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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer über das landesgesetzliche Bettelverbothinausgehenden ortspolizeilichen Verordnung der StadtgemeindeFürstenfeld betreffend ein Verbot passiven Bettelns mangelsVorliegens eines örtlichen Missstandes; Zulässigkeit desIndividualantragsSpruch
Die Verordnung vom 4. Oktober 2006 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Fürstenfeld gemäß §41 Steiermärkische Gemeindeordnung, mit der Maßnahmen gegen unerwünschte Formen des passiven Bettelns im Stadtgebiet von Fürstenfeld erlassen werden, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 16. bis 31. Oktober 2006, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Die Stadtgemeinde Fürstenfeld ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.340,-
bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG begehrt der Einschreiter, die Verordnung vom 4. Oktober 2006 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Fürstenfeld gemäß §41 Steiermärkische Gemeindeordnung, mit der Maßnahmen gegen unerwünschte Formen des passiven Bettelns im Stadtgebiet von Fürstenfeld erlassen werden (im Weiteren kurz: Bettelverordnung), zur Gänze wegen Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit aufzuheben.
2. Der Antragsteller bringt vor, Angehöriger der ungarisch sprechenden Minderheit in der Südost-Slowakei und ein Rom zu sein. Er lebt mit seiner Ehegattin und seinem minderjährigen Sohn in der Slowakei und ist, wie aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen hervorgeht, Staatsangehöriger der Slowakei. Nach Verlust seiner Beschäftigung entfaltete der Antragsteller nach eigenen Angaben Betteltätigkeit zunächst in Graz, später in Fürstenfeld. Mit dem erbettelten Geld versorge er ausschließlich sich und seine Familie. Seit Erlassung des Bettelverbots in Fürstenfeld habe er dort aus Angst vor Bestrafung nicht mehr gebettelt.
3.1. Zur Zulässigkeit des Antrags führt der Antragsteller aus, dass die Bettelverordnung in rechtswidriger Weise in seine Rechtssphäre eingreife. Dieser Eingriff sei zum einen in der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens, zum anderen in einer Verletzung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zu sehen.
Wörtlich heißt es dazu im Antrag:
"3.2. Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privatlebens (Art8 EMRK)
...
Im gegebenen Zusammenhang geht es um die Frage, ob passives, stilles Betteln vom Schutzbereich des Art8 EMRK umfasst ist. Die Frage ist zu bejahen.
BettlerInnen treten aus dem Kreis ihrer jeweiligen Privatsphäre hinaus in die Öffentlichkeit, wenn sie auf öffentlichen Strassen und Plätzen um Almosen bitten, dies in einer beim stillen Betteln üblichen Art und Weise, nämlich in einer spezifischen Haltung (durch Stehen, Sitzen, Knien), mit Behältnissen (dazu zählt auch die aufgehaltene Hand), mit einem Bild der Kinder bzw der Familie oder einem Text, der auf ihre persönliche Situation hinweist, und mit bittenden Augen oder einem still gesprochenen 'Bitte'. Sie zeigen in passiver Weise vorbeigehenden PassantenInnen, dass sie ein Bettler/eine Bettlerin sind und um ein Almosen bitten. Es ist - wie oben beschrieben - ihre Art und Weise, wie sie sich der Öffentlichkeit darstellen und wie sie wahrgenommen werden wollen. Betteln ist in vielen Fällen, jedenfalls im Fall des Antragstellers der einzige Weg, in dem man für sich und seine Familie das für die Bestreitung des Lebensunterhaltes Notwendige bekommt, was eine unabdingbare materielle Voraussetzung dafür ist, das eigene und das Familienleben frei zu gestalten.
Relevant ist in diesem Zusammenhang und insbesondere auch im Falle des Antragstellers, dass Angehörige von Minderheiten im Allgemeinen und der Minderheit der Roma im Besonderen in vielerlei Hinsicht und insbesondere auch im Zusammenhang mit Bemühungen, auf andere Art und Weise als durch Betteln den Unterhalt zu bestreiten, Diskriminierungen dergestalt erfahren, dass sie keine Arbeit finden. Es kommt wegen solcher Diskriminierungen nicht von ungefähr, dass manche Menschen zB bei den Roma das Betteln als (negativ bewerteten), 'frei gewählten' Lebensstil dieser Minderheit ansehen. Dabei kann angesichts anderer Alternativen für eine diskriminierte Minderheit gar nicht von freier Wahl der Bettelei als Form der Unterhaltsbestreitung gesprochen werden.
