer Beilage zur Umsatzsteuererklärung 1997 teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, dass sich unter den geltend gemachten Vorsteuern auch solche aus der Anschaffung und dem Betrieb des Kleinbusses "Honda Shuttle" befänden.
Bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 1997 wich das Finanzamt von der Erklärung des Beschwerdeführers ab. Unter Hinweis darauf, dass für die Anschaffung und den Betrieb des Fahrzeuges nach der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 ein Vorsteuerabzug nicht zustehe, kürzte es die geltend gemachten Vorsteuern um den Betrag von 48.231,74 S. Zugleich kürzte es die Umsätze um den als Eigenverbrauch angesetzten Betrag von 5.760 S, weil die teilweise private Nutzung eines unter § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 fallenden Fahrzeuges umsatzsteuerlich nicht zu erfassen sei.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, nach der am 1. Jänner 1995 geltenden Rechtslage sei das von ihm angeschaffte Fahrzeug als Kleinbus zu qualifizieren gewesen, und seien Kleinbusse nicht als Pkw oder Kombi im Sinn des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1972 bzw. UStG 1994 anzusehen gewesen, weshalb sie im vollen Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten. Erst durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. 273/1996 sei die Einschränkung des Vorsteuerabzuges für Kleinbusse bzw. Klein-Lkw angeordnet worden. Diese Einschränkung des Vorsteuerabzuges verstoße gegen Art. 17 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte aus, die Entscheidung des Finanzamtes finde in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. 273/1996 Deckung. Nach Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie seien die Mitgliedstaaten berechtigt, alle Vorsteuerausschlüsse beizubehalten, die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestanden hätten. In Österreich sei die sechste Mehrwertsteuerrichtlinie am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten. Die Verordnung stelle lediglich eine Präzisierung bzw. Klarstellung der Rechtslage unter Berücksichtigung früherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den bis zum EU-Beitritt Österreichs geltenden Bestimmungen dar, sodass von keiner Erweiterung (gemeint wohl: Einschränkung) des Kreises der vorsteuerabzugsberechtigten Fahrzeuge gesprochen werden könne. Bei dem vom Beschwerdeführer angeschafften Fahrzeug handle es sich um ein solches, das auch ohne Vorliegen der Verordnung als Personenkraftwagen bzw. Kombinationskraftwagen eingestuft würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen (ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zumindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen) berechtigen gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen.
Im Erlass Z 09 1202/4-IV/9/87 des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, wird darauf verwiesen, dass Kleinbusse nicht unter die für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen fielen, für Kleinbusse vielmehr die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bestehe. Sodann wird ausgeführt:
"Unter einem Kleinbus ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) aufweist. Bei der Beurteilung der Personenbeförderungskapazität ist nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze, sondern auf die maximal zulässige Personenbeförderungsmöglichkeit abzustellen. Es ist auch unmaßgebend, ob ein nach diesen Kriterien als Kleinbus anerkanntes Fahrzeug Zwecken des Personentransportes oder des Lastentransportes dient oder kombiniert eingesetzt wird. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist allerdings die nachweislich überwiegende unternehmerische bzw. betriebliche Nutzung des Fahrzeuges."
Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 in der Fassung Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. 273/1996 (im folgenden Verordnung). § 10 dieser Verordnung lautet:
"Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für eine Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.
2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."
Der EuGH hat mit Urteil vom 8. Jänner 2002, Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH und Michael Stadler, C-409/99, - auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes - ausgeführt:
Die Regelung eines Mitgliedstaates, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, im Folgenden Richtlinie (für Österreich ist die Richtlinie zum Zeitpunkt des Beitrittes zur EU am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten), die bestehenden Vorsteuerausschlusstatbestände erweitere und sich damit vom Ziel der Richtlinie entferne, verstoße gegen deren Art. 17 Abs. 2 und stelle keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar. Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie enthalte eine Stand-still-Klausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht vorsehe, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Geltung gestanden seien. Mit dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Tatbestände des Ausschlusses vom Vorsteuerabzugsrecht durch den Rat alle Regelungen des innerstaatlichen Rechts über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs beizubehalten, die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie tatsächlich angewandt hätten. "Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinne, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats" (Rz 49).
Der EuGH betont im genannten Urteil, es sei einem Mitgliedstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie verwehrt, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie für solche Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger, auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates gewährt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den gegenständlichen Fall, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Anschaffung und Betrieb des Fahrzeuges Honda Shuttle nicht deshalb versagt werden kann, weil dieses Fahrzeug nicht die im § 10 der Verordnung festgelegten Anforderungen erfüllt, wenn nur die im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Begründung eines Abgabenbescheides hat unter anderem den Sachverhalt darzustellen, den die Behörde als erwiesen annimmt, und eine Darstellung der rechtlichen Beurteilung zu enthalten, nach welcher die Behörde die Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände durch den angeführten Sachverhalt für gegeben erachtet (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).
In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht damit auseinander gesetzt, ob das vom Beschwerdeführer angeschaffte Fahrzeug den im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, AÖF 330/1987, festgelegten Voraussetzungen entspricht. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Darauf hingewiesen sei, dass der vom Beschwerdeführer angeschaffte Fahrzeugtyp in der Liste der Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse (Stand 30. September 1995), welche nach der Verwaltungspraxis nicht als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft wurden, aufscheint (siehe SWK 1995, A 660).
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 29. Jänner 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0409 Metropol Treuhand VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999140292.X00Im RIS seit
11.03.2002Zuletzt aktualisiert am
04.11.2011