Die Lebenssituation des Antragstellers sich vor Augen haltend muss davon ausgegangen werden, dass dieser das im Recht der freien Gestaltung der Lebensführung inkludierte Recht darauf, sich den für sich und seine Familie notwendigen Lebensunterhalt und zwar durch Betteln zu beschaffen in Anspruch nimmt, dies deshalb, weil es ihm nicht möglich ist, den notwendigen Lebensunterhalt auf andere Weise zu erwerben.
Das in der angefochtenen Verordnung enthaltene Verbot des passiven (stillen) Bettelns, das einen sanktionierten Straftatbestand darstellt - da das Verbot keine Ausnahmen vorsieht, muss es als absolutes Bettelverbot angesehen werden - , greift in die gemäß Art8 EMRK dem Antragsteller gewährten Rechte ein und verhindert insbesondere, dass der Antragsteller für sich und seine Familie den Lebensunterhalt bzw jedenfalls einen Teil seines Lebensunterhaltes erwirbt, einen Lebensunterhalt, ohne den die Lebensführung nicht frei gestaltet werden kann.
Der EGMR hat judiziert, dass ein Eingriff in das Privatleben dann vorliegt, wenn der Staat die Möglichkeit, im privaten Sektor eine Beschäftigung aufzunehmen, weitreichenden Beschränkungen unterwirft (Urteil vom 27.7.2004 Sidrabas und Džiautas Nr. 55.480/00, Z47f). Im gegebenen Zusammenhang geht es zwar nicht um die Aufnahme einer Beschäftigung, aber jedenfalls um den Zweck, um dessen willen die Aufnahme einer Beschäftigung erfolgt, nämlich dadurch für seinen Unterhalt zu sorgen.
...
Festzuhalten ist, dass das gegenständliche Grundrecht ein Jedermannsrecht und kein Staatsbürgerrecht ist. Träger des Rechtes ist daher auch der Antragsteller.
Festzuhalten ist weiters, dass das (absolute) Bettelverbot in der angefochtenen Verordnung in die durch Art8 EMRK konstituierte Rechtssphäre des Antragstellers - wie dargestellt - eingreift. Es hat nicht bloß faktische Auswirkungen.
...
3.3. Verletzung des Rechts der Freiheit der Meinungsäußerung (Art13 Abs1 StGG, Art10 EMRK)
3.3.1. Rechtliche Erwägungen
...
Passives (stilles) Betteln, wie es oben beschrieben worden ist, kann jedenfalls als Äußerung einer Tatsache, nämlich bedürftig und damit auf ein Almosen angewiesen zu sein, gewertet werden. Da die Meinungsfreiheit für alle Ausdrucksmittel gilt, unterliegt ihr auch die meist körpersprachlich artikulierte Äußerung eines Bettlers/einer Bettlerin. Meinungsfreiheit schützt, wie bereits gesagt, auch die Kommunikation mit anderen. Daraus folgt, dass dem/der die Meinung Äußernden RezipientenInnen gegenüber stehen, wie das auch im Falle des passiven Bettelns gegeben ist.
...
Auch dem passiven Betteln liegt die Intention zugrunde, die PassantenInnen dazu zu bewegen, ein Almosen zu geben. Wenn schon Werbemaßnahmen, die auf die Anbahnung einer Angebots- und Nachfragebeziehung gerichtet sind, vom Recht der Meinungsfreiheit umfasst sind, dann auch - wenn nicht umso mehr - ein Verhalten, das nicht auf die Herstellung einer Marktbeziehung gerichtet ist, sondern auf ein helfendes, Solidarität zum Ausdruck bringendes Verhalten, dem von Seiten des 'Werbenden' keine materielle Leistung, sondern - wie im Falle des passiven Bettelns - eine immaterielle Leistung, nämlich Dankbarkeit für dieses Verhalten gegenüber steht."
Weiters liege ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers vor; ein anderer Weg, um die Prüfung der Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit der Bettelverordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei angesichts der sanktionsbewehrten Verbotsnorm nicht zumutbar.
3.2. In der Sache behauptet der Antragsteller zunächst, dass die bekämpfte Verordnung eine Verletzung des in Art8 EMRK verankerten Rechts auf Achtung des Privatlebens bewirkt. Er führt dazu wörtlich u. a. Folgendes aus:
"Abgesehen davon, dass die angefochtene Verordnung als nicht ausreichend zugänglich und nicht hinreichend bestimmt angesehen werden muss und schon von daher die Bedingung gesetzlicher Fundierung des Eingriffs nicht erfüllt ist, ist die angefochtene Verordnung unter vier Aspekten als eine verfassungs- bzw rechtswidrige Rechtsgrundlage anzusehen. Sie erfüllt daher die Bedingung der gesetzlichen Fundierung des Eingriffs nicht, weil der Begriff 'gesetzlich' in Art8 Abs2 EMRK im Sinne einer gesetz- bzw verfassungsmäßigen generellen Rechtsvorschrift zu verstehen ist.
Bei diesen Aspekten handelt es sich darum, dass im Falle des passiven (stillen) Bettelns die Voraussetzung des Art118 Abs6 B-VG, nämlich das Vorliegen eines das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstandes, nicht gegeben ist, die Verordnung gegen das Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz verstößt und die Regelung unsachlich ist.
3.2.2. Zur Frage, ob passives Betteln ein das Gemeinschaftsleben störender Missstand ist
Die Qualifizierung eines Sachverhaltes als ein das Gemeinschaftsleben störender Missstand ist ein Werturteil, dessen Fällung im gegebenen Zusammenhang dem Gemeinderat als Verordnungsgeber obliegt. Werturteile können je nach der Wertebasis des Urteilenden unterschiedlich ausfallen.
...
Betrachtet man die ... Aspekte des Sachverhalts passiven (stillen) Bettelns und den staatlich-gesellschaftlichen, auch rechtlich fundierten Wertungskontext, so muss die Bewertung des stillen Bettelns als einen die Gemeinschaft störenden Missstandes seitens des Fürstenfelder Gemeinderates wie folgt beurteilt werden:
Der Fürstenfelder Gemeinderat lässt bei seiner Bewertung des Bettelns als eines die Gemeinschaft störenden Missstandes die Sachlage und den Wertungskontext außer Betracht und überschreitet daher den ihm durch Art118 Abs6 B-VG eingeräumten Wertungsspielraum.
Hinzuzufügen ist, dass ein Sachverhalt, der zur Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung ermächtigt, nicht nur als Missstand bewertet werden, sondern auch das Gemeinschaftsleben stören muss. Es sind daher auch die das Gemeinschaftsleben störenden Aspekte des Sachverhalts des passiven, stillen Bettelns anzugeben.
Es mag sich zwar jemand, der an einem/einer unaufdringlich bittenden BettlerIn vorbeigeht, also durch die bloße Anwesenheit eines Bettlers/einer Bettlerin 'gestört' fühlen, weil er mit Armut und mit einer Bitte um ein Almosen konfrontiert wird. Auch kann es sein, dass das schlechte Gewissen, nichts zu geben bzw vielleicht auch deshalb, weil es einem selbst besser geht, ein 'seelisches' Unbehagen verursacht. Aus diesem Gefühl bzw diesem Unbehagen heraus kann stilles Betteln jedoch nicht als sozialschädliches Verhalten dargestellt werden.
Auch in der Lehre wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den durch Art118 Abs6 B-VG angesprochenen Missständen um Übelstände mit einer gewissen Schwere handeln müsse, die einen gesellschaftlichen Störfaktor darstellten (vgl Dujmovits, Freiheit der Kunst, ortspolizeiliche Verordnung, Bescheidbeschwerde, Verordnungsprüfung. Der Zetteldichter, in: Eberhard/Lachmayer (Hrsg), Casebook Verfassungsrecht, Wien 2004, 128). Schließlich ist bei der Frage, ob Gemeinschädlichkeit vorliegt, auch der oben dargestellte staatlich-gesellschaftlich und auch rechtlich zum Ausdruck gebrachte Wertungskontext zu beachten.
Anzumerken ist, dass der Fürstenfelder Gemeinderat jedenfalls keine ausreichenden nachprüfbaren Recherchen betreffend das passive (stille), nicht organisierte Betteln als das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand bzw betreffend den Gesichtspunkt, worin das Störende liege, angestellt hat.
Das zeigen Bericht und Antrag, die namens des Hauptausschusses erstattet wurden. Es wird 'von Hinweise(n) aus der Bevölkerung auf organisierte Bettelei', von 'Beobachtung der tatsächlichen Situation', von 'Beschwerden aus der Bevölkerung' und von 'Erkenntnisse(n) des örtlichen Polizeipostens' gesprochen. Verboten wird dann aber (jegliches) Betteln in nicht aufdringlicher Weise, nicht nur organisiertes Betteln, ohne schlüssig und nachvollziehbar darzutun, worin bei der Form des passiven, unorganisierten Bettelns das das örtliche Gemeinschaftsleben Störende liege.
...
Hinzuweisen ist darauf, dass ortspolizeiliche Verordnungen nur im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassen werden dürfen. Eine Straßengebrauchsregelung, wie sie die angefochtene Verordnung darstellt, für Landes- und Bundesstraßen fällt weder unter die Ziffer 4 des Art118 Abs3 BVG noch unter Art118 Abs2 B-VG. Die angefochtene Verordnung erfüllt daher auch die Bedingung des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde nicht.
...
3.2.4. Zur Frage des Verstoßes der angefochtenen Verordnung gegen das Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz
Hinsichtlich des Bettelns, das in nicht aufdringlicher Weise und ohne Einsatz unmündiger minderjähriger Personen erfolgt, sieht der Landesgesetzgeber offensichtlich keinen Regelungsbedarf. Das passive, das auch als 'stilles' Betteln bezeichnet wird, das nicht durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten von Personen oder durch Maßnahmen erfolgt, die den demonstrativ aufgezählten Formen aufdringlichen Bettelns entsprechen, ist somit, soferne bei diesem stillen Betteln nicht unmündige minderjährige Personen eingesetzt werden, landesgesetzlich straffrei und damit erlaubt.
Zu prüfen ist, ob der Landesgesetzgeber das Betteln abschließend regeln oder den Fall des Bettelns in nicht aufdringlicher Weise bewusst ungeregelt lassen wollte. Ersteres ist zu bejahen, letzteres zu verneinen.
Die Stadt Graz hatte 1996 eine Betteleiverordnung, deren §§1 und 2 mit §3 a Abs1 und 2 des Landes-Sicherheitsgesetzes identisch (es wird im Gesetz von einer unmündigen minderjährigen Person, in der Grazer Verordnung von einem unmündigen Minderjährigen gesprochen) sind, erlassen (Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 19 vom 19.12.1996). In der Folge hat der Steiermärkische Landesgesetzgeber ein Gesetz über die Mitwirkung der Bundespolizeidirektion Graz bei der Vollziehung der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz, mit der Maßnahmen gegen unerwünschte Formen der Bettelei erlassen werden, LGBl Nr. 97/1999, verabschiedet. Im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Gemeinden und Sicherheit des Steiermärkischen Landtages, Beilage Nr. 250 zu den stenographischen Berichten, Steiermärkischer Landtag, XIV. Gesetzgebungsperiode, 2005, Einl.Zahlen 1547/5 und 2058/2, wird im allgemeinen Teil der Erläuterungen vor dem Hintergrund der Grazer Betteleiverordnung folgendes ausgeführt: 'Es erscheint zweckmäßig, eine steiermarkweite Regelung herbeizuführen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und ein Ausweichen in Umlandgemeinden zu verhindern.' Zu §7 leg cit - er regelt das Außerkrafttreten von Rechtsvorschriften -, heißt es im genannten schriftlichen Bericht: 'Weiters tritt auch das Gesetz über die Mitwirkung der Bundespolizeidirektion Graz bei der Vollziehung der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz, mit der Maßnahmen von unerwünschten Formen der Bettelei erlassen werden, außer Kraft, da die Bettelei nunmehr landesgesetzlich geregelt ist.'
Aus der Außerkrafttretensbestimmung und aus den zitierten Erläuterungen ergibt sich, dass der Landesgesetzgeber durch §3 a des Landes-Sicherheitsgesetzes die Bettelei abschließend und landesweit (einheitlich) regeln wollte, damit ein 'Betteleitourismus' von einer Gemeinde mit restriktiveren zu einer Gemeinde mit weniger restriktiveren Regelungen verhindert wird.
Da keine anderen Formen des Bettelns als die in aufdringlicher Weise (verboten durch §3 a des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes) oder in nicht aufdringlicher Weise (verboten durch die angefochtene Verordnung) denkbar sind, muss das Bettelverbot in der angefochtenen Verordnung als absolutes Bettelverbot für Fürstenfeld angesehen werden. Dies führt zwangsläufig zu einem Ausweichen in andere Gemeinden, die kein absolutes Bettelverbot erlassen haben, was dem Zweck des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes zuwiderläuft.
Als Fazit des Gesagten ergibt sich Folgendes: Der Steiermärkische Landesgesetzgeber sieht nur im aufdringlichen Betteln - abgesehen vom Betteln mit Minderjährigen - eine unerwünschte Form der Bettelei, nicht aber im nicht aufdringlichen Betteln. Zweck der Betteleibestimmung des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes ist es, das Betteln abschließend und landesweit (einheitlich) zu regeln, um ein Ausweichen von BettlernInnen von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde zu verhindern. Wenn der Verordnungsgeber der Stadtgemeinde Fürstenfeld weitere Formen des Bettelns, nämlich das Betteln in nicht aufdringlicher Weise, verbietet, verstößt er somit gegen das Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz, das nicht aufdringliches Betteln (soferne bei diesem stillen Betteln nicht unmündige minderjährige Personen eingesetzt werden) nicht als sanktionierte Verwaltungsübertretung erklärt und somit erlaubt, dies in der Form einer abschließenden und landesweiten (einheitlichen) Regelung. Der Landesgesetzgeber lässt somit den Gemeinden keinen Spielraum für Regelungen betreffend die Bettelei, jedenfalls nicht solche, die andere Formen des Bettelns als die in aufdringlicher Weise verbieten. Der Verstoß gegen das Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz macht die angefochtene Verordnung gemäß Art118 Abs6 B-VG verfassungswidrig."
Auf Grundlage dessen kommt der Antragsteller zu dem Schluss, dass die Rechtfertigung für einen Eingriff iSd Art8 Abs2 EMRK nicht vorliege und die angefochtene Verordnung daher verfassungswidrig sei.
3.3. Unter Hinweis auf die zur Verletzung des Art8 EMRK vorgebrachten Argumente sieht der Antragsteller überdies eine Verletzung der in Art13 Abs1 StGG und Art10 EMRK gewährleisteten Meinungsäußerungsfreiheit.
4. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Fürstenfeld hat die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vorgelegt und eine schriftliche Äußerung erstattet, in der er beantragt, dem vorliegenden Antrag keine Folge zu geben. In seiner Äußerung tritt der Gemeinderat insbesondere dem Vorbringen des Antragstellers, wonach die Bettelverordnung gegen das Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz verstoße, mit dem Argument entgegen, dass unter der diesem Antragsvorbringen zugrunde liegenden Prämisse "§41 der Stmk. Gemeindeordnung als gegenstandslos zu betrachten [wäre], da es nach der Auslegung des Antragsstellers keinen gesetzesfreien Raum für die Erlassung von Verordnungen gibt."
5. Die Steiermärkische Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen, über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes jedoch ein an sie im Rahmen des aufsichtsbehördlichen Verfahrens gerichtetes Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Fürstenfeld vom 6. Juli 2006 vorgelegt.
II. Zur Rechtslage:
1. Das in der Stammfassung am 19. April 2005 erlassene Steiermärkische Landes-Sicherheitsgesetz (StLSG), LGBl. 24/2005, wurde mit der Novelle LGBl. 88/2005, in Kraft getreten am 20. September 2005, u.a. durch eine neue, in §3a leg.cit. enthaltene Bestimmung betreffend die "Bettelei" ergänzt. §3a StLSG lautet:
"§3a
Bettelei
(1) Wer in aufdringlicher Weise, wie durch Anfassen, unaufgefordertes Begleiten und Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen bettelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.
(2) Wer eine unmündige minderjährige Person (im Sinne des §21 ABGB) zum Betteln, in welcher Form auch immer, veranlasst oder diese bei der Bettelei mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung."
Im Zuge einer weiteren Novellierung des StLSG, LGBl. 95/2007, erhielt §3e StLSG eine - am 29. November 2007 in Kraft getretene - neue Fassung, indem nunmehr u.a. auch die in §3a StLSG geregelten Angelegenheiten der Gemeinde als solche des eigenen Wirkungsbereiches bestimmt werden.
2. Die im Abschnitt zum "Wirkungsbereich der Gemeinde" enthaltenen §§40 und 41 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 - GemO, LGBl. 115 idF LGBl. 49/2004, (im Folgenden: Stmk. GemO) lauten auszugsweise:
"§40
Eigener Wirkungsbereich
(1) Der eigene Wirkungsbereich umfaßt neben den im §1 Abs3 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.
(2) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten zugewiesen:
...
5. örtliche Sicherheitspolizei einschließlich örtliche Katastrophenpolizei;
6. örtliche Veranstaltungspolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiete des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
...
20. Sittlichkeitspolizei;
...
(4) Die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besorgt die Gemeinde im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Vorstellung (§94) - unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde.
..."
"§41
Selbständiges Verordnungsrecht
(1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
..."
3. Die bekämpfte Verordnung lautet:
"Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Fürstenfeld hat in einer öffentlichen Sitzung vom 04. Oktober 2006 folgende Verordnung erlassen:
Verordnung
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Fürstenfeld gemäß §41 Steiermärkische Gemeindeordnung, mit der Maßnahmen gegen unerwünschte Formen des passiven Bettelns im Stadtgebiet von Fürstenfeld erlassen werden.
§1
Wer in nicht aufdringlicher Weise wie durch Sitzen und Stehen vor Gebäuden, durch Knien auf Straßen um Geld oder geldwerte Sachen bettelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.
§2
Verwaltungsübertretungen werden gem. ArtVII EGVG 50/91 in der Fassung BGBl. Nr. 106/2005 mit Geldstrafen bis zu € 218,-- bestraft.
§3
Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.
Für den Gemeinderat:
Der Bürgermeister:
[Unterschrift]
Angeschlagen am: 16.10.2006
Abgenommen am: 31.10.2006"
Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsakten geht hervor, dass vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Fürstenfeld bereits am 22. März 2006 eine - nahezu wortgleiche - Verordnung erlassen worden war, dies jedoch unter Festlegung einer höheren als der nunmehr in §2 Bettelverordnung genannten Geldstrafe. Die mit vorliegendem Antrag angefochtene Verordnung beruht auf einem Gemeinderatsbeschluss vom 4. Oktober 2006.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit des Antrags:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. Die angefochtene Verordnung verbietet das nicht aufdringliche (passive) Betteln unter Androhung einer Geldstrafe; dieses Verbot trifft den Antragsteller, der bisher ungehindert der Betteltätigkeit in Fürstenfeld nachgegangen ist und dieses - bislang nicht verbotene - Verhalten seinem Vorbringen nach fortsetzen möchte, unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre (vgl. VfGH 8.3.2007, V17/06 mwN). Auch steht und stand dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, zumal es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren zu provozieren und in diesem die Rechtswidrigkeit der Verbotsnorm einzuwenden (vgl. etwa VfSlg. 14.260/1995).
3. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung der angefochtenen Verordnung zur Gänze. Da die Bestimmungen der §§2 und 3 Bettelverordnung untrennbar mit der in §1 leg.cit. enthaltenen Verbotsnorm zusammenhängen, wird der Umfang der zur Aufhebung beantragten Norm zutreffend umschrieben (s. VfSlg. 14.068/1995).
4. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen liegen vor, weshalb sich der Antrag als zulässig erweist.
B. In der Sache:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg. 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg. 15.644/1999, 17.222/2004).
2. Der Antragsteller behauptet u.a., dass sich die Bettelverordnung mangels Vorliegens eines das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstandes nicht auf die Voraussetzungen des Art118 Abs6 B-VG stützen könne. Weiters verstoße die bekämpfte Verordnung gegen das StLSG, da der Landesgesetzgeber, indem er lediglich aufdringliche Formen der Bettelei mit Verwaltungsstrafdrohung belegte, das Betteln abschließend und landesweit einheitlich regeln wollte.
3. Ortspolizeiliche Verordnungen können gemäß Art118 Abs6 B-VG und der gleichlautenden Bestimmung des §41 Abs1 Stmk. GemO iSd ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art118 Abs2 und 3 B-VG gewährleistet ist; sie müssen weiters den Zweck verfolgen, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände abzuwehren oder zu beseitigen und dürfen schließlich nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen (vgl. etwa VfSlg. 14.384/1995 mwN).
3.1. Zur Frage des Verstoßes ortspolizeilicher Verordnungen gegen bestehende Gesetze folgte der Verfassungsgerichtshof bislang der Auffassung, dass "eine ortspolizeiliche Verordnung dann nicht gegen bestehende Gesetze im Sinne des Art118 Abs6 B-VG verstößt, wenn zwar für bestimmte Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Gesetze erlassen wurden, diese gesetzlichen Regelungen aber nicht ausreichen, dem mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpften Mißstand, bzw. der 'aktuellen und konkreten Gefährdungssituation' abzuhelfen" (so VfSlg. 11.726/1988 mwN).
Der Gerichtshof sah einen Verstoß gegen bestehende Gesetze demgegenüber dann als gegeben an, wenn bereits eine "grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung" der Materie unter den maßgeblichen Regelungsgesichtspunkten vorlag und eine "aktuelle und konkrete Gefährdungssituation, die besondere Regelungen allenfalls deshalb erforderlich machen würde, weil die vorhandenen gesetzlichen Regelungen dafür nicht ausreichen" nicht gegeben war (VfSlg. 8601/1979).
Es kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes also bestimmend darauf an, ob die betreffende Angelegenheit bereits insoweit abschließend gesetzlich geregelt ist, als der (auch) mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpfte Missstand schon von einer bestehenden gesetzlichen Regelung erfasst ist. Eine ortspolizeiliche Verordnung kann diesfalls nur bei Vorliegen eines konkreten kommunalen Missstandes zum Gesetz hinzutreten (vgl. hiezu Weber, Art118/1-7 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 41 [1999]).
3.2. Nach Maßgabe der vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Fürstenfeld vorgelegten Verordnungsakten lagen der Erlassung der Bettelverordnung folgende Erwägungen zugrunde (Auszug aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Fürstenfeld vom 22. März 2006):
"Die Hinweise aus der Bevölkerung auf organisierte Bettelei und deren Abstellung in Fürstenfeld werden immer häufiger. Nach Beobachtung der tatsächlichen Situation hat sich der Gemeinderat in Orientierung nach dem Stmk. Landes-Lustbarkeitsgesetz und bereits vorliegenden Verordnungen in anderen Kommunen für die Erlassung einer Verordnung betreffend das Verbot der Bettelei in Fürstenfeld entschlossen.
Im Stmk. Landessicherheitsgesetz ist unter §3a Bettelei in folgender Form verboten:
Wer in aufdringlicher Weise, wie durch Anfassen, unaufgefordertes Begleiten und Beschimpfen um Geld oder Geldwertesachen bettelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.
Wer einen unmündigen Minderjährigen (im Sinne des §21 ABGB) zum Betteln, in welcher Form auch immer, veranlasst oder diesen bei der Bettelei mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung.
Unter §5 leg.cit ist festgelegt, dass die Organe der Bundespolizei bei der Vollziehung dieses Punktes mitzuwirken haben. In den Kompetenztatbestand der ortspolizeilichen Verordnung ist nun jene Art des Bettelns zu untersagen, die nicht in §3a Landessicherheitsgesetz geregelt ist und deren Untersagung von der Stadtgemeinde gewünscht ist. Die vom Gemeinderat in der Sitzung vom 05.10.2005 beschlossene Verordnung[,] mit der Maßnahmen gegen unerwünschte Formen der Bettelei beschlossen wurden, wurde aufgrund der Stellungnahme des Verfassungsdienstes der FA7F von der Aufsichtsbehörde nicht bestätigt, aus folgenden Gründen:
a.) die Verordnung entspricht im §2 nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, da auch jene Formen der Bettelei zur Verwaltungsübertretung erklärt werden, die bereits aufgrund des §3a des Steiermärkischen Landessicherheitsgesetzes verboten sind
b.) Der Gemeinderat muss sich im klaren sein, dass gerade in der Stadtgemeinde Fürstenfeld ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstand durch nicht aggressive Bettelei gegeben sein muss.
Der Hauptausschuss vertritt die Ansicht, dass aufgrund der Beschwerden aus der Bevölkerung und der Erkenntnisse des örtlichen Polizeipostens in der Stadtgemeinde Fürstenfeld durch nicht aggressive Bettelei ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstand gegeben ist. Die neu vorgesehene Verordnung (nunmehr sind die im §3a des Steiermärkischen Landessicherheitsgesetzes behandelten Formen der Bettelei als Verwaltungsübertretung ausgenommen)."
In einem Schreiben an die Steiermärkische Landesregierung vom 6. Juli 2006 führte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Fürstenfeld im Rahmen des aufsichtsbehördlichen Verfahrens zur "Begründung für die Notwendigkeit der Erlassung der Betteleiverordnung" weiters Folgendes aus:
"Zahlreiche Beschwerden wurden an mich in meiner Eigenschaft als Bürgermeister aus der Bevölkerung herangetragen, worin sich Teile der Bevölkerung durch die Bettelei, sei es vor Einkaufszentren, vor bestimmten Gebäuden der Stadt oder in Straßenzügen belästigt fühlten. Diese Beschwerden haben mich auch veranlasst, die Verordnung über die Bettelei zu veranlassen.
Abschließend möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, dass gerade die Stadtgemeinde Fürstenfeld mit ihren sozialen Projekten beispielhaft in der Steiermark da steht und in unserer Stadt aufgrund des sozialen Netzes es niemand nötig hat zu betteln. Jene Art der Bettelei die in der Verordnung verboten ist, resultiert aus anderen Quellen."
Diese der Erlassung der angefochtenen Verordnung zugrunde liegenden Überlegungen decken sich nun im Kern mit jenen, die den Landesgesetzgeber im Jahr 2005 zur Schaffung einer spezifischen Bestimmung - nämlich des §3a StLSG - betreffend die Bettelei bewogen. Im Bericht des Ausschusses für Gemeinden und Sicherheit des Steiermärkischen Landtages (EZ 1547/5 und 2058/2, Blg. 250, 14. GP) heißt es:
"Ein weiteres Problem, vor allem im urbanen Bereich, stellt die Bettelei dar. Immer wieder kommt es vor, dass Passanten von bettelnden Personen in aggressiver Form belästigt bzw. bedrängt werden. Auch Kinder werden immer wieder zum Betteln veranlasst oder mitgeführt, um die Freigiebigkeit von spendenden Personen zu forcieren. Es war daher geboten, sowohl die aggressive Form des Bettelns, als auch das Betteln von Kindern zu verhindern, wobei auch bei dieser Bestimmung vor allem der präventive Charakter im Vordergrund steht. Dies zeigt die Grazer Betteleiverordnung, nach deren Inkrafttreten bettelnde Kinder und bettelnde Frauen mit Säuglingen kaum mehr auf den Straßen zu sehen sind. Es erscheint zweckmäßig, eine steiermarkweite Regelung herbeizuführen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und ein Ausweichen in Umlandgemeinden zu verhindern."
Die angefochtene Verordnung sucht folglich erkennbar - auf Basis gleichartiger Überlegungen wie sie dem §3a StLSG zugrunde liegen - durch Erlassung eines Verbots passiven Bettelns ein im Ergebnis "absolutes" Bettelverbot in Fürstenfeld zu erreichen, um ein von der Bevölkerung als unangenehm wahrgenommenes Verhalten, nämlich die Bettelei in jeder Form, vom Gemeindegebiet fernzuhalten. Die verordnungserlassende Gemeinde verkennt dabei jedoch, dass der zuständige Landesgesetzgeber mit §3a StLSG bereits jene Erscheinungsformen der Bettelei verboten hat, die seiner Auffassung nach im Allgemeinen als unerwünscht erachtet werden. Er hat daher insofern eine grundsätzliche Wertung vorgenommen, indem er gemäß §3a StLSG alle Formen des aufdringlichen Bettelns und des Bettelns von Minderjährigen als "unerwünschte Formen der Bettelei" (so der Bericht des Ausschusses für Gemeinden und Sicherheit des Steiermärkischen Landtages, EZ 1547/5 und 2058/2, Blg. 250, 14. GP, zu §3a StLSG) verboten und ein Zuwiderhandeln unter Sanktion gestellt hat (s. §4 Abs1 StLSG).
Ein darüber hinausgehendes Verbot (insbesondere auch des passiven Bettelns) hat der Landesgesetzgeber hingegen nicht normiert. Wenn nun die Stadtgemeinde Fürstenfeld ein den §3a StLSG ergänzendes, weitergehendes Verbot vorsieht, wäre dies verfassungsrechtlich nur dann als zulässig anzusehen, wenn das Verbot zur Abwehr eines spezifisch das örtliche Gemeinschaftsleben der Stadtgemeinde Fürstenfeld störenden Missstandes notwendig ist, der durch das Gesetz nicht oder nicht hinreichend bekämpft wird. Dass ein in der Stadtgemeinde Fürstenfeld wurzelnder und konkret in dieser Gemeinde auftretender Missstand vorläge, ist jedoch weder aus den Erwägungen zur Erlassung der angefochtenen Verordnung noch aus dem Verordnungsakt, aber auch nicht aus dem im aufsichtsbehördlichen Verfahren durchgeführten Schriftwechsel dargetan.
Diesbezüglich ist zu bemerken, dass die im Sitzungsprotokoll des Gemeinderates vom 22. März 2006 festgehaltene generelle Aussage, nicht aggressive Formen des Bettelns hätten in Fürstenfeld einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand zur Folge, für sich alleine nicht geeignet ist, den Nachweis über das Vorliegen konkreter Umstände zu führen, welche die Schlussfolgerung zulassen, es liege ein gemeindespezifischer Missstand iSd verfassungsrechtlichen Anforderungen vor (zur Funktion ortspolizeilicher Verordnungen als subsidiäre spezifische Missstandsabwehr s. VfSlg. 15.364/1998).
Die Stadtgemeinde Fürstenfeld war sohin unter Berufung auf das ihr eingeräumte Recht zur Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen mangels Vorliegens eines örtlichen Missstandes nicht berechtigt, das in §3a StLSG normierte Bettelverbot durch Verordnung zu erweitern.
Im Lichte dieser Ausführungen kann entgegen dem Vorbringen des Gemeinderates der Stadtgemeinde Fürstenfeld keineswegs angenommen werden, dass §41 Stmk. GemO deshalb als "gegenstandslos" zu betrachten sei, weil gesetzesergänzende ortspolizeiliche Verordnungen nicht (mehr) möglich wären.
4. Die angefochtene Verordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Vorbringen des Antragstellers nicht mehr einzugehen.
IV. 1. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §61a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- und eine Eingabengebühr in der Höhe von € 180,- enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Sicherheitspolizei örtliche,Verordnung ortspolizeiliche, Polizei, Verwaltungsstrafrecht,Bettelverbot, VfGH / Individualantrag, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:V41.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009